Brandenburg Auflösung der Organisation? Wie geht es weiter mit der Jungen Alternative in Brandenburg?
Die AfD will ihre Jugendorganisation "Junge Alternative" neu ordnen - wohl auch, um einem Verbot der gesamten JA zuvorzukommen. Die Brandenburger JA gilt als gesichert rechtsextrem - und steht der Idee der Mutterpartei skeptisch gegenüber. Von Amelie Ernst
Es klingt nicht so, als wolle sich Anna Leisten, die Brandenburger Landesvorsitzende der Jungen Alternative, den Plänen des AfD-Bundesvorstands einfach fügen: Eine Auflösung ihrer Organisation sei zum jetzigen Zeitpunkt völlig falsch, schreibt sie bei "X" (ehemals "Twitter"). Man habe noch viele wichtige Aufgaben zu meistern. Außerdem verlinkt sie einen Artikel des rechten Vordenkers Martin Sellner, der sich ebenfalls gegen eine Auflösung der Jungen Alternative ausspricht. Man hat Angst, zum "Schoßhündchen" der AfD degradiert zu werden. Andere in der JA hoffen, durch die laufende Debatte noch Zugeständnisse beim Aufbau einer neuen Parteijugend erreichen zu können.
"Fürsorgepflicht" für die Jugendorganisation
Der AfD-Landtagsabgeordnete Dennis Hohloch war selbst fünf Jahre Vorsitzender der Jungen Alternative in Brandenburg. Inzwischen ist er Mitglied im AfD-Bundesvorstand – und als solcher für die Auflösung der JA. Es gehe darum, eine Jugendorganisation aufzubauen, "die stärker ist, die wirkmächtiger ist". Außerdem habe die Partei eine "Fürsorgepflicht" für ihre Jugend. Denn die JA sei "durch instrumentalisierte Regierungsgremien wie dem Verfassungsschutz einer besonderen Ächtung ausgesetzt".
AfD und JA als Opfer von vermeidlich gesteuerten "Regierungsgremien" – auch dieses Bild versuchen ihre Vertreter:innen zu zeichnen. Außerdem könne ein Verbot der JA durch die Aufnahme in die Partei verhindert werden, so die Befürworter:innen.
Ansatzpunkte für ihre extremistischen Bestrebungen hat auch der Brandenburger Verfassungsschutz über Jahre gesammelt. Die Junge Alternative verletze bewusst zentrale Grundprinzipien der Menschenwürde, so Verfassungsschutzchef Jörg Müller bei der Vorstellung des entsprechenden Berichtes im vergangenen Jahr. Denn sie propagiere ein "ethnisch homogenes, deutsches Staatsvolk" und spreche Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund ab, Deutsche zu sein.
Schutz vor Vereinsverbot
Der Kasseler Politikwissenschaftler Wolfgang Schröder meint: Mit einer Jugendorganisation innerhalb der Partei (statt als eigenständiger Verein) wäre diese nicht nur besser geschützt vor einem Verbot, sondern die Partei könne auch mehr Einfluss nehmen auf die radikalen jungen Mitglieder. "Die eine Lesart ist, dass durch die Integration in die AfD diese Truppe besser kontrolliert und sanktioniert werden kann", sagt Schröder. "Die andere ist, dass sich innerhalb der AfD dann noch mehr Druck, noch mehr Auseinandersetzung, noch mehr Radikalisierung vollziehen könnte."
Besonders unter Druck steht in der laufenden Debatte Hannes Gnauck, der Bundesvorsitzende der Jungen Alternative. Gnauck sitzt für die Brandenburger AfD im Bundestag und ist gleichzeitig Mitglied im AfD-Bundesvorstand. Er trägt die Pläne zur Auflösung der JA und zur Gründung einer neuen Jugendorganisation innerhalb der AfD mit - und wurde deshalb von seinem Stellvertreter bereits zum Rücktritt aufgefordert. Fragen des rbb dazu ließ Gnauck unbeantwortet.
Doch über ihre Auflösung kann nur die JA selbst entscheiden. Gut möglich, dass das scheitert, so Politikwissenschaftler Schröder. "Dann hätte man mittelfristig zwei Jugendverbände – einen offiziellen und einen abgestoßenen, inoffiziellen. Das könnte auch in Richtung eines Überbietungswettbewerbes im Bereich dieser radikalen Truppen führen." Und das sei auch für die AfD nicht ganz unproblematisch.
Keine Deradikalisierung
Oder die Junge Alternative wird zur radikalen Aktionsgruppe, die die AfD und ihre Ziele von außen unterstützt, so wie es dem rechten Ideologen Martin Sellner vorschwebt (ähnlich eines "Political Action Committee" in den USA). Absehbar ist in jedem Fall, dass sich die AfD und ihr Nachwuchs mit der Gründung einer eigenen Jugendorganisation nicht deradikalisieren werden.
Das sei auch gar nicht das Ziel, meint Verfassungsschutzchef Müller. Es gehe vor allem um eine engere Bindung an die Partei. Man habe gemerkt, dass man gemeinsam mehr erreichen könne. AfD-Bundesvorstandsmitglied Dennis Hohloch bestätigt das: Die handelnden Personen blieben schließlich dieselben. "Es geht darum, eine neue Struktur zu schaffen, die verbindender und stärker ist als die bisherige." Auch in ihrer Brandenburger Landtagsfraktion beschäftigt die AfD mehrere JA-Funktionäre.
Politikwissenschaftler Wolfgang Schröder sieht in alledem ein Manöver, das radikale JA-Aktivisten nur scheinbar unter Kontrolle bringen wird und soll. "Das Ganze ist eine Form von Selbstverharmlosung, denn die Personen werden weiter aktiv sein, die Ideen werden aktiv sein und die Vernetzungsmuster werden deshalb ja nicht neutralisiert und aufgelöst." Möglicherweise soll auch an potenzielle neue AfD-WählerInnen das Signal gesendet werden: "Seht her, wir haben die Radikalen unter Kontrolle."
Beim Parteitag im Januar muss zunächst die AfD über die Gründung einer eigenen Jugendorganisation entscheiden. Doch für eine Selbstauflösung braucht es anschließend eine große Mehrheit innerhalb der Jungen Alternative – die ist derzeit (noch) nicht in Sicht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 06.12.2024, 08:25 Uhr