
Bremen Forscher wollen den Seegras-Schwund in Niedersachsens Watt stoppen
Seegraswiesen sind Lebensraum für Meeresbewohner und speichern klimaschädliches CO2. Experten alarmiert besonders eine Entwicklung in Niedersachsen.
Die grünen, grasähnlichen Halme, die aus dem Wattboden zwischen der Insel Norderney und dem Festland im Wasser wachsen, sind an der niedersächsischen Nordseeküste immer seltener zu finden. Dass die Vorkommen des unscheinbar wirkenden Seegrases weniger werden, alarmiert Experten. Denn Seegraswiesen wird eine große Bedeutung zugemessen – für den Lebensraum im Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer, aber auch als natürlicher Klimaschützer.
Dieser Rückgang treibt uns um und macht uns Sorgen.
(Ute Schlautmann, Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN))
Für Fischarten sind die Pflanzen eine Art Kinderstube, in denen sie ihre Eier ablegen können. Ringelgänse und Pfeifenten finden dort Nahrung. "Seegraswiesen sind zuletzt auch stärker in den Fokus geraten, weil sie auch als wichtige Speicher für Kohlenstoff und Stickstoffverbindungen zum natürlichen Klimaschutz beitragen können", sagt Schlautmann.
Wie sich die Bestände entwickelt haben
An der niedersächsischen Küste werden die gesamten Seegrasbestände alle sechs Jahre kartiert. Die Vorkommen liegen zwischen den ostfriesischen Inseln und dem Festland sowie in Flussmündungen und im Dollart und Jadebusen. "Die letzte großangelegte Kartierung 2019 ergab, dass die Bestände erneut rückläufig sind, sogar extrem rückläufig. Auffällig ist auch, dass die Bestände zunehmend dünner werden", sagt Schlautmann.
In diesem Sommer steht wieder eine Gesamtkartierung an. Marc Herlyn, der beim NLWKN für das Monitoring zuständig ist, fürchtet, dass die Bestände im Vergleich zu vergangenen Erhebungen noch weiter zurückgegangen sein könnten.
Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, dass es dort ganz massive Rückgänge gegeben hat. Wir können nicht damit rechnen, dass das besonders gut aussehen wird.
(NLWKN-Mitarbeiter Marc Herlyn)
Fachtagung in Wilhelmshaven
Bei einer internationalen Fachtagung in Wilhelmshaven Anfang Juni wollen rund 80 Experten aus Deutschland, Dänemark und den Niederlanden Erfahrungen und Wissen austauschen. "Wir fragen uns zum einen, was können Ursachen für den Rückgang sein. Und zum anderen wollen wir wissen, was kann man dagegen machen", sagt Schlautmann.
Forscher gehen etwa der Frage nach, inwieweit eine stärkere Trübung des Wassers in der Nordsee den Seegräsern schadet. Denn Seegräser betreiben wie Bäume an Land Photosynthese. Dafür benötigen sie Licht. Es gebe Hinweise darauf, dass sich die Trübung in der Nordsee in den vergangenen Jahrzehnten erhöht habe, sagt Sylvia Zaun, Wissenschaftlerin beim NLWKN und verantwortlich für die Tagung.
Wenn die Pflanzen, die auf Photosynthese angewiesen sind, weniger Licht bekommen, können sie nicht mehr so gut wachsen und gehen womöglich stärker zurück.
(Sylvia Zaun, Wissenschaftlerin beim NLWKN)
Der Grund für mehr feine Sedimente im Wasser kann etwa an Baggerarbeiten für Flussvertiefungen oder Häfen liegen. Trübungen könnten aber auch durch natürliche Prozesse wie Strömungen und Sturmfluten ausgelöst werden, sagt Zaun. Auch die globale Erwärmung, die mit zunehmend heißen Tagen auch das Wattenmeer treffe, könne einen Einfluss haben, sagt NLWKN-Experte Herlyn.
Ich denke, für Seegräser in unseren Breiten ist es eine zusätzliche Belastung, wenn das Niedrigwasser und solche Hitzetage zusammenfallen.
(NLWKN-Mitarbeiter Marc Herlyn)
Das Interesse an Seegraswiesen richtet sich auch auf die Vorteile für den Klimaschutz. Denn wie intakte Moore können sie größere Mengen Kohlendioxid speichern. "Angesichts der sich beschleunigenden Auswirkungen des Klimawandels besteht ein zunehmendes Interesse an der Bewertung des Potenzials für die CO2-Bindung im Wattenmeer", teilt das Wattenmeersekretariat mit.
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Dieses Thema im Programm:
Bremen Eins, Nachrichten, 30. Mai 2025, 10 Uhr