
Bayern Querdenker, AfD und Neonazis: Wie sich die Demo-Szene vernetzt
In Nürnberg versammeln sich bei Demonstrationen von "Team Menschenrechte" Querdenker, Rechtsextreme und AfD-Politiker. Der Verfassungsschutz hat die Gruppe seit kurzem im Blick. Exklusive Recherchen zeigen, wie sich die Szene zusammensetzt.
Montags in der Nürnberger Innenstadt: Rund 100 Teilnehmer mit Deutschland- und Friedensflaggen marschieren regelmäßig durch die Stadt. "Wird der Bürger unbequem, ist er plötzlich rechtsextrem", heißt es auf einem Schild, das Teilnehmer bei der Demonstration der Initiative "Team Menschenrechte" hochhalten. Nicht alle tragen ihre politischen Ansichten offen zur Schau.
Ursprung in "Querdenker"-Bewegung
Gegründet hatte sich die Gruppe im Zuge der Corona-Pandemie. Sympathisanten aus den Reihen der "Querdenker"-Bewegung führen die Proteste fort. Sie stoßen neuerdings auf heftigen Widerstand, von "Omas gegen Rechts" über Kommunalpolitiker bis hin zu Linksautonomen.
Ihnen brüllte die Organisatorin der "Team Menschenrechte"-Demonstration, Astrid H., durch ein Megafon entgegen: "Ihr seid die Nazis!" Doch Nachforschungen des gemeinsamen Rechercheteams von Bayerischem Rundfunk und Nürnberger Nachrichten zeichnen ein anderes Bild: So nehmen an den Demonstrationen verschiedene Aktivisten der (extremen) Rechten teil.
Teilnehmer aus der rechtsextremen Szene
Rainer B. ist einer von ihnen. Der frühere Kader aus Mittelfranken ist seit Jahrzehnten in der rechtsextremen Szene vernetzt. Nach dem Auffliegen der NSU-Terroristen glorifizierte der 60-Jährige öffentlich deren Morde und wurde deswegen verurteilt. Anhand der Aktivitäten von Rainer B. zeigt sich, wie Extremisten versuchen, auch in andere politische Milieus vorzudringen. So versuchte B. zur Hoch-Zeit der Fluchtbewegung in Deutschland, die russlanddeutsche Community gegen die Aufnahme von Geflüchteten zu mobilisieren.

Deutschlandfahnen, Friedenstauben und AfD-Logos prägen das Bild des "Team Menschenrechte Nürnberg".
Während der Corona-Pandemie trat B. in Chatgruppen der Querdenken-Szene als Einheizer auf und erreichte damit Tausende. B. marschiert nicht nur beim "Team Menschenrechte" mit, er stachelt nach BR/NN-Recherchen über deren Chatgruppe die Anhänger auf. Dort schrieb er nach massiven Gegenprotesten: "Man muss die künftige Strategie überdenken um die Ordnungsbehörde, Polizei und Antifa in ihre Schranken zu weisen!!!!" (sic!) Dazu äußern will er sich auf Anfrage nicht. Auch eine Gruppe von Parteianhängern von "Die Heimat" (früher NPD) um deren Landesvorsitzenden ist regelmäßig auf den Demonstrationen zugegen.
Junge Neonazis schließen sich Protesten an
Doch es sind nicht nur altgediente Kader, die sich in Nürnberg versammeln. Auch eine Gruppe von jungen Neonazis schloss sich den Protesten an, einige von ihnen wurden von der Versammlungsleitung sogar als Ordner eingesetzt. Nach BR/NN-Recherchen nahmen einige schon vor Monaten bei Aufmärschen der extremistischen Kleinparteien "Die Heimat" oder "Der Dritte Weg" teil.
Der Einsatz der jungen Neonazis als Ordner fand erst ein Ende, als sich Mitte Mai einer der führenden Köpfe des Nachwuchses, Marcus L., in einem Livestream eines AfD-Lokalpolitikers während der Demo einen "kleinen" Adolf Hitler wünschte und meinte, er finde "Demokratie zum Kotzen". Die Organisationsleitung trennte sich daraufhin öffentlich von ihm "und seinem Umfeld".
Frühere "Team Menschenrechte"-Ordner mit NS-Symbolik und Hakenkreuz
Marcus L. und die jungen Neonazis haben allerdings aus ihrer Gesinnung nie einen Hehl gemacht. Bilder, die dem Rechercheteam vorliegen, zeigen L. in Kleidung mit NS-Symbolik. Auf einem internen Gruppenfoto trägt ein Mann – ebenfalls ein früherer Ordner bei "Team Menschenrechte" – ein T-Shirt einer Rechtsrock-Band. Darauf deutlich zu erkennen: ein Hakenkreuz. Marcus L. will sich auf BR/NN-Anfrage dazu nicht äußern. Ein Video, das dem Rechercheteam vorliegt, zeigt einen weiteren Aktivisten der Gruppe vermummt in einem Waldstück. Dort hält er eine Pistole in die Luft und drückt mehrfach ab – es soll offenbar zeigen, wie militant die Gruppe nach außen erscheinen will.

Junge Neonazis zeigen sich auf Fotos in Kleidung mit NS-Symbolik. (Verpixelung: BR)
Organisatorin von "Team Menschenrechte" schweigt
Fragt man Astrid H., die Organisatorin von "Team Menschenrechte", nach den Demo-Teilnehmern, gibt sich die Frau wortkarg, ein Interview will sie nicht geben. Im Internet schreibt sie ihren Anhängern: "Mit diesen Stasi-Reportern rede ich kein Wort". Dass sie selbst keine Berührungsängste zu Rechtsextremen hat, zeigt ihre Präferenz für einen Rechtsanwalt. Weil die Behörden ihre Demoroute verlegen wollten, ging H. dagegen vor – und nahm sich nach BR/NN-Informationen einen langjährigen Neonazi-Kader als Anwalt.

Ein Video zeigt einen Aktivisten vermummt in einem Waldstück. Auf dem Video ist zu sehen, wie er abdrückt. (Screenshot; Verpixelung: BR)
"Team Menschenrechte" und die AfD
Sympathien hegt Astrid H. offenbar auch für die AfD. Sie selbst zeigte sich bereits Anfang 2024 mit einer Fahne der AfD Bayern am Rande einer Kundgebung gegen Rechtsextremismus in Nürnberg.
So überrascht es nicht, dass die Partei bei den "Team Menschenrechte"-Demos ebenfalls vertreten ist. Neben lokalen AfD-Anhängern wie der Aktivistin Ekaterina G., nimmt der Stadtrat Klaus Krestel immer wieder an Demonstrationen teil. Bei einem Zug durch die Südstadt meinte der AfD-Politiker: "Hier sind keine Neonazis. Das ist bürgerliche Mitte."

Der Nürnberger AfD-Stadtrat Klaus Krestel (re. mit Hut) nimmt regelmäßig an Veranstaltungen von "Team Menschrenrechte Nürnberg" teil.
Nur wenige Meter von Krestel entfernt lief Neonazi-Anwalt Frank M., der in der Vergangenheit Extremisten im Umgang mit der Justiz schulte. Bei einer vorherigen Veranstaltung des "Team Menschenrechte" war der frisch gewählte AfD-Bundestagsabgeordnete Bastian Treuheit aus Zirndorf Seite an Seite mit M. zu sehen. Auf Anfrage des Rechercheteams teilte Treuheit mit, er habe die Veranstaltung als Beobachter besucht. Und weiter: "Dort wurde ich von einem Mann angesprochen, der sich als Rechtsanwalt vorstellte und sich mir kurzzeitig anschloss. Dass es sich bei dieser Person um Frank M. handelte, war mir in diesem Moment nicht bekannt. Eine politische oder persönliche Nähe besteht nicht."
Experte: "Mosaik-Rechte gelingt in Nürnberg besonders gut"
Dominik Sauerer von der "Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus" des Bayerischen Jugendrings beobachtet das "Team Menschenrechte" schon länger. Auch ihm fällt der Kontakt zwischen Querdenkern, Neonazis und AfD-Politikern auf. Er meint: "Die extreme Rechte hat schon vor vielen Jahren als strategisches Ziel ausgegeben, eine Mosaik-Rechte zu schaffen." Also eine Bewegung, in der sich Menschen aus verschiedenen Strömungen und Beweggründen heraus beteiligen. In Nürnberg gelinge das "besonders gut".
Professorin Eva Pils, die den Humboldt-Lehrstuhl am Menschenrechtszentrum der Universität Erlangen-Nürnberg innehat, reagiert im Gespräch mit dem Rechercheteam besorgt. Gruppen wie "Team Menschenrechte" treten laut Pils nicht für universelle und unteilbare Menschenrechte ein, sondern missbrauchen deren Sprache und äußern sich mitunter in menschenverachtender Weise.
Auch würden mit verschwörungstheoretischen Inhalten bei Kundgebungen Feindbilder aufgebaut, die auch dazu dienen würden, weitere Anhänger zu rekrutieren. Angesprochen auf die Aussage des Aktivisten Marcus L., er wünsche sich einen kleinen Hitler, sagt die Menschenrechtsprofessorin: Diese Aussage zeuge zumindest von einer "versuchten Autokratisierung". Dies sei "eine Gefahr für die Demokratie".
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Quelle: Frankenschau aktuell 30.05.2025 - 17:30 Uhr