Morgennebel über den Wiesen und und Auen, leuchtende Sonnenstrahlen, Schlepzig, Spreewald, Brandenburg (Quelle: dpa/Bernd Bieder)

Brandenburg Oderbruch streitet über Wiedervernässung von Mooren

Stand: 12.12.2024 17:03 Uhr

Sollen bestimmte Moorflächen wieder vernässert werden? Im Oderbruch wid genau das geplant. Während Naturschützer auf Vorteile für Klima und Biodiversität hinweisen, sehen Anwohner und Landwirte Risiken für ihre Lebensgrundlage.

Im Oderbruch ist man sich über die Zukunft der trockenen Moore nicht einig: Ein geplantes Projekt im Biosphärenreservat Schorfheide zur Wiedervernässung bestimmter Flächen stößt auf Widerstand von Politikern, Anwohnern und Landwirten. Am Mittwoch stimmten mehrere Fraktionen des Kreistags Märkisch-Oderland einem Antrag zu, der den Landkreis auffordert, das Vorhaben abzulehnen. Dieser Beschluss hat zwar keine rechtlichen Konsequenzen, sendet jedoch ein klares politisches Signal.

Kritiker: Projekt gefährde Landnutzung

Die Fraktion der Bauern und des ländlichen Raums positionierte sich gemeinsam mit CDU, SPD und FDP gegen das Projekt in seiner jetzigen Form. Bisherige Formen der Landnutzung seien "stark gefährdet", hieß es in dem Antrag. Schäden an der Infrastruktur seien nicht auszuschließen. Zudem sei unklar, wie sich das Vorhaben auf den Hochwasserschutz auswirken könnte. Auch eine finanzielle Absicherung für potenzielle Spätfolgen fehle, so die Kritik.
 
Das geplante Naturschutzgroßprojekt "Niederoderbruch und Unteres Finowtal" wurde vom Biosphärenreservat Schorfheide Chorin in Zusammenarbeit mit der Umweltorganisation WWF Deutschland und der Nabu-Stiftung Nationales Naturerbe entwickelt. Ziel sei, die hydrologischen Bedingungen und die Biodiversität in der Region zu verbessern. Die Kosten werden auf einen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt, finanziert aus Mitteln des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz des Bundes.

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Es geht um etwa 1.500 Hektar

Laut Landesumweltamt umfasst das Projekt 7.000 Hektar, von denen maximal 1.500 Hektar wieder vernässt werden sollen. Welche Gebiete das sind, soll in einer dreijährigen Prüfungs-, Beteiligungs- und Planungsphase geklärt werden. Dabei sollen die Wasserstände "so bodennah wie für die Landwirtschaftsbetriebe möglich" angehoben werden, jedoch ohne eine Überflutung der Flächen. Auf den restlichen 5.500 Hektar sollen unter anderem Steppenrasen wiederhergestellt und verrohrten Mühlenfließen renaturiert werden.
 
Rund 95 Prozent der früheren Moorflächen in Brandenburg wurden trockengelegt und zu Weiden oder Äckern umfunktioniert. Albert Wotke, WWF-Programmleiter für Flächennaturschutz, warnt vor den Folgen des Moorabbaus. So wachse der Moorkörper etwa einen Millimeter pro Jahr, wenn die Fläche mit Wasser gut versorgt wird, trocken verliere er aber im selben Zeitraum eins bis zwei Zentimeter. Das Einsacken und die Zersetzung des Torfs verursachen den Ausstoß von CO2, das im Moor gespeichert ist. "In Brandenburg ist der CO2-Austoß aus den Mooren größer als der Ausstoß im Verkehrssektor", so Wotke. Laut dem Greifswald Moor Centrum geht es um 7,2 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr.

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Deswegen sei wichtig, etwa ein Viertel der Moore wieder zu vernässen, sagt Wotke. Aktuell werde im Niederoderbruch viel Wasser aus dem Boden abgepumpt, so dass die oberen 50 Zentimeter trockenbleiben. Mit dem Projekt soll der Wasserstand angehoben werden, fast bis zur Bodenfläche. Dabei soll die Hochwassergefahr nicht steigen, denn funktionierende Moore könnten Wasser schneller aufnehmen. Für Folgeschäden sollen die Projektträger die Haftung übernehmen, außerdem beruhe alles auf freiwilliger Basis. Nichtstun habe schwere Konsequenzen: "Irgendwann ist das Moor zu Ende und es kann nicht mehr Landwirtschaft betrieben werden, dann ist alles kaputt."

Landesbauernverband kritisiert Vorhaben

Doch damit können die Projektinitiatoren viele Menschen im Oderbruch nicht überzeugen. Der Anwohner Andre Werner befürchtet "massive Wertverluste" durch die Wiedervernässung. Er wohnt in einer Doppelhaushälfte in Neutrebbin. "Diese Grundstücke werden nicht mehr kreditiert, die Gebäude werden nicht mehr gegen Elementarschäden versichbar sein, es werden keine Hypotheken mehr dafür möglich sein, was die Grundstücke unverkäuflich macht", kritisiert Werner.
 
Auch die Landwirte haben Angst um ihre Zukunft. Sollten die Pegel auf etwa 20 Zentimeter unter Flur angehoben werden, müssten sie ihre Betriebe komplett umstellen, so die Kritik. "Wie geben dieses Land in den Händen von Stiftungen, die erstens nicht ortsansässig sind, zweitens der Bewirtschaftung fremd sind – das sind keine Landwirte, die hier Flächen erwerben werden – und sie werden den Nutzern und Landwirten entzogen", kritisiert Henrik Wendorff, Vorsitzender des Landesbauernverbands. Das führe zu einer großen Unsicherheit und Ablehnung, so Wendorff.

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Projektträger: "Wir werden mit allen reden"

Anderer Meinung ist Tobias Rohrberg, Mitglied der Grünen-Fraktion im Kreistag: "Es ist wichtig, nicht nur auf die wichtigen Sorgen zu schauen, sondern auch auf die Chancen", sagt er. Seine Fraktion hatte in einem Änderungsantrag den Kreistag aufgefordert, sich kritisch und konstruktiv in der Planungsphase einzubringen. Denn es gebe offensichtliche Probleme wie die Sommertrockenheit, die bewältigt werden müssen. "Es ist schade, dass diese Argumente nicht durchdringen", sagt Rohrberg.
 
Die Wiedervernässung des Oderbruchs sorgt weiterhin für viel Diskussionsstoff. Bis auf die drei Abgeordneten der Grünenfraktion und zwei Enthaltungen stimmten alle anderen Kreistagsabgeordnete gegen die Vernässung des Oderbruchs. Die dreijährige Planungsphase wollen die Abgeordneten nicht abwarten, denn schon mit Projektstart sollen Flächen angekauft werden.
 
"Wir werden die ersten drei Jahren planen und mit allen reden. Ich würde mir wünschen, dass die Bevölkerung, die Landwirte, die Eigentümer offen mit uns diskutieren", sagt Albert Wotke vom WWF. Nur wenn die Betroffene einverstanden sind, werde zu Maßnahmen kommen, sagt der Programmmleiter.

Sendung: Antenne Brandenburg, 12.12.2024, 15:40 Uhr
 
Mit Material von Philipp Gerstner