Jan Redmann (l), Landesvorsitzender der CDU in Brandenburg und Spitzenkandidat und Dietmar Woidke, Ministerpräsident und Vorsitzender der SPD in Brandenburg, verlassen ein TV-Studio am 22.09.2024.(Quelle: picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka)

Nach Landtagswahl Brandenburg steht vor schwieriger Regierungsbildung

Stand: 23.09.2024 11:51 Uhr

Mit knappem Vorsprung hat die SPD von Ministerpräsident Woidke die Wahl in Brandenburg gewonnen. Nun stehen schwierige Koalitionsgespräche an: Die Positionen der möglichen Partner CDU und BSW liegen teilweise sehr weit auseinander.

  • Bundesparteien geben am Vormittag und Mittag Pressekonferenzen
  • Auf Landesebene äußern sich die Spitzenkandidaten
  • SPD gewinnt knapp vor der AfD, Grüne, Linke und BVB/Freie Wähler nicht mehr im Landtag
  • SPD will noch in dieser Woche Gespräche beginnen - auch mit dem BSW
  • Brandenburger CDU-Chef Redmann will zumindest vorerst im Amt bleiben

Am Tag nach der Landtagswahl in Brandenburg beraten die Bundesparteien in Berlin über den Ausgang und mögliche Folgen. Den Anfang machte am Montagvormittag die AfD mit einer Pressekonferenz. Dabei erhob die Parteispitze Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung in Bund und Ländern.

"Wir sind bereits Volkspartei", sagte Co-Bundessprecherin Alice Weidel am Montag in Berlin und verwies auf Werte um 30 Prozent in den ostdeutschen Landtagswahlen. Bundesweit liege man nun bei 20 Prozent und wandele sich zu einer Programmpartei. "Die Wähler haben uns in drei Ländern mit einem Regierungsauftrag ausgestattet", fügte sie hinzu.

Auch der Wahlsieger SPD sowie das BSW, CDU, FDP und Linke haben Pressekonferenzen. In Potsdam wollen die Spitzenkandidaten und Generalsekretäre der Landesparteien ebenso über die Ergebnisse ihrer Wahlanalysen informieren.

Ein Schatten fällt auf die Fassade des Brandenburger Landtags am 22.09.2024. (Quelle: picture alliance/dpa/Michael Bahlo)
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Grüne, Linke und BVB/Freie Wähler nicht mehr im Parlament vertreten

Am späten Sonntagabend war das vorläufige amtliche Endergebnis der Brandenburger Landtagswahlen verkündet worden. Demnach ist die SPD mit 30,9 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Dahinter folgt die AfD mit 29,2 Prozent. Die CDU ist auf 12,1 Prozent abgerutscht und landet hinter dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das auf Anhieb 13,5 Prozent erreicht. Grüne, Linke und BVB/Freie Wähler haben teils deutlich verloren und liegen unter der Fünf-Prozent-Hürde: Die Grünen mit 4,1 Prozent, die Linken mit 3,0 und BVB/Freie Wähler mit 2,6 Prozent.

Da weder Grüne, noch Linke und BVB/Freie Wähler Direktmandate erringen konnten, ziehen sie nicht erneut in den Landtag ein. Mit knapp 73 Prozent war die Wahlbeteiligung so hoch wie noch nie in Brandenburg.

Woidke kommt am BSW wohl nicht vorbei

Im neuen Landtag hätte ein Bündnis aus SPD und BSW eine knappe Mehrheit, möglich wäre auch eine Dreier-Koalition mit der CDU. Die AfD hat mit 30 Sitzen eine Sperrminorität. Damit kann sie Entscheidungen blockieren, bei denen eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, zum Beispiel die Wahl von Verfassungsrichtern.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat bereits angekündigt, zunächst mit der CDU Gespräche über eine Zusammenarbeit führen zu wollen. Allerdings wäre Rot-Schwarz eine Minderheitsregierung, da beide Fraktionen im Landtag zusammen genauso viele Sitze haben wie AfD und BSW und damit keine absolute Mehrheit. Die Positionen von CDU und BSW liegen in vielen Punkten denkbar weit auseinander. Brandenburg steht also vor einer schwierigen Regierungsbildung.

Landtagswahl-Brandenburg
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SPD will auch mit dem BSW sprechen

Derweil will die Brandenburger SPD möglichst noch in dieser Woche Sondierungsgespräche aufnehmen. Die Sozialdemokraten seien für Gespräche mit CDU und BSW offen, sagte SPD-Landtagsfraktionschef Daniel Keller am Montagmorgen im rbb24 Inforadio. Sondierungsgespräche sollten zügig und möglichst noch diese Woche starten. Zur Regierungsbildung sagte er: "In den nächsten Wochen wollen wir dort vorwärts kommen." Mit der AfD wolle er keine Sondierungsgespräche führen.

Das BSW zunächst die Gespräche zwischen SPD und CDU abwarten. "Das sollen die mal machen", sagte BSW-Spitzenkandidat Robert Crumbach im Deutschlandfunk. Für eine Beteiligung des BSW an einer Koalition sei ein neuer Politik-Stil notwendig, man müsse "mehr auf die Menschen zugehen und auf sie hören", sagte der ehemalige SPD-Politiker bei WDR5. Schwerpunkt für seine Partei seien in Brandenburg die Themen Bildungspolitik, Kommunalfinanzen und die Friedenspolitik, darunter auch ein Nein zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland.

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Scholz ist erleichtert - Chrupalla reagiert enttäuscht

Bei den Sozialdemokraten herrscht derweil Erleichterung: SPD-Co-Chef Lars Klingbeil sieht das Wahlergebnis als Botschaft auch für die Gesamtpartei. "Wir wissen, dass die Bundesebene keinen Rückenwind gegeben hat", sagt er bei Phoenix. Fragen nach der Bedeutung der Wahl für Kanzler Olaf Scholz wich Klingbeil aus.

Scholz selbst zeigte sich am Rande seines Besuchs bei den Vereinten Nationen in New York erfreut über das Wahlergebnis in Brandenburg. "Ein tolles Ergebnis, sehr toll für die SPD, auch für uns alle", sagte der SPD-Politiker in einem Video, das der Journalist Gordon Repinski von "Politico" auf der Plattform X verbreitete.

Der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla zeigte sich enttäuscht über den zweiten Platz in Brandenburg. "Wir wollten Dietmar Woidke in die Rente schicken", sagte Chrupalla im ZDF. AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt, der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, sagte indes: "Die Zukunft ist blau - im Osten und überall", sagte er.

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Redmann will zumindest vorerst nicht zurücktreten

BSW-Co-Chefin Amira Mohamed Ali sprach von einem tollen Erfolg für ihre Partei. Die Friedenspolitik sei ein wichtiges Thema für das BSW gewesen. Eine Regierungsbeteiligung im Landtag sei von echter Veränderung abhängig. Es werde nicht einfach so eine Regierungsbeteiligung für ein paar Posten geben.

Der Generalsekretär der Bundes-CDU, Carsten Linnemann, sprach von einer "bitteren Niederlage". Woidke habe mit seiner Rücktrittsdrohung alles auf eine Karte gesetzt - und gewonnen. "So sieht Glaubwürdigkeit aus."

Der CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann will nach der Wahlschlappe zumindest vorerst nicht vom Landesvorsitz zurücktreten. "Das wäre das ganz falsche Signal", sagte er. Er sei der Landesvorsitzende der CDU und könne sagen, dass diese einige Aufgaben vor sich habe, sagte Redmann am Montag im rbb24 Inforadio. "Diese Aufgaben muss ich auch übernehmen." Er werde sich vor der Verantwortung nicht drücken.

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Hängende Köpfe bei Grünen und Linken

Unterdessen ist die Stimmung unter den Wahlverlierern erwartbar schlecht. Die Brandenburger Grünen haben sich nach dem Aus für den künftigen Landtag besorgt gezeigt. "Da ist natürlich Enttäuschung - aber auch Entschlossenheit. Wir haben jetzt wirklich den Horror-Landtag, vor dem wir gewarnt haben", sagte Spitzenkandidat Benjamin Raschke der Deutschen Presse-Agentur. "Da gibt es keine progressive Kraft, die für soziale Gerechtigkeit, für Umwelt- und Klimaschutz steht."

Der bisherige Grünen-Fraktionschef kündigte an, dass seine Partei auch außerhalb des Parlaments hörbar sein will. "Wir sind entschlossen, eine starke außerparlamentarische Opposition zu sein", sagte Raschke. "Auch für mich als Bürger dieses Landes ist es erschreckend, dass der Sieg von Herrn Woidke in Wirklichkeit ein Pyrrhus-Sieg ist, dass der rechte Rand und der Populismus gestärkt sind und die Mitte verloren hat."

Linke-Spitzenkandidat Sebastian Walter im ARD-Wahlstudio am 22.09.2024.  (Quelle: dpa/dts Nachrichtenagentur)
Zerschreddert

Erstmals wird es einen ostdeutschen Landtag ohne Die Linke geben. Spitzenkandidat Sebastian Walter sagte im rbb, die Partei sei in Brandenburg zerschreddert worden. Eine Einschätzung so brutal wie korrekt, wie die Wählerwanderung zeigt. Von H. Gökkaya und O. Noffkemehr

Linke-Spitzenkandidat Sebastian Walter nannte das Ergebnis seiner Partei "desaströs". Viele Menschen hätten die SPD "nicht aus Überzeugung" gewählt, sondern wegen des "Panikwahlkampfs des Ministerpräsidenten" gegen die AfD.

Erneut nicht in den Landtag eingezogen ist die FDP. Sie landete bei 0,8 Prozent bei den Zweitstimmen nach 4 Prozent bei den vorherigen Landtagswahlen 2019. Als Konsequenz forderte der bayerische Landes-Parteichef Martin Hagen den Ausstieg der Liberalen aus der Ampel-Koalition im Bund. "Wenn man merkt, dass es nicht mehr geht, dann muss man auch irgendwann bereit sein, den Stecker zu ziehen", sagte Hagen der "Augsburger Allgemeinen" vom Montag. "Wir müssen im Bundesvorstand Tacheles reden", sagte Hagen mit Blick auf die Sitzung am Montag.

Bereits in Sachsen und Thüringen verfehlte die FDP die fünf Prozent deutlich. Auch bei der Landtagswahl in Bayern vor einem Jahr hatte die FDP mit Spitzenkandidat Hagen Verluste hinnehmen müssen und scheiterte mit einem Ergebnis von drei Prozent am Wiedereinzug in den Landtag.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 23. September 2024 um 09:05 Uhr.