Bayern Dauerhafte Grenzkontrollen: Was hieße das für die Polizei?
Aktuell wird an Landesgrenzen wieder kontrolliert. Aus Union und SPD werden Forderungen nach dauerhaften Grenzkontrollen laut. Könnte die Bundespolizei das leisten?
Schichtbeginn für Philipp bei der Bundespolizei in Waidhaus. Zwölf Stunden Nachtschicht liegen vor dem 23-Jährigen, dessen Nachnamen wir nicht nennen sollen. Von Sonntag auf Montag ist viel los auf der A6 hier in der nördlichen Oberpfalz: Laut Erfahrungswerten müssen die Beamten mit illegalen Einreisen, Schleusungen, Drogen- und Waffenschmugglern rechnen. Und zurzeit auch mit gewaltbereiten Fußballfans, die zu den Spielen der Fußball-EM 2024 wollen.
Sicht- und Passkontrollen
An der Kontrollstelle der A6 bei Waidhaus fahren im Schnitt täglich 6.000 Fahrzeuge aus Tschechien über die Grenze. Jedes einzelne muss von der Autobahn runter und mit Schrittgeschwindigkeit zunächst durch eine Sichtkontrolle. Hier stehen Bundespolizisten und blicken durch die Scheiben. Knapp ein Drittel der Fahrzeuge wird unter einem großen weißen Zeltdach näher untersucht. Hier halten Philipp und Max einen Fernbus aus Prag an. Sie gehen an Bord. "Federal Police of Germany, passports please", rufen die Männer.
Wieder stationäre Grenzkontrollen
Im Moment tun sie das, weil seit Oktober in Waidhaus wieder stationär kontrolliert wird, um illegale Einreisen und Schleusungen einzudämmen. Die bisherige Bilanz scheint dem Bundesinnenministerium recht zu geben. Es setzt auf Abschreckung.
Die Zahl der illegalen Einreisen ist im ersten Quartal dieses Jahres um 13 Prozent zurückgegangen – verglichen mit dem ersten Quartal 2023. Die Schleusungen gingen sogar um 43 Prozent zurück, meldet das Ministerium. Fahndungstreffer sind um 97 Prozent angestiegen, außerdem wurden 55 Prozent mehr Haftbefehle vollstreckt.
Die Halbzeitbilanz zur EM der Bundespolizei in Bayern vom 2. Juli zeigte: 37 Fans wurden an der Einreise gehindert. Dazu wurde im Schnitt alle zweieinhalb Stunden ein Haftbefehl vollstreckt an der tschechischen oder österreichischen Grenze. Über 1.000 Menschen wollten illegal einreisen, davon wurde mehr als die Hälfte zurückgewiesen, durfte also nicht ins Land.
Bundespolizei ist nicht allein
Zusätzlich zur Bundespolizei kontrolliert an der tschechischen Grenze auch die bayerische Grenzpolizei. Ihre Beamten sind als Schleierfahnder im Einsatz. Mit zivilen Autos kontrollieren sie stichpunktartig und immer an anderen Orten. Den Warenverkehr hat der Zoll im Blick.
Die Lastwagen und auch Berufspendler werden in den meisten Fällen hier an der stationären Kontrollstation an der Autobahn durchgewunken. Auf Anweisung des Bundesinnenministeriums sollen Pendler und Warenverkehr möglichst wenig durch die Grenzkontrollen beeinträchtigt werden.
Wird das zum Dauerzustand?
Geht es nach Politikern etwa aus Union und SPD, so sollten die Kontrollen an den Grenzen fortgeführt werden. Die Unionsfraktion brachte einen entsprechenden Antrag in den Bundestag ein. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellte bereits im Mai während eines Ortstermins in Waidhaus in Aussicht, dass sie die Kontrollen bis ins kommende Jahr hinein verlängern möchte.
Instrument für Bedrohungslagen
Die stationären Kontrollen stellen im Moment eine Ausnahme dar, wie es sie auch infolge der Flüchtlingskrise oder während der Corona-Pandemie gab. Eigentlich sieht das Schengen-Abkommen offene Grenzen vor. Die Kontrollen müssen deshalb immer wieder aufs neue begründet und der EU-Kommission angezeigt werden. Laut der entsprechenden EU-Verordnung sind sie vorgesehen, wenn es etwa "eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit" gibt.
Migration soll der Verordnung zufolge hingegen nicht als Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die Innere Sicherheit betrachtet werden. In der aktuellen Debatte wird Einwanderung dennoch als eines der Hauptargumente genannt – häufig mit dem Verweis auf unzureichende Kontrollen an den EU-Außengrenzen.
Könnte die Bundespolizei mehr leisten?
Die Bundespolizei ist durch die aktuellen Kontrollen besonders stark gefordert. Während der EM sind 22.000 Polizisten täglich im Dienst. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nennt das den größten Einsatz in der Geschichte der Bundespolizei.
Polizeigewerkschaften sprechen unterdessen von einem "Berg an Überstunden", den sie auf Nachfrage nicht näher beziffern möchten. Der Polizeibeauftragte der Bundesregierung, Uli Grötsch (SPD), bestätigt die enorme Belastung. Grötsch war selbst jahrelang Polizist an der Grenze bei Waidhaus. Im BR-Interview forderte er, dass die Bundespolizei "dringend mal Gelegenheit zum Durchschnaufen bräuchte".
Gewerkschaft: "Mammutaufgabe"
Die Gewerkschaft der Polizei spricht von einer Mammutaufgabe. Das führe zu einer Überlastung, die auf Dauer nicht zu bewältigen sei, sollten die Kontrollen auch im Westen an den Grenzen zu Frankreich, Belgien oder den Niederlanden nach der EM beibehalten werden.
Heiko Teggatz, der Bundesvorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, bezeichnete die Kontrollen im Gespräch mit dem BR aber als "klug und richtig". Die Motivation der Kollegen sei vorhanden, auch könnten die Überstunden im Jahresverlauf immer ausgeglichen werden, sagte Teggatz. Er schlägt allerdings Alarm, weil Geld für die Ausstattung der Bundespolizei fehlt. 500 Millionen Euro bräuchte es dem Gewerkschaftsvertreter zufolge bis zum Jahresende für Autos, Waffen, Schutzausrüstung und IT-Ausstattung. Zudem fordert er mehr Beamte.
Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, teilt diese Einschätzung. Er spricht sich für ein Plus von rund 8.000 Beamten aus, um den immer umfangreicher werdenden Aufgaben nachzukommen. Statt derzeit 52.000 sollte es rund 60.000 geben, fordert Roßkopf. Zuletzt wurden rund 1.000 neue Planstellen bei der Bundespolizei geschaffen.
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Quelle: Der Funkstreifzug 10.07.2024 - 12:17 Uhr