Eine Person hält ein Smartphone, auf dessen Display verschiedene Social Media Apps angezeigt werden.

Niedersachsen Social Media: Entwicklungsstörungen bei Jugendlichen nehmen zu

Stand: 25.10.2024 15:57 Uhr

Rund 93 Prozent der 12- bis 19-Jährigen nutzen täglich soziale Medien. Das hat eine Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH in Hannover ergeben. Der digitale Konsum hat laut der Krankenkasse gesundheitliche Folgen.

Das ständige Schreiben in kürzester Form könne sich negativ auf die Sprach- und Lesekompetenz beziehungsweise auf die Entwicklung des Wortschatzes auswirken, sagt Hirnforscher Martin Korte von der Technischen Universität Braunschweig (TU) in einer Mitteilung der KKH von Freitag. Zwar fördere der Konsum von kurzen Formaten wie Reels oder Posts die visuelle Intelligenz der Jugendlichen. "Was hingegen abnimmt, ist das Auge für Details und die Fähigkeit, den Überblick zu behalten", betont Korte. Die meisten 17-Jährigen bewegen sich seinen Angaben zufolge nicht weiter als zwei Meter von ihrem Smartphone weg. "Das sorgt für kürzere Aufmerksamkeitsspannen und schneller nachlassende Konzentration", so der Hirnforscher.

Motorische Entwicklungsstörungen nehmen zu

Die KKH warnt vor weiteren gesundheitlichen Folgen des digitalen Konsums. So habe die Krankenkasse anhand eigener Daten von rund 190.000 Versicherten im Alter von 6 bis 18 Jahren analysiert, dass Erkrankungen, die für Kinder bislang untypisch waren, in den vergangenen zehn Jahren häufiger geworden sind. Im Jahr 2023 wurde demnach bei rund 5.650 Kindern eine motorische Entwicklungsstörung diagnostiziert. Von 2013 auf 2023 ist der Anteil der 6- bis 18-Jährigen mit dieser Diagnose um rund 37 Prozent gestiegen, bei den 15- bis 18-Jährigen sogar um rund 77 Prozent.

Starker Anstieg bei Sprachstörungen

Bei Sprach- und Sprechstörungen war nach Angaben der Krankenkasse eine Zunahme von 53 Prozent zu beobachten. Auffallend sei auch hier der Anstieg bei den 15- bis 18-Jährigen: Dieser liege bei rund 104 Prozent, so die KKH. Absolute Zahlen nannte die Krankenkasse auf Anfrage des NDR Niedersachsen aus Datenschutzgründen nicht.

Jugendliche nutzen täglich Social Media

Laut Umfrage zählen soziale Netzwerke wie Instagram, TikTok oder WhatsApp bei den Jugendlichen zu den Lieblingsmedien, vor Musikstreaming und Videostreaming. Sie sind demnach fest im Alltag der meisten Jugendlichen integriert: Rund 85 Prozent der 12- bis 19-Jährigen nutzen Social Media mehrmals am Tag, mindestens einmal am Tag werden soziale Netzwerke sogar von 93 Prozent genutzt. Hauptgründe für die Nutzung von digitalen Medien, Musik- und Videostreaming sind laut der Umfrage Spaß und Zeitvertreib. Zudem nutzen 67 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen soziale Netzwerke, um sich auszutauschen und mit Freunden zu verabreden. Rund 21 Prozent der Befragten gaben an, dass sie digital aktiv sind, um sich von Problemen abzulenken. Und: Etwa 19 Prozent der Befragten haben laut Umfrage das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn sie nicht in sozialen Medien unterwegs sind.

Jeder fünfte Jugendliche bereits Opfer von Cybermobbing

"In der Phase vom Kind zum Erwachsenen sind junge Menschen besonders empfänglich für soziale Vergleiche und Einflüsse durch andere. Sie probieren sich aus, suchen Anschluss an Gleichaltrige, wollen sich von anderen aber auch abgrenzen", sagt Franziska Klemm, Psychologin und Expertin für Medienkompetenz bei der KKH. "Dabei kommt es leider auch zu negativen Erfahrungen wie Ausgrenzung oder sogar psychischer Gewalt in Form von Mobbing." Wie aus der Forsa-Umfrage hervorgeht, ist jeder fünfte Jugendliche schon Opfer von Cybermobbing geworden. Das entspricht rund 21 Prozent der befragten 12- bis 19-Jährigen. Weitere 35 Prozent machen sich demnach Sorgen, dass sie in sozialen Netzwerken beleidigt, bedroht oder belästigt werden könnten.

"Journalismus macht Schule": Wie erkenne ich Fake News?

Krankenkasse fordert mehr Medienkompetenz

Die KKH fordert daher mehr Medienkompetenz. Es sei entscheidend, "dass Heranwachsende lernen, soziale Plattformen risikokompetent zu nutzen", erklärt Klemm. Hier seien vor allem die Eltern gefragt. Sie sollten ihren Kindern "klare Regeln für die Nutzung sozialer Medien" aufzeigen und mit ihnen "aktiv" über ihre Onlineerfahrungen sprechen. Für die Umfrage hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa laut Krankenkasse 1.004 Personen online befragt. Mit rund 1,5 Millionen Versicherten ist die KKH nach eigenen Angaben eine der größten Krankenkassen Deutschlands.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 25.10.2024 | 14:00 Uhr