Hessen Hessen bereitet Gesetz vor: Wohnungen sollen maximal sechs Monate leer stehen dürfen
Trotz Wohnungsnot: 120.000 Wohnungen stehen in Hessen leer. Mit einem Gesetz will die Landesregierung nun gegen grundlosen Leerstand von länger als sechs Monaten vorgehen. Doch das Vorhaben ist umstritten.
Zentral und ruhig gelegen, nur zwei Minuten zur Straßenbahn oder zur Mainpromenade - auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt wären diese zwölf Wohnungen wohl der absolute Renner. Doch sie stehen leer, Rollläden hängen schief vor den Fenstern, die Fassade ist voll Graffiti.
Das Haus liegt mitten in der Innenstadt in der Fischerfeldstraße 5 und gehört der städtischen Stiftung "Hospital zum Heiligen Geist". Diese lässt das Haus seit rund zehn Jahren vergammeln, kündigt aber immer wieder mal an, das Areal werde demnächst neu bebaut, auch mit Wohnraum. Allerdings könne man "derzeit kein verlässliches Zeitfenster nennen", so ein Stiftungssprecher.
Das Wohnhaus in der Fischerfeldstraße 5 steht seit rund zehn Jahren leer und vergammelt.
Leerstand soll Ordnungswidrigkeit werden
Allein in Frankfurt sind nach Angaben des hessischen Wirtschaftsministeriums 13.000 Wohnungen unbewohnt. Minister Kaweh Mansoori (SPD) will dagegen vorgehen und in wenigen Wochen einen Gesetzentwurf gegen Leerstand vorlegen. Das Gesetz soll es Kommunen ermöglichen, Hausbesitzer zu bestrafen, wenn sie Wohnungen ohne Grund leer stehen lassen.
Hessens Wirtschftsminister Kaweh Mansoori (SPD) bei einem Interview zum Thema "spekulativer Leerstand" in Wiesbaden
Sechs Monate Leerstand höchstens
Maximal sechs Monate soll eine Wohnung ungenutzt bleiben dürfen. Ausnahmen will Mansoori nur in bestimmten Fällen erlauben, wie er im hr-Interview erklärt: Etwa, wenn ein Haus gerade saniert wird oder wenn die Besitzverhältnisse nicht geklärt sind, etwa wegen eines Erbstreits. Können die Hausbesitzer keinen triftigen Grund nennen, wird der Leerstand zur Ordnungswidrigkeit.
Frankfurt, Wiesbaden und Kassel machen wohl mit
Die Kommunen haben die entscheidende Rolle. Sie müssten Satzungen aufstellen und den Leerstand ahnden. Das Landesgesetz soll laut Mansoori nur den Rahmen bieten. Die drei größten Städte in Hessen - Frankfurt, Wiesbaden und Kassel - zeigen sich interessiert.
Die Stadt Kassel erklärt, der Wohnungsmarkt sei angespannt. Trotzdem gebe es Wohnhäuser, die "seit Jahren, teilweise Jahrzehnten" nicht mehr dem Wohnzweck dienten. Dem ließe sich mit einer Leerstandssatzung begegnen, zumindest in einigen Fällen.
Ein Sprecher der Stadt Wiesbaden nennt vor allem spekulativen Leerstand als Problem - wenn Wohnungen bewusst nicht vermietet werden, um sie später mit Profit zu verkaufen. Wiesbaden werde, sobald möglich, eine Satzung gegen Leerstand prüfen.
Das Planungsdezernat in Frankfurt erinnert an das "Zweckentfremdungsverbot", das bis 2004 in Hessen galt. Wohnungen mussten demnach auch als Wohnungen genutzt werden und durften nicht dauerhaft leer stehen. Damit habe man damals gute Erfahrungen gemacht.
Viel Bürokratie, wenig Nutzen
Völlig andere Erinnerungen hat man beim Eigentümerverband "Haus und Grund Hessen" an das damalige Gesetz, das vor 20 Jahren unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU) abgeschafft wurde. Der bürokratische Aufwand sei immens, der Nutzen für den Wohnungsmarkt gering gewesen, sagt Younes Frank Ehrhardt, der Geschäftsführer des Verbandes.
Eigentümer: "Es gibt kein Leerstandsproblem"
Ein Leerstandsproblem gebe es in Hessen gar nicht, sagt Ehrhardt: Mit rund vier Prozent liege die Quote genau in dem Bereich, der für einen funktionierenden Wohnungsmarkt nötig sei. Es müsse eine "Fluktuationsreserve" geben, also einen Vorrat an vermietbarem, freiem Wohnraum.
Ganz ähnlich äußert sich der Verband der südwestdeutschen Wohnungswirtschaft, der etwa kommunale Wohnungsunternehmen vertritt. Ein Sprecher warnt vor zu viel Bürokratie bei geringem Nutzen.
Minister: Es geht um "ein paar tausend Wohnungen"
Wie viele Wohnungen sich durch ein Anti-Leerstandsgesetz wieder neu vermieten lassen, kann auch Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori nicht genau beziffern. Er geht hessenweit von "ein paar tausend Wohnungen" aus. Allein dafür lohne sich so ein Gesetz. Klar sei aber auch: Um Wohnungsmangel zu bekämpfen, sei vor allem Neubau wichtig.
Sollte die Stadt Frankfurt dann die gesetzliche Möglichkeit nutzen und eine Satzung gegen Leerstand aufstellen, könnte sie in eine kuriose Lage geraten: Sie müsste von ihrer eigenen Stiftung "Hospital zum Heiligen Geist" eine Begründung verlangen, warum das Wohnhaus in der Fischerfeldstraße schon seit Jahren leer steht. Und, falls die Begründung nicht überzeugt, ein Bußgeld verhängen.