
Hessen Meldestelle verzeichnet mehr Fälle von Antiziganismus in Hessen
Seit zwei Jahren erfasst die Meldestelle Antiziganismus (MIA) Fälle von Diskriminierung von Sinti und Roma in Hessen. 2024 wurden ihr deutlich mehr Fälle gemeldet als noch im Vorjahr. Besonders oft betroffen: Schülerinnen und Schüler.
Rassistische Beleidigungen in der S-Bahn, Mobbing durch die Mitschüler, falsche Bezichtigungen im Kaufhaus. Die Diskriminierung von Sinti und Roma kennt viele Formen. Für viele Angehörige der Minderheit ist antiziganistischer Rassismus Alltag. Und die Zahl der registrierten Diskriminierungen wächst.
Laut dem am Donnerstag in Wiesbaden vorgestellten Jahresbericht der Informations- und Meldestelle Antiziganismus (MIA) wurden ihr im Jahr 2024 159 entsprechende Vorfälle gemeldet. Im Vorjahr lag die Zahl noch bei 113 Vorfällen. Ein Plus von 40 Prozent.
Sehr hohe Dunkelziffer
"Konkret heißt das, dass Beleidigungen, Bedrohungen, Benachteiligungen, Ausgrenzungen gegenüber Roma und Sinti am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit, in der Schule, im Alltag nicht nur weiterhin bestehen, sondern zugenommen haben", erklärte MIA-Projektleiter Joachim Brenner.
Dieser "alarmierenden Entwicklung" müsse entschieden entgegengetreten werden. Zumal die Meldestelle davon ausgehe, dass die gemeldeten Fälle nur einen Bruchteil der tagtäglichen Diskriminierung von Sinti und Roma widerspiegelten. Die Dunkelziffer liege vermutlich viel höher, betont Rinaldo Strauß, ebenfalls MIA-Projektleiter.
In Hessen leben groben Schätzungen zufolge 8.000 bis 10.000 Sinti und Roma. Eine genaue Statistik gibt es nicht aufgrund der Erfahrungen mit der Erfassung in der NS-Zeit. Damals wurden bis zu einer halben Million Sinti und Roma systematisch verfolgt und ermordet.
Lehrpersonal reagiert oft nicht
Die mit Abstand häufigste Diskriminierungs-Form seien antiziganistische Beleidigungen und "verbale Stereotypisierung", hält der Jahresbericht fest. Diese machten 57 Prozent der gemeldeten Vorfälle aus. Zudem wurden zehn tätliche Angriffe und vier Bedrohungen registriert.
Insbesondere in den Lebensbereichen Wohnen und Schule häuften sich die gemeldeten Diskriminierungen, hält der MIA-Jahresbericht fest. Besonders erschütternd seien dabei Fälle, in denen das Lehrpersonal direkt oder indirekt an der Diskriminierung beteiligt sei.
"In einem Fall wurde ein Grundschüler über einen längeren Zeitraum regelmäßig von einem Mitschüler rassistisch beleidigt und auch immer wieder geschlagen", berichtet die wissenschaftliche Mitarbeiterin Katja von Auer. Die Eltern hätten die Schulleitung informiert, doch diese habe auf die Beschwerden schlicht nicht reagiert.
"Der Umgang mit Antiziganismus darf nicht einzelnen Verbänden überlassen werden, sondern es muss von der Schule anerkannt werden, dass es da Handlungsbedarf gibt", so Auer.
Geschichte der Diskriminierung in den Unterricht
Ein Schritt dazu könne sein, die Geschichte der Diskriminierung von Sinti und Roma im Unterricht zu behandeln. "Wir fordern, dass die Verfolgungsgeschichte von Sinti und Roma und die Strukturen des gegenwärtigen Antiziganismus an Schulen und Universitäten ein verpflichtender Bestandteil der Lehrpläne wird", betont Projektleiter Rino Strauß.
Die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus Hessen gehört zu einem gleichnamigen bundesweiten Projekt. Die Bundesgeschäftsstelle von MIA in Berlin hat ihre Arbeit im Frühjahr 2022 begonnen. Mittlerweile verfügen sechs Bundesländer über Antiziganismus-Meldestellen. Finanziert werden sie von Bund und Ländern.