Brandenburg Familie muss Grundstück in Wandlitz an jüdische Organisation zurückgeben
In Wandlitz lebt seit Jahrzehnten eine Familie in einem Haus, das einst zwei Jüdinnen gehörte. Der NS-Staat hatte sie zwangsenteignet. Jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in dem Fall entschieden.
Eine Familie in Wandlitz (Barnim) muss ihr Grundstück wegen Rückübertragungsansprüchen zurückgeben. Eine Revision in dem Fall ist am Mittwoch vor dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen worden. Die Rückübertragung an den Rechtsnachfolger der ursprünglichen Besitzer sei rechtens, hieß es in der Begründung.
Der NS-Staat hatte das Areal, das zwei Jüdinnen gehörte, zwangsenteignet. Die jüdischen Eigentümer hatten das Grundstück 1932 erworben und ein Feriendomizil für jüdische Kinder betrieben. Von den Nazis wurden sie schließlich zum Verkauf gezwungen. Der Großvater der heutigen Besitzerin hatte es 1939 von einem Makler gekauft.
Nun muss das Grundstück an die Jewish Claims Conference (JCC), einem Zusammenschluss von 23 jüdischen Organisationen, als Rechtsnachfolgerin der zwei in Auschwitz ermordeten Jüdinnen gehen.
"Wir wissen nicht, wohin"
Die Familie Lieske lebt seit mehreren Generationen in dem Haus in Wandlitz. 2015 erhielt die Familie einen Brief des Bundesamtes für Offene Vermögensfragen. Weil es keine lebenden Nachfahren der im Konzentrationslager ermordeten jüdischen Frauen - Alice Donat und Helene Lindenbaum - mehr gebe, sollten Haus und Grundstück an die Jewish Claims Conference zurückgegeben werden. Dagegen klagte die Familie - und hat nun vor dem Bundesverwaltungsgericht verloren.
Für sie breche eine Welt zusammen, sagte die 85-jährige Klägerin nach der Entscheidung. "Ich habe mein ganzes Leben in dem Haus verbracht und meine Eltern gepflegt." Die Familie stehe vor dem Nichts, ergänzte ihr 61 Jahre alter Sohn. "Wir wissen nicht, wohin". Die Familie würde sich von der Polizei räumen lassen, sagte er einem rbb-Reporter.
Für die Jewish Claims Conference erklärte ihr Repräsentant in Deutschland, Rüdiger Mahlo, der Enkelin des Hauskäufers sei bereits ein lebenslanges Wohnrecht angeboten worden. Dieses Angebot "bleibt auch nach der Rückübertragung weiterhin bestehen".
JCC unterstützt Holocaust-Überlebende
Nach dem Holocaust gab es zahlreiche jüdische Opfer, die entweder ermordet wurden oder keine lebenden Angehörigen hinterließen. Die Jewish Claims Conference wurde 1951 in New York geschaffen und vertritt Entschädigungsansprüche jüdischer Opfer der Nazis und Holocaust-Überlebender. 1952 erkannte die Bundesrepublik die JCC als Verhandlungspartnerin für Entschädigungszahlungen und Restitutionsansprüche an.
Mit den Geldern unterstützt die JCC nach eigenen Angaben Holocaust-Überlebende finanziell. Im Jahr 2024 gehen etwa 535 Millionen Dollar an etwa 115.000 Überlebende in über 80 Ländern, schreibt die JCC auf ihrer Webseite [jcc.org]
Während in der Bundesrepublik bereits in den 1950er Jahren gesetzliche Regelungen für Rückerstattungen und Wiedergutmachungen beschlossen wurden, wurden die Besitzverhältnisse in der DDR zunächst kaum in Frage gestellt.
Einer der letzten Restitutionsfälle
Die Bedingungen änderten sich erst mit der deutschen Einheit. Damals erließ die Bundesregierung das "Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen", welches unter anderem die Wiedergutmachung von Vermögensverlusten im Zweiten Weltkrieg und Rechtsnachfolgen klären soll. In Fällen, in denen die Opfer selbst keine Ansprüche geltend machen konnten, wurde die JCC als Rechtsnachfolgerin eingesetzt. In Fällen, in denen die Opfer selbst keine Ansprüche geltend machen konnten, erkennt das "Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen" aus dem Jahr 1990 die JCC als Rechtsnachfolgerin an.
Mehr als 34 Jahre nach der Wiedervereinigung sind fast alle Fälle von Rückübertragungs- und Entschädigungsansprüchen in Brandenburg abgearbeitet, die im Zusammenhang mit der Wiedergutmachung von verfolgungsbedingten Vermögensverlusten zur NS-Zeit stehen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 11.12.2024, 11:00 Uhr
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