Baden-Württemberg Kreise und Land streiten über Geld für Flüchtlinge - Kommunen "am Limit"
Die Kommunen ächzen schon lange unter der finanziellen Belastung durch Flüchtlinge. In Bruchsal diskutieren die Landrätinnen und Landräte und formulieren ihre Forderungen.
"Die Landkreise stehen wie die Städte und Gemeinden vor dem finanziellen Abgrund", sagte Landkreistags-Präsident Joachim Walter (CDU) am Montagmorgen bei der 42. Landkreisversammlung in Bruchsal (Kreis Karlsruhe). Auch wenn das Land mit dem Soforthilfepaket 2024 den Landkreisen besonders im Bereich Krankenhäuser substanziell unter die Arme gegriffen habe, ersetze das beispielsweise nicht eine Verständigung zwischen Land und Kommunen für den Doppelhaushalt 2025/2026.
Landkreistag: Finanzielle Verantwortung wird auf Kommunen abgewälzt
Besonders betonte Walter die Kosten, die für Geflüchtete anfallen. Er sei enttäuscht, dass man in Hinblick auf diese Kosten bislang noch keine über das Jahr 2024 hinausgehende Verständigung erzielt habe. Die finanzielle Verantwortung wird laut Walter auf die Kommunen abgewälzt. Ohne ausreichende finanzielle Hilfe vom Land beim Thema Flüchtlinge drohe in den Gemeinderäten und Kreistagen ein Erstarken rechter Kräfte.
Der Landkreistags-Präsident forderte: Das Land solle sich seiner staatspolitischen Verantwortung stellen und rasch wieder mit den Kommunen verhandeln, "damit wir zu vernünftigen Lösungen gelangen und nicht noch Feuer an die Lunte legen", so Walter.
Kretschmann gibt zu: "Ja, wir sind am Limit."
Neben den Landrätinnen und Landräten sind auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Justiz- und Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) anwesend. Kretschmann sieht Fortschritte in der Diskussion darum, wie man die Zahl der ankommenden Flüchtlinge in Deutschland senken kann. Bund und Länder hätten dazu schon Maßnahmen beschlossen. Trotzdem räumte der Regierungschef mit Blick auf die Kommunen ein: "Ja, wir sind am Limit."
Kretschmann hatte sich bereits zuvor für eine Verbesserung der Abschiebemöglichkeiten von Straftätern eingesetzt. Diese seien vom Bund auch verbessert worden. Ausreisepflichtigen Menschen würden Leistungen gekürzt und die deutschen Grenzen kontrolliert. Mit Blick auf das Land nannte er etwa die Einführung einer Bezahlkarte sowie ein Migrations- und Sicherheitspaket als Beispiele des Fortschritts.
Ja, wir sind am Limit. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Grüne
Kretschmann machte klar: Es gehe um die Begrenzung der irregulären Einwanderung und um Sicherheit. Andererseits werde Migration auf dem Arbeitsmarkt auch gebraucht, da sonst der Arbeitsmarkt kollabieren würde. Hier solle die neue Landesagentur für die Zuwanderung von Fachkräften helfen. Sie werde beispielsweise beschleunigte Fachkräfteverfahren durchführen.
Schon zuvor hatte der Deutsche Landkreistag eine umfassende Wende in der Migrationspolitik gefordert. Besonders bei der Erstattung der Kosten für Geflüchtete liegen die Positionen der Landkreise und des Landes weit auseinander.
Kritik der Landkreise in BW: Krankenhausreform hilft AfD
Auch die vergangenen Donnerstag vom Bundestag beschlossene Krankenhausreform wurde bei der Landkreisversammlung diskutiert. Die Landkreise kritisieren, dass die Krankenhausreform die strukturelle Unterfinanzierung der Kliniken nicht behebe und laut Landkreistag-Präsident Walter zu einer massiven Verschlechterung der Patientinnen- und Patientenversorgung speziell in Baden-Württemberg führen wird, wenn der Bundesrat das nicht verhindert.
Mit der Krankenhausreform und dem Wegfall Hunderter Kliniken spielt die Bundesregierung aus Sicht des neuen Präsidenten des Deutschen Landkreistages, Achim Brötel (CDU), extremen Kräften in die Karten: "Das ist genau das Konjunkturprogramm der AfD, das da läuft". Es gehe um ein sehr emotionales Thema und die Daseinsvorsorge.
Zur Krankenhausreform fand auch Ministerpräsident Kretschmann deutliche Worte: Es scheine immer noch so, dass der Bund die in Baden-Württemberg umgesetzten Strukturanpassungen nicht honorieren wolle, kritisierte er. Das Land solle von einer neuen Vorhaltevergütung weniger erhalten als dem Bevölkerungsanteil entspreche. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und sollen jetzt quasi dafür bestraft werden. Das kann ja wohl nicht sein." Er forderte eine wirksame Entlastung für die Krankenhäuser.
Bürokratieabbau: Entlastung könnte Anfang Dezember kommen
Das dritte wichtige Thema bei der Zusammenkunft von Land und Landkreisen war das Projekt Bürokratieabbau. Laut Walter müssen endlich Fortschritte beim Aufgabenabbau und der Deregulierung erzielt werden. Der CDU-Politiker zeigte sich dankbar, dass der Versuch unternommen werde bis Anfang Dezember ein substanzielles Entlastungspaket zu schnüren.
Das dann dritte Entlastungspaket werde zeigen, ob die Entlastungsallianz, also das für Bürokratieabbau zuständige Gremium, wirklich spürbare Auswirkungen erzielen konnte.