Brandenburg Interview | Seddiner Bronzeit-Funde: "Wir sind mit diesem Häusermeer noch lange nicht am Ende"
Archäologen melden weitere spektakuläre Entdeckungen nahe der Königshalle bei Seddin. Grabungsleiter Immo Heske und Doktorand Patrick Maier von der Uni Göttingen über die Wohnhäuser, verkohlte Eicheln und weitere Rätsel aus der Bronzezeit.
Rund um das Königsgrab von Seddin in der Prignitz haben Wissenschaftler Wohnhäuser aus der Bronzezeit entdeckt. Sie gehen davon aus, dass es sich um eine Großsiedlung handelt.mehr
rbb: Was haben Sie nach dem Sensationsfund der "Königshalle" im vergangenen Jahr nun bei den Grabungen gefunden?
Immo Heske: Wir haben in diesem Jahr sieben Häuser gefunden. Zwei hatten wir schon, darunter die Halle des Königs, und jetzt sind wir in unserer Liste bei Haus neun.
Was wissen Sie schon über die Häuser?
Patrick Maier: Die Hausgrundrisse bestehen aus Wandgräbchen und/oder Pfostenkonstruktionen, also Holzpfosten, die im Boden steckten. Die Breiten dieser Häuser liegen meist zwischen sechs und sieben Meter und alle diese Häuser – das ist sehr typisch für die jüngere Bronzezeit – sind West-Ost-ausgerichtet. Aktuell handelt es sich nach unserer Ansicht ausnahmslos um Wohnhäuser, die aber nicht nur fürs Wohnen, sondern auch für kleinere Tätigkeiten zur Verfügung standen, auch zum Teil als Arbeitsplatz und für die Nahrungszubereitung. Wir haben einiges an Fundmaterial, darunter einen relativ schönen Befund mit verkohlten Eichelresten, die für die Ernährung eine gewisse Rolle in der Bronzezeit gespielt haben.
Seddin Königsgrab
Die Menschen haben damals Eicheln gegessen?
Immo Heske: Aus verschiedenen bronzezeitlichen Siedlungen kennen wir verkohlte Eicheln, die geschält und gewässert wurden und zur Nahrung beitrugen. Genaueres wissen wir jetzt aktuell noch nicht. Aber das war so ein Befund, der uns sehr überrascht hat.
Was haben Sie noch gefunden, das etwas über das Leben der Menschen damals erzählt?
Immo Heske: Neben der schönen Anzahl Keramik in diesem Jahr waren wir sehr erstaunt, in einer Grube ganz dicke Brandlehmstücke zu finden, die auf einer Seite ganz flach sind und dann zur anderen Seite hin abgeschrägt. Es ist auf jeden Fall Hauswand und wir haben aktuell die Überlegung, dass wir etwas von einer Fensterlaibung von der Innenseite haben. Nach außen wird man wahrscheinlich ein Holzbrett davor gemacht haben.
Patrick Maier: Wir haben auf Grundlage unserer Grabungspläne Rekonstruktionsmodelle erstellt, also Ideen, wie das Haus ausgesehen haben könnte. Diese Häuser haben wir 3D-modelliert und nachgebaut, nach Hinweisen auch von anderen Fundstellen, mit Dachschrägen, die zum Beispiel heutzutage bei Holz oder Reetdächern angewendet werden, und haben dann versucht, die Gebäudehöhen zu rekonstruieren. Sind jetzt auch als Anschauungsmodell sowohl in der Lehrsammlung in Göttingen als auch im Brandenburgischen Landesmuseum zu sehen und im Stadt- und Regionalmuseum Perleberg.
Wenn Sie jetzt noch vier Wochen mehr Zeit gehabt hättet, hätten Sie dann noch vier weitere Häuser gefunden?
Immo Heske: Wenn wir vier Wochen länger gegraben hätten, hätten wir noch vier Häuser gefunden, davon geht das ganze Grabungs-Team aus. Wir haben zwei Fundplätze untersucht und auf beiden Häuser gefunden und wir sind mit diesem Häusermeer in Seddin, denke ich, noch lange nicht am Ende.
Wie lange können Sie noch weiterforschen?
Immo Heske: Im Rahmen unseres von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes ist für das kommende Jahr eine weitere Kampagne angesetzt und dann werden wir aufgrund der Ergebnisse überlegen, wo ist es sinnvoll weiterzumachen. Wir würden jetzt nicht direkt im Umfeld der Halle des Königs weiterbaggern, weil wir sehen wollen, wie groß diese Siedlung mit den Häusern ist. Wir würden also an andere Stellen gehen und dort schauen, ob sich über eine große Distanz von Seddin nach Westen noch viele Häuser erstrecken.
Dadurch, dass sich die Hausgrundrisse überlagern, wissen wir, dass die Häuser nicht gleichzeitig dort standen, sondern nacheinander.
Welche Erkenntnisse haben Sie bislang über das Siedlungsgebiet gewonnen?
Immo Heske: Wenn man sich die Grundrisse anschaut, hat man die Idee, dass nicht nur die Feuergruben aus dem Norden kommen, sondern auch die Bautradition. Wenn wir heutzutage mit dem Auto durch die Landschaft fahren, sehen wir verschiedene Bauernhäuser in den Landschaften von Mecklenburg-Vorpommern über Brandenburg bis nach Sachsen-Anhalt. Dort gibt es verschiedene Bauernhäuser und genauso ist es mit den Hausbaulandschaften in der Bronzezeit.
Patrick Maier: Was uns auch überrascht, ist, dass wir eine gewisse zeitliche Tiefe sehen können. Um wie viele Jahre es sich genau handelt, ist noch nicht geklärt. Aber dadurch, dass sich die Hausgrundrisse überlagern, wissen wir, dass die nicht gleichzeitig dort standen, sondern dass die Häuser nacheinander kamen. Jetzt gilt es natürlich herauszufinden, welches Haus wann stand und wie ist das strukturiert und organisiert.
Wie groß ist das Ausgrabungsteam?
Patrick Maier: Das Grabungsteam besteht aus Mitarbeitern des brandenburgischen Landesdenkmalamtes sowie Studierenden der Universität Würzburg, Jena, Kiel und vornehmlich Göttingen sowie einigen studentischen Hilfskräften.
Wo werden die Funde nun weiteranalysiert? In Göttingen?
Patrick Maier: Die Pläne werden von einem Vermessungstechniker vom Brandenburgischen Landesdenkmalamt durchgeführt und erstellt und das Fundmaterial wird von uns auf der Grabung vorbereitet, gewaschen, gereinigt, inventarisiert und sortiert. Danach geht das dann an die Universität Göttingen, wird dort bearbeitet, gezählt, gewogen und ausgewertet.
Sind die Königshalle und die entdeckte Siedlung in dieser Dimension einzigartig in Europa oder gibt es vergleichbare Funde?
Immo Heske: Einzigartig würde ich nicht sagen. Wir befinden uns aber auf dem Weg, die größte jungbronzezeitliche und eine der am besten erforschtesten Siedlungen in Norddeutschland für diesen Zeitraum freizulegen.
Die Grabungen werden aber bald wieder zugeschüttet, richtig?
Immo Heske: Die Flächen müssen auch ordnungsgemäß verfüllt werden. Der gelbe Sand muss nach unten, die Ackerkrume gehört nach oben, damit da wieder Landschaft betrieben werden kann. Das gehört auch zu so einem Projekt, alles wieder ordnungsgemäß herzustellen. Das wird Stück für Stück wieder verfüllt, damit dann am 25. Oktober der Bagger gereinigt abgeholt werden kann.
Die Fragen stellte Britta Streiter für Antenne Brandenburg.
Sendung: rbb|24 Brandenburg aktuell, 14.10.2024, 19:30 Uhr