Hessen Tausende VW-Beschäftigte in Baunatal streiken – IG Metall will "Signal" setzen
Wut und Unsicherheit bei den VW-Beschäftigten in Baunatal sind groß: Tausende von ihnen beteiligen sich an dem Warnstreik der IG Metall. Die Gewerkschaft schließt auch einen 24-Stunden-Streik nicht mehr aus.
Im Tarifkonflikt bei Volkswagen sind am Montag auch Beschäftigte des VW-Werks in Baunatal (Kassel) in einen Warnstreik getreten. Nach Angaben der IG Metall legten am zweitgrößten deutschen VW-Standort tausende Beschäftigte der Frühschicht im Rahmen einer Früh-Schluss-Aktion die Arbeit ab 12.30 Uhr nieder.
Sie verließen zwei Stunden vor ihrem regulären Schichtende am Montagmittag ihren Arbeitsplatz - viele von ihnen fuhren später hupend nach Hause. Sämtliche weitere Schichten sollen ebenfalls zwei Stunden früher als ursprünglich geplant enden. Die IG Metall geht davon aus, dass alle am Montag anwesenden rund 12.500 Beschäftigten sich an dem Warnstreik beteiligen.
Am Mittag zogen die Mitarbeiter mit Bannern und Plakaten mit Aufschriften wie "Hände weg von unseren Tarifverträgen" vor das Werkstor.
IG Metall: "Vorstand beharrt auf Maximalforderungen"
Mit dem flächendeckenden Warnstreik will die IG Metall in neun der zehn deutschen VW-Werke die Produktion zeitweise zum Stehen bringen. "Das Ziel heute ist, ein klares Signal an den Vorstand zu setzen, sich jetzt endlich an den Verhandlungstisch zu bewegen und auf uns zuzukommen", sagte der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Nordhessen, Oliver Dietzel. "Der Vorstand beharrt auf den Maximalforderungen: Absenkung von Entgelten, Werkschließungen, Entlassungen. Das ist mit der IG Metall so nicht zu machen."
Sollte das Konzern-Management sich nicht bewegen, lasse sich auch ein 24-Stunden-Streik nicht mehr ausschließen, warnte der Baunataler Betriebsratsvorsitzende Carsten Büchling. Es herrsche "große Unzufriedenheit, Wut und Unsicherheit" unter den Beschäftigten. Am Dienstag steht eine Betriebsversammlung in Baunatal an, zu der laut Gewerkschaft rund 8.000 Beschäftigte erwartet werden.
Der Betriebsratsvorsitzende Carsten Büchling will einen "24-Stunden-Streik nicht mehr ausschließen".
Der VW-Konzern betonte, man bemühe sich, "die Auswirkungen des Warnstreiks auf unsere Kundinnen und Kunden, unsere Partner sowie unsere Industrieanlagen so gering wie möglich halten". Eine Notversorgung sei sichergestellt.
VW will Löhne kürzen
Die IG Metall wehrt sich mit dem Ausstand gegen milliardenschwere Einschnitte bei Europas größtem Autobauer. VW fordert von den Mitarbeitern eine Lohnkürzung von zehn Prozent. Auch Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen stehen im Raum. Die Gewerkschaft fordert für die Beschäftigten 7 Prozent mehr Entgelt, dazu für Auszubildende 170 Euro mehr im Monat. Die Friedenspflicht für die aktuellen Tarifverhandlungen war in der Nacht zum Sonntag abgelaufen.
Am 9. Dezember treffen sich beide Seiten zur nächsten Tarifrunde. Mit rund 15.500 Mitarbeitern ist Baunatal das weltgrößte Komponentenwerk des Volkswagen-Konzerns - es gilt als größter Arbeitgeber Nordhessens. In Baunatal werden weite Teile des elektrischen Antriebsstrangs hergestellt.
Zukunftskonzept abgelehnt
Ende Oktober hatte Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) das VW-Werk in Baunatal besucht und signalisiert, dass er für die Zukunft des Standorts kämpfen werde. Mansoori kritisierte, dass das Konzern-Management im vergangenen Jahr noch 4,5 Milliarden Euro an Dividenden ausgezahlt habe und nun 4 Milliarden Euro einsparen will.
Der Konzern hatte sich zuletzt verhandlungsbereit gezeigt, allerdings ein von der IG Metall und dem Betriebsrat vorgeschlagenes Zukunftskonzept abgelehnt. Das Angebot der Gewerkschaft lautete, eine mögliche Tariferhöhung nicht auszuzahlen, sondern in einem Zukunftsfonds anzulegen. Dafür sollte Volkswagen von angekündigten Werksschließungen und Massenentlassungen absehen.
Flächendeckende Streiks an allen sechs großen VW-Werken in Westdeutschland gab es zuletzt 2018. Nach Angaben der IG Metall beteiligten sich damals mehr als 50.000 Beschäftigte in Wolfsburg, Kassel-Baunatal, Hannover, Emden, Braunschweig und Salzgitter.