Brandenburg Frankfurt (Oder) erinnert an Sturm auf die Stasi-Zentrale vor 35 Jahren
Vor 35 Jahren stürmten Bürger in Frankfurt (Oder) die Stasi-Bezirksverwaltung und stoppten die Aktenvernichtung. Es war ein Wendepunkt, der die bröckelnde Macht der DDR-Diktatur sichtbar machte. Zeitzeugen erinnern sich an diesen historischen Tag.
In Frankfurt (Oder) ist am Donnerstag an die Besetzung der Stasi-Bezirksverwaltung vor 35 Jahren erinnert worden. Am 5. Dezember 1989 versammelten sich etwa 2.000 Menschen vor der Frankfurter Behörde des Ministeriums für Staatssicherheit, forderten Zutritt zum Objekt und den Stopp der Aktenvernichtung.
Aus diesem Anlass fanden am Nachmittag in Frankfurt Zeitzeugengespräche statt. Auch ein Gedenken am Gedenkstein für Stasi-Opfer vor der damalige Stasi-Zentrale war am Abend geplant.
Etwa 1,68 Millionen Karteikarten
"Wir sind immer gebückt an dieser Anlage vorbeigegangen und hatten Angst, was sich dahinter verbirgt", erinnert sich Hartmut Kelm, der damals das historische Ereignis für die Bürgerbewegung fotografierte. "Plötzlich öffneten sich die Türen und wir guckten rein in diese Stasi-Anlage. Für mich war der 5. Dezember ein ganz besonderer Tag. Es war der Tag, an dem ich merkte: Diese DDR-Diktatur ist am Kippen."
Erstmals erhielten Bürger vor genau 35 Jahren einen Einblick in das Archiv mit seinen unzähligen Akten. Kelm sei jedoch vor allem eine Begegnung mit dem damaligen Stasi-Generalmajor Heinz Engelhardt im Kopf geblieben: "Der hatte Schweißperlen auf der Stirn und stand etwas gebückt. Er war sehr höflich." Trotzdem wurden währenddessen in Hinterzimmern bereits heimlich Akten vernichtet, wie Kelm im Nachhinein feststellte.
Die Frankfurter Stasi-Bezirksverwaltung wurde erst im Januar 1990 endgültig aufgelöst. Im Stasi-Unterlagen-Archiv in Frankfurt (Oder) lagern nach Angaben des Bundesarchivs mehr als 6.000 laufende Meter Unterlagen der Staatssicherheit aus den Bezirksverwaltungen Cottbus und Frankfurt (Oder) sowie aus den Kreisdienststellen. Dazu zählen etwa 1,68 Millionen Karteikarten. Rund 1.500 Säcke mit vorvernichtetem Material lagern im Keller des Archivs.
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Die Stasi, "Schild und Schwert" der SED
Der Sturm auf die Stasi-Zentrale habe eine sehr wichtige historische Rolle gespielt, sagte Konrad Tschäpe, Historiker des Frankfurter Stadtmuseums Viadrina: "Es geht bei diesen Besetzungen um eine ganz zentrale Frage, nämlich wie es die Bürgerbewegung schaffte, die Macht der SED zu überwinden. Ein wichtiges Machtinstrument – Schild und Schwert der Partei – ist dieser Geheimdienst MfS. Das muss überwunden werden, damit die friedliche Revolution erfolgreich wird. Was am 5. Dezember passiert, ist ein großer Schritt in diese Richtung", sagte der Historiker dem rbb.
Privatpersonen können Einsicht in die Akten beantragen, die die Staatssicherheit über sie angelegt hat. Auch nahe Angehörige von vermissten oder verstorbenen Personen können unter bestimmten Voraussetzungen die Unterlagen einsehen. Die Recherche und Akteneinsicht sind für sie kostenlos.
Sendung: Sendung: Antenne Brandenburg, 05.12.2024, 16:10 Uhr
Mit Material von Robert Schwaß