Ein Auszubildender misst mit einem Zollstock eine große gelbe Rolle, der Ausbildungsleiter steht daneben. Im Hintergrund ist eine Werkstätte zu erkennen.

Hessen Hohe Zufriedenheit bei Azubis - doch viele junge Menschen sind ohne Ausbildung

Stand: 10.04.2025 17:06 Uhr

Wer eine Ausbildungsstelle hat, ist damit meistens zufrieden. Das zeigt der neue Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Sorge bereitet jedoch, dass noch immer viele junge Menschen ohne Ausbildung sind. Die Industrie- und Handelskammer rät Bewerbern zu mehr Flexibilität.

Von den hessischen Azubis sind einer Umfrage zufolge gut 70 Prozent mit ihrer Ausbildung "sehr zufrieden" oder "zufrieden". Das geht aus dem aktuellen Ausbildungsreport 2024 des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Hessen-Thüringen hervor.

Unklare Übernahme fördert Unzufriedenheit

Demnach erklärte knapp ein Viertel der Befragten, mit der Ausbildung nur "teilweise zufrieden" zu sein, rund sechs Prozent äußerten sich "eher unzufrieden" oder "sehr unzufrieden".  Für den hessischen Ausbildungsreport 2024 wurden zwischen September 2023 und April 2024 insgesamt 916 Auszubildende in den 25 am häufigsten gewählten Lehrberufen befragt.

Ausbildungsmesse in Frankfurt

Die Ausbildungszufriedenheit stehe und falle mit der Zahl der geleisteten Überstunden und den ausbildungsfremden Tätigkeiten, die viele Azubis übernehmen müssten, erläuterte die stellvertretende DGB-Bezirksvorsitzende Renate Sternatz. Auch Unklarheiten über die mögliche Übernahme nach der Ausbildung sorgten für Unzufriedenheit.

Gewerkschaft plädiert für Betreuungsschlüssel 1:8

Nicht alle Ausbilder und Ausbilderinnen hätten genügend Zeit, um ihre Schützlinge so zu betreuen, wie es notwendig sei, sagte DGB-Bezirksjugendsekretärin Charlotte Dick. Mehr als die Hälfte der Befragten erhielten nach eigenen Angaben seltener als einmal im Monat (40 Prozent) oder sogar nie (13 Prozent) ein persönliches Feedback.

"Die Qualität der Ausbildung und damit auch ein erfolgreicher Ausbildungsabschluss ist maßgeblich von der Betreuung abhängig", sagte Dick. Der Betreuungsschlüssel müsse bei maximal eins zu acht liegen - also ein Ausbilder für höchstens acht Azubis.

Ohne abgeschlossene Ausbildung droht prekäre Beschäftigung

Es bereite große Sorge, dass mehr als jede und jeder Fünfte zwischen 20 und 34 Jahren keine abgeschlossene Ausbildung hätte, beklagte Sternatz. Laut Ausbildungsreport 2024 lösen fast drei von zehn Auszubildenden in Hessen ihren Vertrag vor dem vorgesehenen Ende der Lehrzeit auf.

Statt eines guten Starts in den Beruf drohe vielen jungen Menschen ein Arbeitsleben im Niedriglohnsektor und in prekärer Beschäftigung, sagte die DGB-Bezirksvorsitzende. "Für uns ist unklar, warum über Fachkräftemangel geklagt wird und gleichzeitig nur noch 18 Prozent der hessischen Betriebe ausbilden." 

Situation hat sich zugunsten der Jugendlichen verschoben

Hessens Ausbildungsmarkt schrumpft. Folgt man dem Direktionschef der Arbeitsagentur, Frank Martin, hat sich die Situation in den letzten Jahren aber zugunsten der Jugendlichen verschoben.

Ohnehin nimmt ihre Zahl aufgrund der demografischen Entwicklung in der Tendenz ab. Dazu kommt der Trend, dass immer höherwertige Schulabschlüsse angestrebt werden und eine Ausbildung nicht oder erst später in Betracht gezogen wird. 

Anstrengend, schmutzig und schlecht bezahlt - Geschäftsführer Andreas Haberl von der Handwerkskammer Wiesbaden kennt die Klischees. "Das ist falsch, da müssen wir dicke Bretter bohren, auch bei den Eltern", sagte Haberl bei einer Ausbildungsmesse im vergangenen Herbst. "Luft nach oben" sehe er zudem beim Bestreben, mehr Mädchen für angeblich männlich geprägte Ausbildungsberufe zu gewinnen.

Mehr Betriebe, weniger Ausbildungsbetriebe

Nach der Handwerkszählung des Statistischen Landesamtes hat sich die Zahl der Betriebe zwischen 2013 und 2023 um 8,8 Prozent erhöht. Die Umsätze wuchsen sogar um gut 50 Prozent, während die Zahl der Lehrlinge wie auch der Ausbildungsbetriebe zurückgegangen ist. 

Auch im Bereich der Industrie- und Handelskammern haben einzelne Sparten wie Hotellerie, Gastronomie oder Handel zu kämpfen, um geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden. Andere Ausbildungsgänge wie IT-Berufe oder Mediengestalter hingegen sind beliebt.

Zudem spielt die regionale Lage der Firmen eine Rolle - in ländlichen Gegenden fänden Betriebe tendenziell etwas schwerer Azubis als die Unternehmen in Städten wie Frankfurt, Wiesbaden oder Darmstadt.

IHK Darmstadt fordert mehr Flexibilität

Auch der Teamleiter Ausbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt, Torsten Heinzmann, sieht eine ungleiche Verteilung bei den Interessen. So gebe es für beliebte Berufe wie Kfz-Mechatroniker genügend Bewerber, sagte er dem hr.

Die Ausbildung zum Koch oder zur Köchin dagegeben wollten nur wenige machen. Dabei gebe es in diesem Berufsfeld gute Aufstiegschancen. Er rät Jugendlichen, flexibler zu sein. Von den Schulen forderte Heinzmann mehr Unterstützung bei der Berufswahl.