Ministerpräsident Markus Söder zum Abschluss der Kabinettsklausur

Bayern Kurswechsel: Söder stimmt Bayern auf neue Schulden ein

Stand: 02.06.2025 18:50 Uhr

Zwei Jahrzehnte lang galten ausgeglichene Haushalte als Markenzeichen Bayerns. 2026 hält Ministerpräsident Söder neue Schulden für möglich – und damit einen Kurswechsel. Derzeit investiere "die ganze Welt", es gelte mitzuhalten.

Von Petr Jerabek

Ausbau der Kinderbetreuung, mehr Tempo beim Wohnungsbau, Unterstützung der Kommunen bei den Krankenhäusern: Das bayerische Kabinett hat bei einer zweitägigen Klausurtagung am Tegernsee Schwerpunkte für die nächsten Monate besprochen. "All das, um das es geht, kostet Geld", sagt dazu Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Zwar bekräftigt er, wie wichtig dem Freistaat "solide Finanzen" seien, für 2026 aber hält der CSU-Chef neue Schulden für möglich.

Noch sei nichts beschlossen, versichert er. Die Entscheidung werde im Herbst fallen – nach der nächsten Steuerschätzung. "Wünschenswert ist, dass alles aus dem Kernhaushalt finanziert werden kann", betont Söder. Doch allein die Art und Weise, in der er neue Schulden zur Option erklärt, ist neu: "Es ist nichts ausgeschlossen." Seit 2006 unter Ministerpräsident Edmund Stoiber gilt ein ausgeglichener Haushalt als Markenzeichen von CSU-geführten Staatsregierungen, die "Schwarze Null" wurde Jahr für Jahr Mantra-artig beschworen.

Harter Sparkurs unter Stoiber

Um das Ziel eines Etats ohne Schulden zu erreichen, hatte Stoiber dem Freistaat einen harten Sparkurs verordnet, zahlreiche Stellen in der Verwaltung abgebaut. Die Auswirkungen sind teilweise bis heute zu spüren. Einige der damaligen Beschlüsse wurden unter seinen Nachfolgern zwar rückgängig gemacht, dank steigender Steuereinnahmen aber klappte es lange trotzdem mit dem ausgeglichenen Haushalt.

Söder war selbst von 2011 bis 2018 bayerischer Finanzminister. Kurz nach seinem Start als Ministerpräsident betonte er in seiner ersten Regierungserklärung im Landtag: "Natürlich gilt auch für die zukünftige Finanzpolitik, dass der ausgeglichene Haushalt und die Schuldentilgung oberste Maxime bleiben." Zuletzt gelang ein Etat ohne Schulden allerdings nur noch dank der Rücklagen des Freistaats, die dadurch geschrumpft sind.

Söder: Bayerns Schuldenquote stabil niedrig

Nachdem vor wenigen Tagen bereits Finanzminister Albert Füracker (CSU) neue Schulden nicht "völlig ausschließen" wollte, legt Söder nun nach. Die Steuerentwicklung sei noch unklar, der erhoffte Schub für die Wirtschaft durch die neue Bundesregierung werde noch eine Zeit auf sich warten lassen. Die Schuldenbremse preist der Ministerpräsident zwar als "bayerisches Patent", betont aber: "Im Moment investiert die ganze Welt – Deutschland, USA. Europa macht Schulden ohne Ende." Da stelle sich für Bayern die Frage: "Fallen wir da zurück, bremsen wir ab? Oder sind wir in der Lage, den Schwung zu halten, um ökonomisch erfolgreich zu sein?"

Und Söder präsentiert gleich auch noch Zahlen, warum sich gerade Bayern neue Schulden noch am ehesten erlauben könnte: Deutschlands Staatsschuldenquote liege bei mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, durch die geplanten Milliardenausgaben für Verteidigung und Infrastruktur werde sie auf bis zu 85 oder 90 Prozent wachsen. In den USA betrage die Quote mehr als 120 Prozent, in Frankreich mehr als 100 Prozent. "Bayern hat 4,8 Prozent." Somit sei die Schuldenquote des Freistaats "stabil niedrig".

AfD: Söder lernt Schulden-Machen im Eiltempo

Deutliche Kritik kommt von der bayerischen AfD-Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner: "Erst wurde die Schuldenbremse im Bund aufgeweicht. Jetzt wird auch Bayern bald folgen", sagt sie dem BR. Söder habe das Schulden-Machen von Kanzler Friedrich Merz (CDU) "im Eiltempo gelernt". Und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) nicke wieder einmal nur ab, was sein Chef wünsche.

Grüne und SPD mahnen Investitionen in Infrastruktur an

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Volkmar Halbleib, hält einen "Masterplan" für nötig, "wie der Investitionsstau in Bayern beseitigt werden kann". Es gehe darum, die Wirtschaft anzukurbeln, aber auch zu gewährleisten, "was die Bürger erwarten: eine Infrastruktur, die auf der Höhe der Zeit ist"

Grünen-Haushaltsexpertin Claudia Köhler verlangt von der Staatsregierung, mit offenen Karten zu spielen: "Nur neue Schulden anzukündigen, ohne zu sagen, wofür man das Geld einsetzen will, ist ja noch lange keine gute Politik", sagt sie. "Bayern braucht dringend Investitionen in die Infrastruktur, Schulen, Schwimmbäder, erschwinglichen Wohnraum, Digitalisierung, Polizeiinspektionen, Straßen, Brücken. Die Liste ist richtig lang geworden in den letzten Jahren." Allerdings habe der Freistaat auch noch sehr hohe Rücklagen. Nötig sei ein Kassensturz, die Staatsregierung müsse offenlegen, wofür sie neue Schulden verwenden wolle, betont Köhler. Die Grünen würden darauf achten, dass das Geld nicht für Wahlkampfzwecke verwendet werde.

Söder versichert am Abend im BR24-Interview, Bayern werde auf keinen Fall "für irgendetwas" Schulden machen. Aber es wäre nicht zu verantworten, die hohen Investitionen herunterzufahren, weil dies der Wirtschaft schaden würde. Auch Einsparungen bei den Kommunen kämen nicht in Frage, wo es um Schulen, Kitas, Krankenhäuser und Wohnungsbau gehe. Sollte die Steuerschätzung besser werden, seien keine Schulden notwendig. "Wenn die Steuerschätzung weiter schlecht wird, dann ist es schwierig."

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Quelle: BR24live 02.06.2025 - 12:00 Uhr