Hessen Digitale Bildung für alle - Tumo Lernzentrum in Frankfurt
Von Robotics bis Game-Entwicklung: Im Frankfurter Nordwestzentrum starten die Bauarbeiten für das Tech-Lernzentrum "Tumo Frankfurt". Tausende Jugendliche sollen dort ab Anfang 2026 kostenlos lernen. Doch es gibt auch Kritik.
Es wird gebohrt und gehämmert, auf dem Boden türmen sich Berge von Bauschutt, alten Kabeln und Staub: Noch ist die leerstehende Ladenfläche im Nordwestzentrum eine große Baustelle.
Doch dort, im ehemaligen Thalia-Store, zwischen Douglas und Peek & Cloppenburg, entsteht auf mehr als 2.000 Quadratmetern ein neuartiges Lernzentrum namens "Tumo Frankfurt". Es soll alles in den Schatten stellen, was Frankfurt bisher an digitaler Bildung zu bieten hat.
Digitales Know-How kommt in der Schule oft zu kurz
Projektmanagerin Laura Gevorgyan
Laura Gevorgyan, Projektmanagerin von Tumo Frankfurt, zeigt auf ihrem Laptop, was geplant ist: Modernes Design, viel Beton, gläserne Workshopräume, die in der Luft zu schweben scheinen. Mehr Start-Up als Jugendtreff. "Jede Woche können bis zu 1.000 Kinder und Jugendliche kommen und die Workshops hier mitmachen", sagt Laura Gevorgyan.
Sie zählt die zehn Module auf, zwischen denen die Zwölf- bis 18-Jährigen dann wählen können - von Musikproduktion und 3D-Design über Programmieren und Robotics bis hin zur Entwicklung von Computerspielen. Digitales Know-How, das längst in vielen Berufsfeldern gefragt sei, in der Schule aber meist zu kurz käme.
Bei Tumo leiten Profis aus den jeweiligen Branchen die Lernmodule an. Zusätzlich unterstützen sogenannte Coaches die Jugendlichen beim selbstständigen Arbeiten.
Hier soll das Tech-Lernzentrum im Nordwestzentrum entstehen.
Alle Workshops sind kostenlos
Für die Kinder und Jugendlichen wird die Mitgliedschaft bei Tumo kostenlos sein. "Das ist ein ganz wichtiger Teil des Konzepts", sagt Laura Gevorgyan. "Alle Jugendlichen sollen profitieren, egal wie viel Geld ihre Eltern haben egal ob sie auf dem Gymnasium sind oder nicht."
Frankfurts Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD) geht davon aus, dass das "harte Arbeit" wird. Helfen soll der Standort im Nordwestzentrum, zwischen Geschäften und Cafés, wo viele Jugendliche ohnehin nachmittags ihre Freizeit verbringen.
Zudem sei Tumo gut erreichbar aus anderen Stadtteilen. "Wir arbeiten auch mit Schulen und mit der Arche zusammen, damit möglichst viele Jugendliche den Weg zu uns finden", sagt Laura Gevorgyan.
In Deutschland wird über Tumo gesprochen, seit Angela Merkel 2018 das erste Zentrum in der armenischen Hauptstadt Jerewan besuchte. Heute gibt es etwa 30 Lernzentren in Städten in acht Ländern, darunter Paris, Los Angeles und Beirut.
Tumo Frankfurt ist das dritte Zentrum in Deutschland – nach Berlin und Mannheim. Die Volkshochschule (vhs), ein Eigenbetrieb der Stadt Frankfurt, wird das Zentrum betreiben – als Franchisenehmerin. Dabei kooperiert sie mit dem privaten Tumo-Förderverein. Mit im Boot ist auch die staatliche Förderbank KfW.
Stadtpolitiker loben das Projekt
Anfang 2026 soll es losgehen, die Freude reicht offenbar über Parteigrenzen hinweg. Bildungsdezernentin Weber nennt Tumo ein "Leuchtturmprojekt", Dana Kube (Grüne), die Vorsitzende des Frankfurter Bildungsausschusses, spricht von einer Investition "in die Kreativität unserer Kinder" und hofft, so mehr Mädchen für Forschung und IT zu gewinnen.
Die CDU-geführte Landesregierung will ähnliche Tumo-Zentren gar in ganz Hessen ansiedeln, auch als Instrument gegen den Fachkräftemangel im MINT-Bereich.
Von privaten Spendern abhängig
Lange war nicht klar, ob das Lernzentrum wirklich Realität werden würde. Denn eines dämpft die allgemeine Begeisterung dann doch: die Kosten. Zwar basiert das Finanzierungskonzept zu einem großen Teil auf sogenannten Drittmitteln von privaten Geldgebern. Seit zwei Jahren wirbt ein eigens gegründeter Förderverein um Spenden und konnte namhafte Stiftungen und Unternehmen ins Boot holen – von der Crespo Foundation und der Stiftung Polytechnische Gesellschaft bis zum Bankhaus Metzler.
Mit den bisherigen Zusagen sind die ersten drei Jahre gesichert – das gilt allerdings nur für die Betriebskosten, für die pro Jahr bis zu 1,4 Millionen Euro einkalkuliert sind.
Umbau und Mietkosten finanziert die Stadt
Den Umbau und die Mietkosten finanziert die Stadt Frankfurt. In der jüngsten Sitzung der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung haben die Stadtverordneten mehrheitlich grünes Licht für die Investition gegeben.
Die monatliche Grundmiete für die Fläche im Nordwestzentrum beträgt mehr als 40.000 Euro, der Umbau kostet voraussichtlich gut 800.000 Euro. Bildungsdezernentin Sylvia Weber hat sich mit der Betreibergesellschaft des Nordwestzentrums auf eine Mietdauer von 30 Jahren geeinigt.
"Wer weiß denn, was in 30 Jahren ist?"
Die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Römer, Sara Steinhardt, findet eine Mitedauer von drei Jahrzehnten zu lang. "Wer weiß denn, was in 30 Jahren ist?" Gerade im schnelllebigen Feld der Digitalisierung sei eine so lange Verpflichtung unvernünftig. Sie findet, Bildungsdezernentin Sylvia Weber hätte besser verhandeln oder eine stadteigene Immobilie für das Lernzentrum in Betracht ziehen müssen.
CDU warnt vor Verschwendung von Steuergeldern
Außerdem sieht die CDU das Risiko, dass auf die Stadt - und damit auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler - am Ende noch höhere Kosten zukommen. "Was machen wir, wenn nach den ersten fünf oder zehn Jahren die Drittmittel fehlen? Muss dann die Stadt einspringen?" So drohe das "an sich tolle Technologiezentrum" zum "Millionengrab für Steuergeld" zu werden.
Günstige Kosten wegen langer Laufzeit
Aus dem Frankfurter Bildungsdezernat heißt es, durch die lange Laufzeit habe die Stadt günstige Konditionen aushandeln können. Und gerade um den Erfolg von Tumo zu gewährleisten, sei es wichtig, das Ganze nicht nur als zeitlich begrenztes Projekt zu sehen, sondern langfristig Verantwortung zu übernehmen.
"Das Risiko ist dabei nicht sehr groß. Wir bringen Tumo auf den Weg, weil wir am Erfolg nicht zweifeln." Rein theoretisch könne die Stadt die Fläche aber auch untervermieten.
Nur Kiew musste schließen - wegen Krieg
Projektmanagerin Laura Gevorgyan ist überzeugt, dass die Drittmittel auch nach den ersten Jahren weiter fließen werden. "Wenn wir jetzt schon so viele Förderer von unserer Arbeit überzeugen konnten, wo es noch gar nichts zu sehen gibt, dann werden wir das erst recht schaffen, wenn hier jeden Tag Jugendliche ein und ausgehen und es die ersten Erfolgsgeschichten zu erzählen gibt."
Und: Bisher habe kein Tumo-Zentren weltweit schließen müssen - mit Ausnahme von Kiew, wegen des Kriegs. "Und auch dieses Zentrum wird bei der ersten Gelegenheit wieder aufmachen."