Niedersachsen Entführer von Familie Wallert zu 40 Jahren Haft verurteilt
Die Geiselnahme der Familie Wallert aus Göttingen hatte im Frühjahr 2000 mehrere Monate die internationalen Schlagzeilen beherrscht. Jetzt sind die Entführer zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
17 Mitglieder der radikal-islamischen Terrorgruppe Abu Sayyaf auf den Philippinen müssen dem Gerichtsurteil zufolge jeweils 40 Jahre ins Gefängnis. Das teilte die staatliche philippinische Nachrichtenagentur unter Berufung auf das Justizministerium mit. Die Terroristen hatten am 23. April 2000 schwer bewaffnet 21 Personen aus einem Urlaubsresort in Malaysia in den philippinischen Dschungel entführt - darunter auch das Ehepaar Werner und Renate Wallert aus Göttingen sowie ihren damals 26 Jahre alten Sohn Marc. Unter den Geiseln waren außer ihnen zwei Finnen, zwei Südafrikaner, zwei Franzosen und ein Libanese sowie elf philippinische Angestellte des Hotels.
Familie Wallert kommt nach Monaten in Gefangenschaft frei
Immer wieder mussten die Geiseln damals das Camp wechseln. Je länger die Entführung dauerte, desto mehr Privilegien bekamen die Gefangenen. So haben unter anderem Journalisten und Boten immer wieder Pakete in den Dschungel gebracht. Renate Wallert ist damals nach fast drei Monaten als erste europäische Geisel freigekommen. Nach und nach ließen die Entführer weitere Opfer gehen. Dafür wurden hohe Geldbeträge gezahlt, mutmaßlich sollen rund 25 Millionen US-Dollar Lösegeld geflossen sein. Von den damaligen deutschen Politikern hieß es, dass die Freilassung nur mithilfe des ehemaligen libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi möglich war. Am 27. August kam der Vater der Familie frei, am 9. September schließlich auch der Sohn.
Ostersonntag, 23. April 2000:
21 Urlauber aus sieben Nationen, unter ihnen die dreiköpfige Familie Wallert aus Göttingen, werden von einem Tauchressort auf der malaysischen Insel Sipadan von der radikal-islamischen Terrororganisation Abu Sayyaf gekidnappt. Schwerbewaffnete Rebellen verschleppen die Geiseln auf zwei Boote. 20 Stunden dauert die Fahrt über das offene Meer. Das Ziel: der philippinsche Dschungel auf der Insel Jolo. Nach zehnstündigem Fußmarsch erreichen die Entführten das erste Camp. Es gibt weder Toiletten noch Betten. Zu essen gibt es die ersten Wochen meist nur Reis.
29. April:
Das erste Kamerateam besucht das Lager und berichtet über die Entführung. Immer wieder kommen neue Journalisten ins Camp. Die Entführer fordern öffentlich einen unabhängigen islamischen Staat auf den Philippinen. Die Geiselnahme beherrscht über Monate die internationalen Schlagzeilen. Zweimal gerät das Lager unter Beschuss des philippinischen Militärs. Sechsmal müssen die Geiseln im Laufe der Entführung das Camp wechseln.
17. Juli:
Renate Wallert aus Göttingen kommt als erste deutsche Geisel frei. Sie musste während der Entführung immer wieder medizinisch versorgt werden, sie war mehrmals kollabiert. Nach und nach werden weitere Geisel freigelassen.
27. August:
Werner Wallert, der Mann von Renate Wallert, wird freigelassen und darf zurück nach Göttingen. Den anderen Geiseln geht es sichtlich besser. Immer wieder kommen Pakete mit Hilfslieferungen an, so etwa mit Notizblöcken, Schuhen und Kleidung. Mittlerweile schickt auch die Bundeswehr Essensrationen wie Hamburger in den Dschungel.
9. September:
Nach 140 Tagen in Haft, werden die letzten Geiseln freigelassen, unter ihnen auch Marc Wallert aus Göttingen. Drei Tage später wird er von seinen Eltern am Flughafen Hannover in Empfang genommen. Offizielle Angaben über die Höhe des Lösegeldes gibt es nicht. Es wird vermutet, dass insgesamt 25 Millionen US-Dollar Lösegeld geflossen sind. Die damaligen deutschen Politiker äußern sich nicht zu Details, betonen aber, dass die Freilassung nur mit Hilfe des ehemaligen libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi möglich war. Alle Geiseln haben überlebt.
Mitglieder der Terrorgruppe vier Jahr später gefasst
Der Anführer namens "Commander Robot" sowie mehrere Mitglieder der verantwortlichen Terrorgruppe Abu Sayyaf wurden vier Jahre nach der Geiselnahme gefasst. Wenig später kam der Anführer bei einem Gefängnisaufstand in der philippinischen Hauptstadt Manila ums Leben. Mit der Geiselnahme wollte die Terrorgruppe die Forderung nach einem unabhängigen islamischen Staat auf den Philippinen durchsetzen. Abu Sayyaf wird für viele Terrorangriffe und Entführungen auf den Philippinen verantwortlich gemacht.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hallo Niedersachsen | 22.10.2024 | 19:30 Uhr