
Baden-Württemberg Meinung: Bundesregierung riskiert bei Asylpolitik Missachtung der Menschenrechte
Die Bundesregierung will für schnellere Asylverfahren sorgen. Dabei wird die Rechtsstaatlichkeit ignoriert, meint Susanne Babila aus der SWR-Redaktion Welt und Religion.
In Tunesien können Touristen vielleicht gut Urlaub machen und die Sonne genießen. Aber für Oppositionelle, Aktivistinnen, queere Menschen oder Geflüchtete ist Tunesien ein Land, in dem sie Angst vor Gefängnis, Folter und Misshandlung haben müssen. So der aktuelle Länderbericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
Migrationspolitik: Dobrindt will aufs Tempo drücken
Trotzdem will die Bundesregierung Tunesien zum sicheren Herkunftsstaat erklären. Das gilt auch für die Länder Algerien, Marokko und Indien. Diesen Gesetzesentwurf beschloss am Mittwoch das Bundeskabinett. Auch wenn er noch durch Bundestag und Bundesrat muss - so will Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) Asylverfahren schneller und Abschiebungen leichter machen.
Künftig sollen sichere Herkunftsstaaten qua Rechtsverordnung und ohne die Zustimmung der Länder bestimmt werden. Auch das sieht der Entwurf vor. Dobrindt will keine Widerstände mehr - und weiter aufs Tempo drücken - in Sachen Migrationspolitik. Aber ist das so? Und worüber sprechen wir hier eigentlich?
327 Tunesier und Tunesierinnen haben in diesem Jahr in Deutschland bis Ende April einen Antrag auf Asyl gestellt haben. Und auch Erstanträge aus Algerien, Indien oder Marokko liegen nur im dreistelligen Bereich. Abgesehen davon geht die Zahl der Erstanträge, insgesamt etwa 45.000 in diesem Jahr - im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent zurück. Warum dann bitte dieser asylpolitische Aktionismus?
Die Bundesregierung will Handlungsfähigkeit suggerieren und riskiert dabei die Missachtung von Menschenrechten. Und nicht nur das: Sheriff Dobrindt, wie ihn der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn nennt, ignoriert auch die Rechtsstaatlichkeit, wie das Verwaltungsgericht in Berlin feststellte. Es erklärte die Zurückweisung von Flüchtlingen an deutschen Grenzen diese Woche als rechtswidrig. Denn Deutschland hat sich als EU-Mitgliedsstaat an Europarecht zu halten.
Kampf für "Grundpfeiler der Demokratie"
Die Dublin-Verordnung zeigt klare rechtliche Regeln auf, welcher Mitgliedsstaat die Verantwortung für die nach Europa geflüchteten Menschen trägt, ob und wann Flüchtlinge in ein anderes europäisches Land abgeschoben werden können. An diese Verfahren muss sich auch Deutschland halten.
Man kann Geflüchtete nicht einfach in einen Transporter packen und wieder über die Grenze fahren. Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte sind Grundpfeiler für eine funktionierende Demokratie. Sie sollten wir auf keinen Fall aufgeben. Ganz im Gegenteil - dafür müssen wir mehr denn je kämpfen. Für uns alle.