Baden-Württemberg Nach SC Freiburg-Rückzug von X – Warum es viele Clubs anders machen
Auf der Social Media-Plattform X (vormals Twitter) nehmen Hass und Hetze zu. Der SC Freiburg ist ausgestiegen. Wie reagieren die anderen Bundesligisten aus dem Südwesten?
"Hut ab vor der Entscheidung, die sicher nicht leichtgefallen ist." "Sehr, sehr guter Move" oder "So mutig. Dank!" So kommentieren Follower wohlwollend den Abschieds-Post des SC Freiburg vom 26. November auf der Plattform X. Es gibt aber auch zahlreiche User, die mit der Entscheidung des Vereins überhaupt nicht einverstanden sind. "Ihr solltet eigentlich Fußball spielen und nicht Ideologien verbreiten. Ich war 40 Jahre dabei, aber jetzt ist fertig." "Weglaufen ist einfach, behebt aber kein Problem." "Und tschüss. Viel Spaß im rotgrünen Safe Space Bluesky."
Social-Media-Beitrag auf Twitter: SC Freiburg verabschiedet sich von X
Es gibt auch einige beleidigende Kommentare: "Drecksverein", "woker Scheißverein" oder "Scheiß auf die Regenbogenrüben". Offensichtlich sind es solche Äußerungen und eine generell zunehmend aggressive Atmosphäre auf X, die nicht nur den SC Freiburg, sondern auch die Bundesligisten Werder Bremen und den FC St. Pauli veranlasst haben, dieser Social-Media-Plattform den Rücken zu kehren.
Seit der Übernahme des US-Milliardärs Elon Musk 2022 und der Umbenennung von Twitter zu X hat sich dort einiges verändert. Musk wird vor allem vorgeworfen, zu wenig gegen Antisemitismus, Rassismus und Hetze zu tun.
Wie reagieren Mainz und Hoffenheim?
Daher sehen die meisten deutschen Fußball-Proficlubs die Entwicklungen auf der Plattform kritisch. Auch der FSV Mainz 05 nimmt auf X verstärkt Inhalte wahr, "die Hate Speech, Hass gegen Minderheiten oder Verschwörungstheorien" beinhalten. Dennoch wollen die Rheinhessen, die seit 2009 auf Twitter/X aktiv sind und sich dort 210.000 Follower und eine feste Community aufgebaut haben, die Plattform vorerst weiterhin bespielen. Schließlich ist X der einzige Kanal in der internationalen Kommunikation des Clubs. Es gibt Kanäle auf Englisch, Japanisch und Koreanisch. Zudem wolle man bewusst nicht weichen und den Raum und die Community anderen überlassen. Die Entscheidung werde aber "fortlaufend überprüft".
Die TSG Hoffenheim hat sich auf Twitter/X eine große Community von ca. 215.000 Followern erarbeitet. Der Verein teilt dem SWR auf Anfrage mit, X biete aktuell wie keine andere Plattform "die Möglichkeit, auf kreative Art und Weise (…) mit Tweets (…) eine gewisse und gewünschte Viralität zu erzeugen." Natürlich registriere man die zunehmenden Hasskommentare, rassistischen oder homophoben Beleidigungen, die der Verein nicht toleriere. In der eigenen Community konnte Hoffenheim bis auf wenige Ausnahmen aber "keinesfalls beleidigende oder strafrechtlich relevante Tweets" feststellen. Hoffenheim will die aktuellen Entwicklungen rund um die Plattform weiterhin "sehr kritisch" beobachten.
VfB Stuttgart bleibt: "Werte aktiv und mit Überzeugung vertreten"
Der VfB Stuttgart, dem aktuell 556.000 Menschen auf X folgen, betrachtet die Veränderung auf der Plattform ebenfalls mit großer Sorge. Gerade der politische Diskurs in seiner Breite sei auf X immer mehr gefährdet. Trotzdem will der Bundesligist aktuell auf der Plattform aktiv bleiben, "auch um dort neben unseren Themen genauso unsere Werte aktiv und mit Überzeugung zu vertreten".
Der 1. FC Heidenheim reiht sich in die Liste der kritischen Vereine ein und wünscht sich auf X "eine verstärkte Regulierung bei Fake News' und Hasskommentaren". Einen Ausstieg bei der Plattform behält sich der Ostalb-Club mit seinen aktuell 42.500 Followern vor. "Sollte sich der (…) Trend weiter verfestigen, ist es durchaus möglich, dass wir dort perspektivisch keine Präsenz mehr haben werden."
Kommunikation mit Fans als wichtiger Wirtschaftsfaktor
Ein Verlassen der Plattform X will aus wirtschaftlichen Gründen gut überlegt sein. Gegen einen Ausstieg spricht die Reichweite beim Austausch mit den Fans, was auch großen Einfluss auf Marketingerlöse hat. Die Kommunikation über die Plattform ist unbestritten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor - vor allem für Großclubs wie den FC Bayern München mit aktuell sieben Millionen X-Followern nur auf dem deutschsprachigen Kanal.
"Es ist für die Global Player sicher eine größere Hürde, dieses Netzwerk, das man sich über die Jahre aufgebaut hat, zu verlassen“, sagt Daniel Nölleke. Der Professor vom Institut für Kommunikations- und Medienforschung an der Sporthochschule Köln meint: "Das soziale Gewissen, das ja als zentraler Grund für den Ausstieg angeführt wird, muss man sich leisten können und wollen."
Stärkung der Marke kontra Reichweite?
Der SC Freiburg leistet sich diesen Ausstieg. Die Haltung der Südbadener gegenüber X ist klar: "Werte wie Vielfalt und Toleranz, für die der Verein mit seiner Satzung steht, werden dort mit Füßen getreten." Der Verzicht auf X-Aktivitäten und der offensive Umgang damit könne "auch zur Stärkung der eigenen Marke beitragen", sagte Medienforscher Nölleke: "Ich bin sicher, dass diese bewusste Reflexion noch bei anderen Vereinen zu der Erkenntnis führen wird, dass auf X mehr zu verlieren denn zu gewinnen ist."
Ist Bluesky eine echte Alternative?
Der SC Freiburg veröffentlicht nun auf der Konkurrenz-Plattform BlueSky tagesaktuelle Inhalte rund ums Vereinsleben. Beim Blick auf die Zahlen dürfte es beim Club allerdings auch ein weinendes Auge geben. Nachdem man auf X eine Community mit über 300.000 Followern verlassen hat, verlieren sich zehn Tage nach dem Wechsel zu BlueSky lediglich 3.200 Follower (Stand: 07.12.2024) auf der neuen Plattform.
Sollte der Wechsel von X zu BlueSky mittelfristig mit einem erheblichen Verlust an Community-Mitgliedern einhergehen, könnte beim Sport-Club womöglich ein nochmals ein Prozess des Nachdenkens einsetzen. Schließlich endet die Pressemitteilung des SC Freiburg zum X-Ausstieg mit diesem Satz: "Wie unsere Präsenz auf dieser für uns neuen Plattform (BlueSky, d.R.) angenommen wird, gilt es in den nächsten Wochen und Monaten zu beobachten und zu bewerten."
Vielleicht ist die Tür bei X doch noch nicht zugeschlagen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kehrte kürzlich auch auf diese Plattform zurück – nach fast fünfjähriger Pause.