Hessen Offener Antisemitismus auf Weihnachtsmarkt in Darmstadt
Auf dem Weihnachtsmarkt einer Darmstädter Kirchengemeinde wurden antisemitisches Material verkauft und verbotene Hamas-Kennzeichen verwendet. Stadt und Kirche sind entsetzt, die Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige. Jetzt hat sich der Pfarrer der betroffenen Gemeinde geäußert.
Einen "Friedens-Weihnachtsmarkt" wollte die Darmstädter Michaelsgemeinde veranstalten, stattdessen gab es Hassparolen und antisemitische Entgleisungen. Auf der Veranstaltung am vergangenen Wochenende wurde unverblümt antisemitisches Material verbreitet. Das bestätigte die Evangelische Kirche in Hessen Nassau (EKHN): "Die Bilder sind zutiefst verstörend."
Wer über den Weihnachtsmarkt im Martinsviertel schlenderte, konnte etwa Lebkuchenherzen oder Schlüsselanhänger mit Slogans und dem roten Dreieck kaufen - dem Erkennungszeichen der verbotenen Terrororganisation Hamas. Auch Stofftaschen, auf denen eine Landkarte Israels mit dem Schriftzug "Palästina" darüber zu sehen ist, wurden angeboten. Eine Grafik, die das Existenzrecht Israels infrage stellt.
Auf Flyern war der Spruch "From the river to the sea" zu lesen, über dessen Strafbarkeit die Gerichte seit Monaten diskutieren. Mit der Parole wird ein freies Palästina gefordert - und damit nach der Überzeugung vieler die Auslöschung Israels. Die evangelische Michaelsgemeinde hatte den "Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt" zusammen mit der Palästina-Solidaritätsgruppe "Darmstadt4Palestine" veranstaltet.
Plakat mit der Aufschrift "From the River to the Sea" auf dem Weihnachtsmarkt der Michaelsgemeinde.
Pfarrer bittet um Entschuldigung
Nach einigem Zögern hat sich die evangelische Gemeinde zu den Vorwürfen geäußert. "Ich bedaure zutiefst, dass es zu diesem Vorfall gekommen ist", schreibt Pfarrer Manfred Werner in einer Stellungnahme am Dienstagabend. Er habe Verständnis für die Empörung: "Ich entschuldige mich bei der Jüdischen Gemeinde."
Mit dem Weihnachtsmarkt habe die Gemeinde auf die Kultur und das Leid von Menschen in Palästina und Israel hinweisen wollen. Der Verkauf und die Präsentation der antisemitischen Symbole seien nicht abgesprochen gewesen und wären sonst auch unterbunden worden, sagt Werner. "Das Existenzrecht Israels steht für mich nicht in Frage."
Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige
Die Jüdische Gemeinde Darmstadt und mehrere Privatpersonen hatten zuvor nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden Daniel Neumann Strafanzeigen gegen die Michaelsgemeinde und "Darmstadt4Palestine erstattet. Die Anzeigen richteten sich gegen das Ausstellen verfassungswidriger und terroristischer Symbole.
Dass eine Kirchengemeinde eine solchen Weihnachtsmarkt abhalte, sei "skandalös", sagte Neumann von der Jüdischen Gemeinde. Dort seien sämtliche Register gezogen worden, "Israel zu dämonisieren und zu delegitimieren".
Oberbürgermeister kritisiert Gemeinde scharf
Auch Darmstadts Oberbürgermeister Hanno Benz (SPD) hatte die Gemeinde scharf kritisiert. Die Bilder vom Weihnachtsmarkt nannte er ebenfalls "zutiefst verstörend". Er wirft der Michaelsgemeinde vor, antisemitische Inhalte zu propagieren.
Es seien antisemitische Erzählmuster aufgenommen worden, so Benz. Gleichzeitig habe es keine Kritik an dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel und damit auf jüdisches Leben am 7. Oktober 2023 gegeben. Eine solche Veranstaltung unter dem Dach einer evangelischen Gemeinschaft durchzuführen, sei "unerträglich".
Antisemitismus-Beauftrager: "Absolut skandalös"
Der hessische Antisemistimus-Beauftragte Uwe Becker (CDU) sagte am Mittwoch, man habe hier Weihnachten zur Verbreitung von Judenhass missbraucht. In subtiler, gleichzeitig aber auch aggressiver Form habe man dem israelbezogenen Antisemitismus in allen denkbaren Formen Raum geboten.
"Es ist unfassbar, völlig inakzeptabel und absolut skandalös, in welch infamer Weise in Darmstadt Hamas-Propaganda und Holocaust-Relativierung eine Plattform geboten wurde", so Becker. Durch die Verwendung der Botschaft "Nie wieder" sei der Massenmord an sechs Millionen Juden mit den aktuellen Kriegshandlungen im Nahen Osten gleichgesetzt worden.
Auf einem Lebkuchenherz steht "Never again" ("Nie wieder"). Das setzt den Massenmord an sechs Millionen Juden mit dem aktuellen Kriegsgeschehen gleich und relativiert den Holocaust.
Kirche begrüßt Strafanzeige
Die Evangelische Kirche in Hessen Nassau (EKHN) distanziert sich gegenüber dem hr deutlich von dem Vorfall und behält sich nach eigenen Angaben rechtliche Schritte gegen die Michaelsgemeinde vor. Die Strafanzeige durch die Jüdische Gemeinde begrüßt die Kirche demnach "ausdrücklich".
Grundsätzlich sei es legitim, auf das Anliegen der notleidenden Menschen in Gaza aufmerksam zu machen, schreibt die EKHN. Der Verkauf von Gegenständen mit Symbolen, die in Verbindung mit der Terrororganisation Hamas stehen, sei aber inakzeptabel: "Antisemitismus darf in unserer Kirche keinen Platz haben."
Der Vorfall hat bereits den Weg zur Darmstädter Staatsanwaltschaft gefunden, die die Ermittlungen aufgenommen hat. "Wir prüfen aktuell, ob ein Straftatbestand vorliegt", sagte Staatsanwalt Robert Hartmann dem hr.