
Baden-Württemberg Koalitionsvertrag von Union und SPD steht: Neue Regierung darf laut Kretschmann "nicht scheitern"
Union und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt und Einzelheiten dazu vorgestellt. Aus BW kam Unterstützung, aber auch Kritik - zum Beispiel an der Umweltpolitik.
Angesichts der drängenden Herausforderungen ist es aus Sicht von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gut, dass sich Union und SPD am Mittwoch auf einen Koalitionsvertrag geeinigt haben. "Deutschland und Europa brauchen in diesen Zeiten eine stabile und handlungsfähige Regierung", teilte Kretschmann mit. Man schaue sich jetzt die Details des Koalitionsvertrages genau an.
Der Grünen-Politiker wies auch darauf hin, dass man der künftigen Bundesregierung mit der Grundgesetzänderung und der Möglichkeit zur Schuldenaufnahme einen großen Vertrauensvorschuss gewährt habe. "Ich erwarte weiter konsequente, zukunftsorientierte Reformen, einen klaren Fokus auf Forschung und Entwicklung und eine Reform der staatlichen Strukturen", so Kretschmann weiter. Dabei gelte es, die Interessen der Länder und Kommunen ausreichend zu berücksichtigen. Darauf werde man genau schauen. "Klar ist, nicht zuletzt angesichts der gegenwärtigen, sich zuspitzenden Weltlage: Diese neue Regierung darf nicht scheitern, und ich wünsche allen Beteiligten gutes Gelingen."
45 Tage nach der Wahl haben sich Union und SPD im Bund auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag geeinigt. Dieser wurde am Mittwochnachmittag vorgestellt:
CDU-Landeschef aus BW: "Faire Chance" für neue Bundesregierung
CDU-Landeschef Manuel Hagel fand in der Sitzung des baden-württembergischen Landtags am Mittwoch mahnende Worte. Noch stünde keine Regierung, noch sei Merz kein Kanzler, sagte er. Und dennoch verbreiteten einige wenige seit Wochen einen Abgesang auf eine Bundesregierung, die noch gar nicht begonnen habe. Aus Sicht von Hagel ist das keine politische Analyse. "Es ist jedes Mal aufs Neue politisches Armageddon", konstatierte der CDU-Landeschef am Rednerpult im Landtag.
Wer wirklich glaube, eine mögliche Regierung der Volksparteien müsse präventiv geschwächt werden, spiele genau jenen in die Hände, die vom Zweifel lebten und nicht von den Lösungen, so Hagel weiter. So schwäche man die AfD nicht, so mache man die AfD erst stark. "Was es jetzt braucht, ist ein starkes Regierungsprogramm, ein kompetentes Team, die ersten 100 Tage, in denen regieren auch heißen darf, zu gestalten." Der CDU-Landeschef appellierte an die Kritiker, der neuen Regierung eine faire Chance zu geben, ins Schaffen zu kommen.
SPD-Landeschef Stoch: Wirtschaft muss sich neu erfinden
Für SPD-Landeschef Andreas Stoch ist es angesichts der weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Lage wichtig, dass sich Union und SPD nun auf einen Koalitionsvertrag geeinigt haben. "Alle Beteiligten haben begriffen: Es geht nicht mehr mit den Lösungen von gestern", teilte er am Mittwoch mit. Die Wirtschaft werde nur dann einen Aufschwung erleben, wenn man Geld in Innovationen, aber auch in die Infrastruktur investiere. "Bei der Vielzahl an Herausforderungen dürfen wir nicht so tun, als würden sich alle Probleme binnen weniger Tage in Luft auflösen. Aber wir müssen deutlich machen, dass die Politik in der Lage ist, sie Schritt für Schritt anzugehen - und damit die Lebensumstände der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern."
BW-Umweltministerin: "Energiepolitisch unverantwortlich"
Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) sieht im Koalitionsvertrag deutliche Nachteile für Baden-Württemberg als Windkraft-Standort. "Bei der Windkraft riskiert die künftige Bundesregierung einen erneuten Einbruch der Windbranche im Süden." Durch die geplanten Änderungen hätten es Projekte in Baden-Württemberg bei Ausschreibungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ihrer Meinung nach deutlich schwerer. Bisher würden eine schwierige Topographie und Logistik beim Bau von Windrädern berücksichtigt. Walker befürchtet, dass das in Zukunft nicht mehr der Fall sein wird. "Das ist energie- und wirtschaftspolitisch unverantwortlich", teilte die Ministerin mit.
AfD-Fraktionschef: "Konservative Wende bleibt aus"
AfD-Fraktionschef Anton Baron spricht in einem Statement von "einem Kabinett des Grauens". "Der Koalitionsvertrag offenbart, was alle bereits erwartet haben: Eine konservative Wende bleibt aus", teilte Baron am Mittwoch mit. Wenn die SPD das Finanzministerium erhalte, dann wisse man, was unserem Land blühe. "Nach den Schreckensjahren unter der Ampel droht Deutschland der nächste Aderlass."
FDP-Landeschef: Bundesregierung "gönnt sich" zusätzliches Ministerium
FDP-Landeschef Hans-Ulrich Rülke sieht die Interessen des Landes Baden-Württemberg nicht vertreten. So habe die CDU keine Initiative zur Aufhebung des Verbrenner-Verbots durchsetzen können, teilte Rülke am Mittwoch mit. Außerdem monierte er, dass Union und SPD sich ein zusätzliches Ministerium gönnten. Damit werde die "Schuldenkoalition" ihrem Ruf gerecht.
Ein weiteres Thema des Anstoßes für Rülke: die Migrationspolitik der künftigen Bundesregierung. Bei der Migration ändere sich nichts. "Friedrich Merz hatte versprochen, Zurückweisungen illegaler Einreisender an den Grenzen am ersten Tag seiner Kanzlerschaft anzuordnen. Daraus wird nichts werden, denn es bleibt bei der SPD-Formulierung aus dem Sondierungspapier, das 'nur in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn' durchzuführen", so Rülke weiter. Die europäischen Nachbarn würden aber nicht zustimmen.
Verteilung von Ministerien steht fest
Union und SPD haben sich gut sechs Wochen nach der Bundestagswahl auch auf die Verteilung zentraler Ministerien geeinigt. Die Union wird in der künftigen Bundesregierung unter anderem das Außenministerium, das Innenministerium und das Wirtschaftsministerium stellen. Wie aus dem am Mittwoch veröffentlichten Koalitionsvertrag von Union und SPD weiter hervorgeht, soll die SPD das Finanzministerium und die Ressorts Arbeit und Verteidigung bekommen. Demnach gehen insgesamt sechs Fachministerien an die CDU, drei Ressorts an die CSU und sieben Ministerien an die SPD.
Kontrovers diskutiert: Migrationspolitik, Steuern und Rente
Hart gerungen wurde zwischen Union und SPD in den vergangenen Tagen noch um den Kurs in der Migrationspolitik sowie um Themen wie Steuern und Rente. Einzelne CDU-Vertreter hatten Merz davor gewarnt, durch Zugeständnisse an die SPD die im Wahlkampf versprochene "Politikwende" zu verhindern.
Nun haben sich Union und SPD unter anderem auf eine "Rückführungsoffensive" geeinigt. Die Zahl der Abschiebungen soll weiter gesteigert werden. Ein Ansatzpunkt: Herkunftländer sollen zur Rücknahme ihrer Staatsangehörigen bewegt werden. Dabei planen Union und SPD, dass künftig auch Politikfelder wie Visa-Vergabe, Entwicklungszusammenarbeit sowie Wirtschafts- und Handelsbeziehungen herhalten müssen.

Stärkung der angeschlagenen Wirtschaft und eine Verschärfung in der Migrationspolitik - das haben sich Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, den ihre Spitzen am Mittwoch in Berlin vorstellten.
Das Grundrecht auf Asyl bleibt laut SPD-Chef Lars Klingbeil unantastbar. Freiwillige Aufnahmeprogramme des Bundes sollen jedoch "soweit wie möglich" beendet werden, heißt es im Koalitionsvertrag. Auch wollen die drei Parteien die sogenannte Turbo-Einbürgerung der Ampel-Regierung nach bereits drei Jahren wieder abschaffen.
CDU, CSU und SPD kündigen Steuersenkungen an
Außerdem werde die neue Bundesregierung die Wirtschaft stärken, hieß es bei der Vorstellung des 146 Seiten langen Koalitionsvertrags. Dafür soll unter anderem die Körperschaftssteuer sinken und für energieintensive Unternehmen ein Industriestrompreis eingeführt werden. Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher sollen zusätzlich mit einer Senkung der Stromsteuer entlastet werden.
Union und SPD wollen die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen senken. Wie aus dem Koalitionsvertrag hervorgeht, soll das zur Mitte der Legislatur passieren, also in etwa zwei Jahren. Details nennen die Parteien allerdings nicht. Der umstrittene Solidaritätszuschlag soll aber fortbestehen. Einkommensstarke Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen müssen die Sonderabgabe zur Finanzierung der Wiedervereinigung also weiterhin zahlen.
Umstrittenes Heizungsgesetz soll abgeschafft werden
Zudem wollen Union und SPD das umstrittene Heizungsgesetz streichen. "Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen", heißt es im Koalitionsvertrag. Das neue Gebäudeenergiegesetz solle "technologieoffener, flexibler und einfacher" werden. Die erreichbare CO2-Vermeidung solle "zur zentralen Steuerungsgröße" werden.
CDU bei Bundestagswahl stärkste Kraft
Bei der Bundestagswahl am 23. Februar war die CDU mit 28,5 stärkste Kraft geworden. Um sich im Bundestag die Mehrheit zu sichern, ist sie auf einen Koalitionspartner angewiesen. Anfang März hatten sich CDU, CSU und SPD dann auf ein Sondierungspapier geeinigt. Kurz danach begannen die Koalitionsverhandlungen in unterschiedlichen Arbeitsgruppen, bei denen auch Politikerinnen und Politiker aus Baden-Württemberg beteiligt waren.
Koalitionsvereinbarung: Wie es nun weitergeht
Nun lässt die SPD noch ihre Mitglieder und die CDU einen kleinen Parteitag über den Koalitionsvertrag abstimmen. Bei der CSU entscheidet allein der Parteivorstand. Der neue Bundeskanzler soll dann in der Woche ab dem 5. Mai gewählt werden. Das kündigte der voraussichtlich nächste Amtsinhaber, CDU-Chef Friedrich Merz, an.
Sendung am Mi., 9.4.2025 12:00 Uhr, SWR1 Baden-Württemberg, SWR1 Baden-Württemberg