Bagger und Arbeiter im Salzstock Gorleben

Keine Atommüll-Endlagerung Bergwerk Gorleben wird mit Salz zugeschüttet

Stand: 29.11.2024 17:19 Uhr

Das Erkundungsbergwerk im Salzstock Gorleben wird zugeschüttet. Seit diesem Freitag werden 800 Tonnen Salz pro Tag in den Salzstock verfüllt. Jahrzehntelang war es als einzig mögliches Atommüll-Endlager in Deutschland untersucht worden.

Mit etwa 400.000 Tonnen Salz sollen in den kommenden drei Jahren die Strecken und Schächte wieder verfüllt werden, teilte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mit. Am Freitag haben Dutzende Radlager und Bagger mit ihrer Arbeit über und unter Tage begonnen. Pro Tag werden rund 800 Tonnen Salz in 40 Container verfüllt.

Ein solches Verfahren gab es noch nie

Doch bevor das Salz in den Stollen geschüttet werden kann, gibt es noch eine Herausforderung: Aktuell lagert das Salz auf einer Halde in einem nahegelegenen Wald. Nach Angaben einer BGE-Sprecherin hat sich das Material im Laufe der Zeit durch die Witterungseinflüsse stark verdichtet und ist inzwischen hart wie Stein. Daher müsse das Salz vor dem Abtransport zunächst mit Fräsen gelöst werden. Diese sollen die Oberfläche der Halde bearbeiten, um das Salz zu lockern. Dann wirft die Fräse das gelockerte Steinsalz - ähnlich wie bei der Ernte mit einem Mähdrescher - in den Container eines Traktors, erklärt Torsten Rabe, Werksleiter in Gorleben. Der Inhalt der Container wird schließlich in den Stollen geschüttet. Für Rabe und seine Kollegen der BGE ist dieses Verfahren eine große Herausforderung - denn so etwas gab es auf einer Salzhalde noch nie.

Rückbau soll bis 2031 dauern

"Der Beginn der Verfüllung des Bergwerks Gorleben zeigt: Wir halten unser Wort und schließen das Bergwerk", sagte Iris Graffunder, Vorsitzende der Geschäftsführung der BGE. Laut BGE soll das Verfüllen rund drei Jahre dauern. Im Anschluss soll unter anderem das Betriebsgelände zurückgebaut werden. Bis 2031 soll der komplette Rückbau den Angaben zufolge abgeschlossen sein. Dafür wird bis Ende 2027 rund um die Uhr im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet. Bis zu vier mit Salzgestein beladene Container sollen dann pro Stunde unter Tage gebracht werden. In der Nachtschicht sollen Wartungs- und Reparaturarbeiten durchgeführt werden. Nach dem Rückbau wird die BGE eigenen Angaben zufolge das Gelände an die Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) zurückgeben. Wie das Gelände anschließend genutzt wird, darin ist die BGE nicht involviert.

Lemke: "Wichtiges Signal für die Menschen"

"Die Verfüllung ist ein wichtiges Signal für die Menschen vor Ort, die sich lange gegen die Errichtung eines Endlagers an diesem Standort gewehrt haben, der nicht wissenschaftlich bestimmt, sondern politisch gesetzt wurde", sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Freitag. Die Verfüllung des Salzstocks sei daher ein wichtiger Schritt in der Geschichte der Endlagersuche, um "durch konsequent wissenschaftliches Vorgehen und transparente Kriterien" das Vertrauen der Bevölkerung wiederherzustellen. Bis Mitte des Jahrhunderts müsse Deutschland ein Endlager finden - das sei man den Menschen in Regionen mit Zwischenlagern schuldig. "Dafür werden wir das Verfahren beschleunigen, wo es möglich ist", erklärte die Bundesumweltministerin.

Meyer: "Demokratie hat aus Gorleben gelernt"

Auch Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) begrüßte die Rückbauarbeiten in Gorleben. Das Kapitel Gorleben werde "als Endlagerstandort im wahrsten Sinne des Wortes geschlossen". Die Verfüllung "ist auch ein klares Signal, dass unsere Demokratie gelernt hat, bei solchen umstrittenen Großprojekten wie die Endlagerung von hochradioaktivem Atommüll, der über Hunderttausende Jahre untergebracht werden muss, ein sachliches, partizipatives und vergleichendes Verfahren zu organisieren", sagte Meyer laut einer Mitteilung am Freitag.

Endlagersuche verzögert sich um Jahrzehnte

Gesucht wird ein Ort, an dem rund 27.000 Kubikmeter hochradioaktiven Atommülls für mindestens eine Million Jahre sicher lagern können. Dafür kommen Salzformationen sowie tiefe Ton- und Kristallinschichten infrage. Erst Ende 2027 will die BGE final mehrere Standortregionen vorschlagen. Im besten Fall steht laut BGE erst 2046 ein Endlager-Standort fest - mehr als 20 Jahre später als ursprünglich geplant. Ein externes Gutachten geht sogar erst 2074 von einem festen Endlager-Standort aus.

Genehmigung für Zwischenlager läuft bald aus

Problematisch ist das für die Zwischenlager, in denen bundesweit mehr als 1.000 Behälter radioaktiven Atommülls untergebracht sind. Denn: Sie sind nicht für eine dauerhafte Lagerung ausgelegt. Allein in Gorleben (Landkreis Lüchow-Dannenberg) lagern derzeit noch 113 radioaktive Atommüll-Behälter im oberirdischen Zwischenlager. Die Genehmigung dafür erlischt 2034.

Gorleben: Größte Demo Niedersachsens

Das Bergwerk Gorleben hat eine jahrzehntelange Geschichte. Im Februar 1977 hatte Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) bekannt gegeben, dass der Salzstock ein "Nukleares Entsorgungszentrum" mit nuklearer Wiederaufbereitungsanlage (WAA), Endlager und weiteren Atomanlagen werden solle. In der bis dahin größten Demonstration der niedersächsischen Geschichte zogen 350 Landwirte aus der Region nach Hannover, um gegen die geplante Anlage zu demonstrieren. In der niedersächsischen Landeshauptstadt kamen insgesamt 100.000 Menschen zusammen. Wochen später verkündete Albrecht das Aus für die Pläne der Wiederaufbereitungsanlage.

Gorleben scheidet nach Jahrzehnten als Endlager aus

Die Erkundung des Bergwerks lief aber weiter. Um den Salzstock als mögliches Endlager für hochradioaktiven Atommüll zu untersuchen, wurden die 400.000 Tonnen Salz ausgehoben. Im September 2020 schied Gorleben schließlich aus dem neu aufgerollten Suchverfahren für einen Endlagerstandort aus. Ein Jahr später entschied das Bundesumweltministerium, das ehemalige Bergwerk stillzulegen. Der Rückbau sollte eigentlich Mitte 2024 beginnen, es gab jedoch Verzögerungen. Erst im November 2024 erteilte das Landesbergamt Niedersachsen die Genehmigung für die Verfüllung.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hallo Niedersachsen | 29.11.2024 | 19:30 Uhr