
Brandenburg Eltern und Lehrer fürchten Nachteile für förderbedürftige Schüler in Brandenburg
Eigentlich wollte Brandenburgs Landesregierung viel für die Bildung tun. Der Eindruck bei Lehrpersonal wie Eltern ist ein anderer: Bei der Förderung benachteiligter Schüler werde stark gekürzt. Offenbar steckt aber etwas anderes dahinter. Von Annette Kufner
Damaris Kim macht sich Sorgen. Ihr Sohn wurde ohne rechte Hand geboren und ist deshalb förderbedürftig. An seiner Grundschule in Golßen (Dahme-Spreewald) werden Lehrkräfte künftig weniger Zeit haben für Kinder wie ihn - Kinder, die im Schulalltag mehr Hilfe brauchen als andere.
Der Grund: An der Schule ihres Sohnes können künftig nur noch 15 Förderstunden pro Woche angeboten werden - für 40 Kinder, die an der Schule einen anerkannten Förderanspruch haben. Dass das nicht ausreiche, um diese Kinder zu betreuen, könne sich jeder ausrechnen, sagt die Bürgermeisterin von Golßen Andrea Schulz (parteilos). Viele Eltern machten sich große Sorgen, dass ihre Kinder auf der Strecke blieben, sagt Schulz.
Damaris Kim fühlt sich betrogen - von der Landesregierung: "Die Kinder haben ein Recht auf Förderung", sagt sie. Das sei gesetzlich verankert. "Wenn man den Lehrern aber dann jede Möglichkeit nimmt, dieses Gesetz umzusetzen, hat man indirekt dem Kind das Recht auf Förderung wieder genommen."

Über Nacht 50 Förderstunden weniger
Hintergrund ist der geplante Doppelhaushalt der Landesregierung - und eine strukturelle Veränderung im Bildungsbereich. Demnach soll die Zahl der Förderstunden nicht mehr nach der Zahl förderbedürftiger Kinder, sondern - pauschal - nach Größe der Schule vergeben werden. Fatal für Schulen, an denen besonders viele förderbedürftige Kinder lernen.
"Bei uns ist es hochdramatisch", sagt Lehrer und Gewerkschafter Manuel Pape. "Uns fehlen über Nacht 50 Stunden. Das heißt, dass Förderunterricht wegfallen muss, dass Kinder mit Lerneinschränkungen im gemeinsamen Unterricht mit 27 anderen Kindern lernen müssen - ohne zusätzliche Unterstützung."
Außerdem könnten Förderlehrer nicht mehr als Vertretung herangezogen werden, so Pape: "Der Förderlehrer, der sonst vorher da war, ist, wenn der Deutschlehrer krank war, in den Unterricht gesprungen. Der Förderlehrer wird aber jetzt bald selbst Deutsch-, Mathe-, Englischunterricht haben - und kann somit nicht mehr vertreten." Das treffe dann alle Schülerinnen und Schüler, so Pape. Flächendeckend werde mehr Unterricht ausfallen.
Golßens Bürgermeisterin Andrea Schulz hat deshalb einen Brief an alle Landtagsabgeordneten geschrieben. Es sei ein Hilferuf an die Landesregierung, noch einmal nachzusteuern. Man sei sich bewusst, dass der Bildungsetat einer der größten Etats sei. Aber: "Offensichtlich wird hier an der falschen Stelle gespart", so Schulz.

Eine "verwaltungstechnische Veränderung"
Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Katja Poschmann, zeigt sich auf rbb-Anfrage überrascht von den Problemen der Schule. Die Landesregierung habe im geplanten Doppelhaushalt genau so viel Geld für die Förderlehrer veranschlagt wie bisher: 20 Millionen Euro. Es habe lediglich eine "verwaltungstechnische Veränderung" gegeben.
Mit der Schule in Golßen habe man Kontakt aufgenommen. Die Rückmeldungen der Betroffenen nannte Poschmann wertvoll. Man stelle fest, dass die Maßnahme in der Praxis nicht funktioniere: "Wir stellen das gleiche Geld ein für den sonderpädagogischen Förderbedarf - und wir erwarten, dass es die gleiche Förderung gibt", so Poschmann.
Das Bildungsministerium erklärt gegenüber dem rbb, den staatlichen Schulämtern werde ermöglicht, "die Richtwerte zur personellen Ausstattung der Schulen in einzelnen Bereichen zeitweise moderat zu unterschreiten." Die Maßnahme solle sicherstellen, dass der Schulunterricht im kommenden Jahr abgedeckt werden könne. Die Haushaltsverhandlungen seien zudem noch nicht abgeschlossen.

Nicht die einzige Herausforderung
Die Veränderung bei den Förderstunden trifft Schulen zusätzlich. Wegen des knappen Budgets will die Landesregierung trotz wachsender Schülerzahlen auch an Lehrerstellen sparen. Für das kommende Schuljahr sind 241 Lehrkräfte weniger vorgesehen. Außerdem sollen alle Lehrer pro Woche eine Stunde mehr unterrichten.
Der Doppelhaushalt für dieses und für das nächste Jahr soll noch im Juni unter Dach und Fach sein. Mehrere Kürzungspläne, die auf scharfe Kritik stießen, wurden inzwischen von SPD und BSW verworfen oder abgemildert.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 04.06.25, 19:30 Uhr