Baden-Württemberg Rheinland-Pfalz Warnstreik der IG Metall: Tausende Beschäftigte in BW legen Arbeit nieder
Die Gewerkschaft IG Metall hat die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg zum Warnstreik aufgerufen. Heute betroffen: Daimler Truck und Daimler Buses.
In der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg hat es mit Ablauf der Friedenspflicht am Dienstag erste Warnstreiks gegeben. Nach Angaben der IG Metall nahmen bis zum Nachmittag landesweit knapp 16.300 Beschäftigte an den Warnstreiks teil.
IG-Metall: "Gelungener Warnstreikauftakt"
"Das war ein gelungener Warnstreikauftakt, der den Arbeitgebern zeigt, dass die Beschäftigten es ernst meinen und sie den Unmut der Beschäftigten spüren lässt", sagte IG-Metall-Bezirksleiterin Barbara Resch laut Mitteilung. Die Arbeitgeberseite rief Resch dazu auf, bei der nächsten Verhandlung "mit mehr als nur dem alten Angebot an den Verhandlungstisch zu kommen". Es brauche jetzt eine gute und schnelle Lösung.
Losgegangen war es mit den Warnstreiks bereits mitten in der Nacht: Gegen 2 Uhr hatten beim Stuttgarter Autobauer Porsche rund 500 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Nachtschicht die Arbeit niedergelegt und sich an einer Aktion mit Fackeln vor dem Werkstor beteiligt. Weitere 4.000 Beschäftigte nahmen laut IG Metall während der Frühschicht am Warnstreik teil.
Mitarbeiter von Porsche nehmen vor dem Porsche-Werk in Stuttgart-Zuffenhausen mit Fackeln und Fahnen an einem Warnstreik teil.
Warnstreiks auch bei Bosch, Daimler Buses, Kolbenschmidt und ZF
Auch bei Bosch in Reutlingen und Kusterdingen (Kreis Tübingen) legten laut IG Metall etwa 300 Beschäftigte nachts gegen halb drei die Arbeit nieder - gut drei Stunden vor dem eigentlichen Schichtende. Viele hätten auch an einer nächtlichen Kundgebung vor dem Reutlinger Werk teilgenommen. Am Vormittag um 11 Uhr kamen rund 200 Menschen zu einer Kundgebung vor dem Werksgelände in Reutlingen zusammen. Sie trommelten auf leeren Fässern und zündeten Pyrotechnik, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Insgesamt beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaft rund 1.300 Beschäftigte von Bosch am Warnstreik.
Bei der Kundgebung der IG Metall bei Bosch in Reutlingen wurde auch Pyrotechnik gezündet.
Laut IG Metall nahmen außerdem in Neu-Ulm rund 2.500 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Daimler Buses am landesweiten Warnstreik teil. In allen Werken und in allen Schichten wurde die Arbeitszeit nach Angaben der Gewerkschaft um zwei Stunden verkürzt. Begonnen hat die Arbeitsniederlegung bereits um 4:30 Uhr mit den Beschäftigten der Teilefertigung. Gegen 11 Uhr kamen rund 50 Menschen zu einer Kundgebung der Gewerkschaft vor dem Werk des Ersatzteilgeschäfts und der Verwaltung in Neu-Ulm zusammen, sie hatten die Frühschicht vorzeitig beendet.
Rund 50 Beschäftigte von Daimler Buses nahmen am Dienstagvormittag an einer Kundgebung der Gewerkschaft IG Metall vor dem Werk in Neu-Ulm teil.
Beschäftigte sorgen sich um die Zukunft
"Man muss ein Zeichen setzen, vor allem wenn man VW anschaut, dass es in die Richtung nicht weiter gehen soll", sagte ein Beschäftigter dem SWR. "Mein Sohn arbeitet auch hier, und von daher mache ich mir auch Sorgen, wie es um seine Zukunft steht," sagte ein anderer. Michael Braun von der IG Metall Ulm will die Warnstreiks weiter verschärfen, sollte es keine Einigung geben. "Wir sind noch weit auseinander was die Laufzeit angeht, aber auch was das Angebot im materiellen Sinne angeht."
Auch in anderen Branchen legten die Beschäftigten die Arbeit am Dienstag nieder: Etwa am Mittag bei dem Bad- und Küchenarmaturenhersteller Grohe in Lahr (Ortenaukreis).
Gewerkschaften fordern sieben Prozent mehr Geld
Rund fünf Minuten nach Ablauf der Friedenspflicht haben auch die
Nachtschichten von Kolbenschmidt und KS Huayu AluTech aus Neckarsulm (Kreis Heilbronn) die Arbeit niedergelegt. Zirka 200 Beschäftigte beteiligten sich an dem Warnstreik, so die IG Metall.
Gestreikt wurde seit Dienstagvormittag auch in Friedrichshafen. An den Arbeitsniederlegungen bei ZF, Liebherr und Zeppelin beteiligten sich nach Angaben der IG Metall rund 3.300 Beschäftigte.
Der SWR hat vor Ort mit Mitarbeitern von ZF gesprochen. Das sagen sie über den Warnstreik und die Tarifverhandlungen:
Gewerkschaft und Arbeitgeber in Tarifverhandlungen noch weit auseinander
Die Positionen der Tarifpartner liegen nach zwei Verhandlungsrunden weit auseinander: Die IG Metall fordert für bundesweit zusammen rund 3,9 Millionen Beschäftigte sieben Prozent mehr Geld innerhalb eines Jahres.
Die Arbeitgeber haben 3,6 Prozent in einem Zeitraum von 27 Monaten angeboten. Dabei soll eine erste Erhöhung von 1,7 Prozent im Juli 2025 kommen.
Südwestmetall kritisiert Arbeitsniederlegung
Der Metall-Arbeitgeberverband Südwestmetall hat die Warnstreiks scharf kritisiert. Sie seien angesichts der angespannten konjunkturellen Lage verantwortungslos. Übermorgen gehen die Metall-Tarifverhandlungen für die rund eine Million Beschäftigten der Branche in Baden-Württemberg in die dritte Runde.
Die baden-württembergische Chefin der IG Metall, Barbara Resch, forderte die Arbeitgeberseite auf, bei der nächsten Runde der Tarifverhandlungen am Donnerstag in Böblingen ein verbessertes Angebot vorzulegen. Solange das nicht passiere, werde man weiter mit Warnstreiks Druck machen. Die Forderungen seien aus ihrer Sicht leistbar. Der Auftakt der Warnstreiks sei gelungen und zeige, "dass es die Beschäftigten ernst meinen", so Resch gegenüber dem SWR. Das Angebot, das jetzt auf dem Tisch liege, sei "nicht mal der Inflationsausgleich". Mit der Tarifforderung würde außerdem für mehr Nachfrage gesorgt und so Schwung in die Konjunktur gebracht.
In der Vergangenheit waren ebenfalls Beschäftigte beim Autokonzern Porsche, aber auch bei Mercedes-Benz und bei großen Zulieferern wie Mahle oder Bosch zu kurzfristigen Arbeitsniederlegungen aufgerufen.
So hat "Zur Sache Baden-Württemberg" Mitte Oktober über die Krise in der Autobranche berichtet:
Arbeitgeber: "Unrealistische Erwartungshaltungen" im Tarifkonflikt
Die Unternehmen verweisen auf schwache Produktionswerte und fehlende Aufträge. Laut Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführers Oliver Zander schürt die IG Metall unrealistische Erwartungshaltungen, anstatt ihren Mitgliedern die schlechte Lage zu vermitteln. Zander meint, die Metall- und Elektro-Industrie befinde sich im freien Fall. Weder in diesem noch im nächsten Jahr sei eine Trendwende abzusehen.
Nach Angaben aus Gewerkschaftskreisen wird erwartet, dass es frühestens Mitte November zu einem Tarifabschluss in Deutschlands Schlüsselbranche kommt. Dass der Durchbruch in Baden-Württemberg erzielt wird, gilt eher als unwahrscheinlich. Als aussichtsreiche IG Metall Tarifbezirke gelten Bayern oder Küste für einen ersten Abschluss.
Sendung am Di., 29.10.2024 6:00 Uhr, SWR1 Nachrichten