Eine Frau läuft zu ihrer Unterkunft. (Symboldbild vom 22.11.2023)

Baden-Württemberg Geflüchtete in Stuttgart: Mehrheit stimmt für mögliche LEA

Stand: 06.12.2024 10:33 Uhr

Am Donnerstag hat eine knappe Mehrheit im Gemeinderat für eine Landeserstaufnahmeeinrichtung in Stuttgart abgestimmt. OB Nopper hält Stuttgart nicht für einen geeigneten Standort.

Der Stuttgarter Gemeinderat hat sich am Donnerstagabend mehrheitlich für eine mögliche Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) für Geflüchtete in der Landeshauptstadt ausgesprochen. 31 Mitglieder des Gemeinderats stimmten dafür, 29 dagegen. Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) positionierte sich gegen diese Entscheidung.

Hitzige Debatte zwischen den Fraktionen

Für die Ansiedlung einer LEA in Stuttgart sprachen sich Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Volt, Die Linke und SÖS, PULS und Tierschutzpartei aus. Dagegen stellten sich die Fraktionen von CDU, AfD, Freien Wählern und FDP. Die Befürworter erhoffen sich von einer LEA eine Entlastung der Kommune - denn durch das sogenannte LEA-Privilieg sollen Kommunen, die eine LEA haben, wiederum weniger Geflüchtete für die weitere Unterbringung nach der Erstaufnahme zugewiesen werden.

In der Begründung des Antrags für eine LEA in Stuttgart heißt es außerdem: "Die Aufnahme von Geflüchteten ist eine vom Bund auf die Länder übertragene Pflichtaufgabe und Ausdruck humanitärer Verpflichtung."

Die Gegner fürchten durch eine LEA in Stuttgart hingegen um die Sicherheit in der Stadt und warnen vor sozialen Spannungen.

Die Bürgerinnen und Bürger, die die Sitzung besuchten, zeigten sich mehrheitlich gegen eine LEA in Stuttgart und unterstützten die Argumente von FDP und CDU mit Applaus. Eine Besucherin kritisierte, dass die Bürgerschaft nicht ernst genommen werde: "Mit uns redet keiner, obwohl wir große Bedenken bei einer LEA hier haben."

Entscheidung des Gemeinderats hat rechtlich keine Auswirkung

Letztlich entscheidet über die Standorte einer LEA nicht die Kommune, sondern das Land. Der Gemeinderat sendet lediglich ein politisches Signal, wie er dazu steht und ob die Stadt das Land dann etwa bei der Umsetzung unterstützen würde. Da die Mehrheit im Gemeinderat die Entstehung einer LEA in Stuttgart befürwortet, verpflichtet sich der Oberbürgermeister, dem Land beziehungsweise dem Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg bei den Plänen zur Seite zu stehen.

Was ist eine Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA)
Die Landeserstaufnahmeeinrichtungen, kurz LEAs, sind die Orte, in denen Geflüchtete und Asylbewerberinnen und -bewerber die ersten Verfahrensschritte ihres Migrationsprozesses in Deutschland durchlaufen. Dazu gehört die Aufnahme, Registrierung, Gesundheits- und Röntgenuntersuchung, erkennungsdienstliche Behandlung, Asylantragsannahme und die Anhörung in den erforderlichen ausländerrechtlichen Verfahren. Die Verfahren, und damit die Aufenthalte für Asylbewerberinnen und Bewerber können bis zu 18 Monate dauern. Erste Schritte in der LEA Bei der Ankunft in einer LEA bekommen die Asylbewerberinnen und -bewerber einen "Übernachtungsausweis". Damit erhalten sie einen Schlafplatz, Verpflegung sowie eventuell notwendige medizinische Versorgung und bei Bedarf Kleidung. In der folgenden Registrierung wird anhand des sogenannten Königsteiner Schlüssels, der Geflüchtete gerecht auf verschiedene Bundesländer verteilen soll, festgestellt, ob jemand in Baden-Württemberg bleiben kann oder in ein anderes Bundesland weiterreisen muss. Wer ist für die Landeserstaufnahmeeinrichtungen zuständig? Die Erstaufnahmeeinrichtungen werden grundsätzlich von den jeweils zuständigen Regierungspräsidien betrieben. Die Regierungspräsidien sind dabei die Schaltstellen zwischen den Landesregierungen und den Kommunen. Um die Verpflegung, Sicherheit und medizinische Versorgung der Bewohnenden sicherzustellen, sind hier aber auch private Dienstleister im Einsatz.

OB Nopper ist gegen eine LEA in Stuttgart

Oberbürgermeister Nopper betonte, dass er trotz der politischen Resolution gegen eine LEA in Stuttgart sei. Er sei bereit für eine "konstruktiv-kritische Zusammenarbeit" mit dem Land und werde im Rahmen seiner Möglichkeiten alles dafür tun, um eine für die Stadt und ihre Einwohnerschaft möglichst verträgliche Lösung zu finden.

Laut Nopper ist die Landeshauptstadt nicht für eine LEA geeignet, da von Stuttgart ohnehin schon eine "starke Sog- und Magnetwirkung" auf Geflüchtete aus ganz Baden-Württemberg ausgehe. Dies zeige sich mittlerweile vor allem an den Wochenenden und abends in der Stuttgarter Innenstadt. Eine LEA würde diesen Effekt nur verstärken, so der Oberbürgermeister. Stuttgart habe ohnehin schon viele Flüchtlingsunterkünfte.

Könnte "Holiday Inn" in Weilimdorf zu LEA werden?

Zuletzt hat das Regierungspräsidium Stuttgart in der Landeshauptstadt fünf potentielle Standorte für eine Landeserstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete ins Auge gefasst. Dann kam ein weiterer hinzu: Der Eigentümer des Business-Hotels "Holiday Inn" in Stuttgart-Weilimdorf bot das Gebäude dem Land an.

Das Hotel liegt direkt neben dem Bürokomplex in Weilimdorf, der bereits als LEA-Standort in Prüfung ist. Allein in dem Bürokomplex könnten nach Angaben des Landesmigrationsministeriums rund 1.300 Menschen untergebracht werden. Laut der Website des "Holiday Inn" stehen im Hotelbetrieb derzeit 320 Zimmer sowie 17 Konferenzräume für 10 bis 240 Personen zur Verfügung.

Prüfung des "Holiday Inn" ist noch ganz am Anfang

Für den Bürokomplex in Weilimdorf hat das Regierungspräsidium im August die Bauvoranfrage eingereicht. Damit wird vor einem Bauantrag geprüft, ob die Vorhaben überhaupt mit dem Baurecht vereinbar sind.

Das Hotel daneben ist noch nicht so lange im Gespräch. Erst seit vergangenen Freitag liegen nach Angaben des Regierungspräsidiums die Gebäudepläne des Hotels vor. Eingehend geprüft habe man sie bisher noch nicht. Ein Besichtigungstermin sei derzeit in Abstimmung mit dem Eigentümer.

Vier weitere potentielle LEA-Standorte in Stuttgart

Im Status der Bauvoranfrage befindet sich auch eine Fläche mit Büro- und Lagergebäuden in Stuttgart-Obertürkheim in der Augsburgerstraße. Hier könnten laut Landesmigrationsministerium rund 600 Personen untergebracht werden.

Weniger weit ist die Prüfung bei den potentiellen Standorten in Stuttgart-Bad Cannstatt in der Neckartalstraße, in Stuttgart-Süd in der Böblinger Straße und dem sogenannten Eiermann-Campus in Stuttgart-Vaihingen. Hier gibt es noch keine festen Kapazitätsschätzungen und keine Bauvoranfragen.

Kommunen mit LEA sollen entlastet werden

Die Verwaltungs- und Unterbringungskosten einer LEA trägt das Land, nicht die Kommune. Zudem sollen Kommunen, die eine LEA haben, weniger Geflüchtete für die weitere Unterbringung nach der Erstaufnahme zugewiesen werden. Die Stadt Stuttgart bezweifelt aber, dass das sogenannte LEA-Privileg sie ausreichend entlasten würde. Es sei so konzipiert, dass sich Entlastungen erst mittel- bis langfristig zeigen würden. Das Migrationsgeschehen sei aber nicht verlässlich prognostizierbar.

Momentan ist die Landeshauptstadt nach eigenen Angaben verpflichtet, pro Monat 100 neue Geflüchtete kommunal unterzubringen. Neue Plätze dafür zu schaffen, stoße oft auf Widerstand aus der Bevölkerung. Das zeigte sich zuletzt etwa beim nicht mehr genutzten Bolzplatz in Neuwirtshaus in Stuttgart-Zuffenhausen, beim ehemaligen Seniorenheim in Schönberg in Stuttgart-Birkach auf den Fildern oder beim Parkplatz am Höhenfreibad Killesberg.

Sendung am Fr., 6.12.2024 6:00 Uhr, SWR4 BW am Morgen, SWR4 Baden-Württemberg

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