Menschen wählen während der polnischen Präsidentschaftswahlen in einem Wahllokal. (Quelle: dpa/Krzysztof Cwik)

Brandenburg Stichwahl: Polen wählt am Sonntag einen neuen Präsidenten

Stand: 30.05.2025 16:39 Uhr

Kurz vor der Stichwahl in Polen ist das Nachbarland tief gespalten: Liberal gegen rechtskonservativ, proeuropäisch gegen nationalpopulistisch. Ein Wahlkrimi mit ungewissem Ausgang – bei dem jede Stimme zählt.

Wenige Tage vor der entscheidenden Präsidentschaftswahl in Polen finden in Warschau zwei Protestzüge statt. Sie verlaufen zeitgleich, aber auf getrennten Routen – damit sie sich nicht begegnen. Fast sinnbildlich: Als wolle Polen kurz vor der Wahl noch einmal unterstreichen, wie tief das Land gespalten ist. In der ersten Runde der Präsidentenwahl lag der liberale Rafal Trzaskowski nur knapp vor dem rechtskonservativen, parteilosen Kandidaten Karol Nawrocki, der von der nationalkonservativen PiS-Partei unterstützt wird.
 
"Es ist höchste Zeit, dass Ehrlichkeit siegt, dass Gerechtigkeit und Wahrheit siegen. Wir brauchen volle Entschlossenheit und jede Stimme, damit die Zukunft, damit ganz Polen gewinnt. Ich verspreche Ihnen, ich werde ein Präsident sein, der vereint und bereit ist, mit allen zu reden", sagt Trzaskowski, bisheriger Stadtpräsident von Warschau und Kandidat der regierenden proeuropäischen Bürgerplattform, vor seinen Anhängern. Neben ihm wirbt Rumäniens neuer Präsident Nicușor Dan für die Verteidigung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Europa. Auch Polens Premierminister Donald Tusk will Trzaskowski unterstützen.

18.05.2025, Polen, Sandomierz: Der Warschauer Bürgermeister und Präsidentschaftskandidat Rafal Trzaskowski feiert die Ergebnisse der Auszählung der Stimmen in der Nacht der Präsidentschaftswahlen in Sandomierz.(Quelle:dpa/AP/A.Kalka)
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Ehemalige Gegner unterstützen liberalen Kandidat

Inzwischen wird der Liberale auch von vielen unterstützt, die in der ersten Wahlrunde noch gegen ihn angetreten waren. Nachdem der nationalpopulistische Kandidat Nawrocki mit 29,5 Prozent der Stimmen nur knapp auf Platz zwei landete und Platz drei und vier an offen anti-europäische, teils antisemitische Rechtsradikale gingen, schließen sich nun auch ehemalige Konkurrenten Trzaskowski an. Dazu zählen der konservative Szymon Holownia, die linke Magdalena Biejat und auch die linke Wirtschaftsprofessorin Joanna Senyszyn. Noch vor wenigen Tagen hatte sie erklärt, sie könne nur echte Revolutionäre unterstützen. Nun ist auch sie im Protestzug dabei und ruft ihren Wahlspruch: "Die Macht ist mit uns."
 
"Ganz Polen für Rafal", rufen die Menschen immer wieder. Im Publikum ist auch Alexandra, eine polnische Wählerin. Sie sei kein Fan von Trzaskowski, wolle aber unbedingt verhindern, dass die andere Seite gewinne: "Ich kann mir nicht vorstellen, in einem Land zu leben, das von der extremen Rechten regiert wird. Das kann zu einer Diktatur führen", sagt die Frau. "So ein Land will ich nicht für meine Kinder und ich habe Angst, dass wir Polen verlassen müssten, wenn es so käme. Das will ich nicht. Ich liebe Polen und bin Patriotin."

Collage: This combination of photos shows Warsaw Mayor Rafal Trzaskowski, left, in Warsaw, Poland, on March 14, 2022 and Karol Nawrocki in Szeligi near Warsaw, Poland, on March 2, 2025. (Quelle: dpa/AP)
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Rechtskonservativer Kandidat wirbt für dichte Grenzen

Nur ein paar Straßen weiter zeigt sich die Gegenseite. Dort rufen die Menschen: "Karol Nawrocki, Polens Präsident" und "Wir werden siegen. Es kommt ein großes, stolzes, starkes Polen. Ein sicheres Polen ist eines ohne Migranten, mit zwei dichten Grenzen." Nawrocki tritt allein auf – vor deutlich weniger Menschen. Laut Einschätzung des Nachrichtenportals Onet.pl sind es 70.000. Bei Trzaskowski sollen es 160.000 gewesen sein. Doch Nawrocki kann auf viele Stimmen der anderen rechten Kandidaten zählen.
 
Trzaskowskis konservative und liberale Unterstützer hatten in der ersten Runde hingegen sehr schwach abgeschnitten. Und auch Nawrockis Anhänger sind davon überzeugt, dass sie bei der Stichwahl gegen den Untergang kämpfen. "Es wäre gut, wenn Nawrocki Präsident würde, sonst würden wir unter dem Tusk-Regime sterben. Das sind Heuchler, die Polen verkaufen wollen. Brüssel wartet darauf, Deutschland wartet darauf, Russland wartet darauf. Sie wollen Polen spalten."

18.05.2025, Polen, Sandomierz: Der Warschauer Bürgermeister und Präsidentschaftskandidat Rafal Trzaskowski feiert die Ergebnisse der Auszählung der Stimmen in der Nacht der Präsidentschaftswahlen in Sandomierz.(Quelle:dpa/AP/A.Kalka)
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"Jede Stimme zählt"

Diese Spaltung lässt sich auch auf der Landkarte mit den Wahlergebnissen der ersten Runde erkennen – als gäbe es zwei Polen. "Traditionell wählen die Regionen im Westen von Polen, das heißt in der Nähe von Deutschland, eher bürgerlich-liberal – und im Osten Polens eher rechtskonservativ", sagt Dagmara Jajeśniak-Quast, Leiterin des Center of Polish and Ukrainian Studies an der Viadrina-Universität in Frankfurt (Oder), dem rbb. Menschen in Westpolen hätten häufiger Kontakt zu Deutschland und den Deutschen und seien deswegen weniger empfänglich für die Argumente der rechtskonservativen Parteien, die vor Deutschland und Europa warnen, so Jajeśniak-Quast.
 
Die Wirtschaftshistorikerin spricht von einem sehr knappen Rennen bei der Stichwahl – in den Umfragen trenne nur ein Prozentpunkt beide Kandidaten. "Jede Stimme zählt", sagt Jajeśniak-Quast. Etwa acht Prozent der Wählerinnen und Wähler seien noch unentschlossen. Auch deswegen seien die Stimmen der im Ausland lebenden Polen – von denen allein in Deutschland eine Million leben – sehr wichtig. Die Expertin erwartet eine sehr hohe Wahlbeteiligung. "Immer mehr Menschen gehen zur Wahl." Eine Prognose für den äußerst knappen Wahlausgang will sie nicht wagen.
 
Derzeit steht mit Andrzej Duda ein von der früheren nationalkonservativen Regierungspartei PiS unterstützter Staatschef dem liberal-konservativen Ministerpräsidenten Tusk gegenüber. In Polen amtiert der Präsident fünf Jahre. Das Staatsoberhaupt hat mehr Befugnisse als der Bundespräsident in Deutschland. Er repräsentiert das Land nicht nur nach außen. Der Präsident hat auch Einfluss auf die Außenpolitik, er ernennt den Regierungschef sowie das Kabinett und ist im Kriegsfall Oberkommandierender der polnischen Streitkräfte.

Sendung: Antenne Brandenburg, 30.05.2025, 16:20 Uhr
 
Mit Material von Elisa Göppert