Baden-Württemberg Ein Monat nach dem Unfall am Olgaeck: Fahrer zahlte Unterstützung an Opfer
Am Freitag wird die beim Unfall getötete 46-Jährige beigesetzt. Der Mann, der in Stuttgart in eine Gruppe Passanten gefahren ist, hat nach SWR-Informationen Opfern und Angehörigen Geldhilfen gezahlt.
- Was ist bei dem Unfall am Olgaeck passiert?
- Wer kam bei dem Unfall zu Schaden?
- Warum ist der Mann in die Fußgängergruppe gefahren?
- Was ist zu dem Fahrer bekannt?
- Wie hat der Fahrer sich gegenüber den Opfern verhalten?
- Welche Reaktionen gab es auf den Unfall am Olgaeck?
- Warum ist das Olgaeck ein Unfallschwerpunkt in Stuttgart?
- Will die Stadt das Olgaeck umgestalten?
- Warum hat sich das Verkehrsministerium eingeschaltet?
Was ist bei dem Unfall am Olgaeck passiert?
Am 2. Mai, einem Freitagabend gegen 17:50 Uhr, fährt in Stuttgart ein 42 Jahre alter Mann mit einem Geländewagen in einer Gruppe von Menschen. Dabei werden acht Menschen verletzt, drei davon schwer. Eine 46 Jahre alte Frau erliegt später im Krankenhaus ihren Verletzungen. Der Unfall ereignet sich am Olgaeck, einer Kreuzung nahe des zentralen Charlottenplatzes. Dort führt die B27 zweispurig hinauf nach Stuttgart-Degerloch und die Fildern. Zudem münden dort drei Seitenstraßen ein. Zwischen den Spuren der B27 beginnt an der Kreuzung die U-Bahn-Haltestelle "Olgaeck".
Wie sich der Unfall genau abspielte, dazu äußert sich auch Wochen später die Polizei noch nicht im Detail. Der Fahrer soll vom Charlottenplatz her gekommen sein - im ersten Moment noch war man von einer Seitenstraße ausgegangen. Er fuhr über die Kreuzung und steuerte in den Fußgängerbereich einer Ampel, von wo aus es die Treppe hoch zur Stadtbahn-Haltestelle geht. Das Auto kam teils auf der Straße, teils auf dem Fußgängerbereich zum Stehen. Ein Metallgerüst zur Fußgänger-Führung über die Gleise wurde dabei umgebogen.
Wer kam bei dem Unfall zu Schaden?
Die 46 Jahre alte Frau wurde vor Ort noch reanimiert worden, sie verstarb allerdings wenig später im Krankenhaus. Zudem wurden fünf Kinder und zwei Erwachsene teils sehr schwer verletzt. Einen Tag nach dem Unfall erklärte ein Polizeisprecher gegenüber dem SWR, dass alle Verletzten außer Lebensgefahr seien. Wie es heute den Opfern geht, ist öffentlich nicht bekannt.

An der Unfallstätte am Olgaeck in Stuttgart liegen inzwischen immer Blumen und sind Kerzen aufgestellt.
Im Nachgang haben sich Freunde und Bekannte, die Schule der betroffenen Kinder sowie die Kirche um die Betreuung der Betroffenen und deren Umfeld bemüht. Aktuell laufen zwei Spendenkampagnen, um die Familie zu unterstützen - eine über die Evangelische Kirchengemeinde Markus-Haigst und eine über die Plattform Gofundme. Die Trauerfeier für die verstorbene 46-Jährige und die Beisetzung finden diesen Freitag in Stuttgart statt.
Warum ist der Mann in die Fußgängergruppe gefahren?
Auch einen Monat nach dem Unfall äußert sich die Polizei auf SWR-Anfrage nicht zu Details des Unfallhergangs. Sie verweist auf ermittlungstaktische Gründe, Zeugenaussagen beispielsweise sollen durch öffentliche Berichterstattung nicht verzerrt werden. So gibt es keine Aussagen der Polizei dazu, warum der 42-jährige Mann mit dem Auto von der Fahrbahn abgekommen ist. Unklar ist auch, ob er zu schnell gefahren ist, abgelenkt war und was die Ergebnisse einer Blutuntersuchung sind, die mittlerweile vorliegt.

Rettungskräfte in der Stuttgarter Innenstadt am Olgaeck, nachdem dort ein Auto in eine Personengruppe gefahren ist
Hintergrund ist, dass die Polizei auch einen Monat nach dem Unfall noch ermittelt. Erst wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, wird die Staatsanwaltschaft Stuttgart entscheiden, ob es zu einer Anklageerhebung kommt und wegen welchem Vergehen verhandelt werden soll. Die Polizei richtete am Tag nach dem Unfall ein Online-Hinweisportal ein. Auch Sachverständige wurden in die Ermittlungen einbezogen.
Was ist zu dem Fahrer bekannt?
Der 42-jährige Fahrer blieb selbst unverletzt. Im Auto des Mannes saß auch sein fünf Jahre altes Kind, auch dieses blieb unverletzt. Der Fahrer wurde zunächst noch vor Ort festgenommen, kam aber bald wieder auf freien Fuß. Die Polizei meldete schon kurz nach dem Vorfall, es gebe keine Hinweise auf eine vorsätzliche Gewalttat oder einen Anschlag. Die Polizei ging schon kurz nach dem Geschehen von einem "tragischen Verkehrsunfall" aus.
Der Fahrer drückte zwei Tage nach dem Unfall gegenüber den Opfern und Angehörigen sein Bedauern aus. "Mein Mandant ist erschüttert, fassungslos und tief betroffen von diesem entsetzlichen Unfall und seinen tragischen Folgen", erklärte sein Anwalt Ben M. Irle. Er sprach den Betroffenen und Angehörigen sein "aufrichtiges Mitgefühl" aus und wünscht den Verletzten eine schnelle und vollständige Genesung.
Wie hat der Fahrer sich gegenüber den Opfern verhalten?
Mittlerweile erklärte Irle gegenüber dem SWR, sein Mandant habe gegenüber den Opfern und Angehörigen nicht nur sein Bedauern ausgedrückt, sondern ihnen auch ein "Angebot zur Soforthilfe" unterbreitet. Dies sollte helfen, "um die betroffenen Familien direkt bei der Bewältigung der als Folge eines solchen Geschehens unweigerlich entstehenden wirtschaftlichen Herausforderungen zu unterstützen."
Dem Mandanten sei aber auch klar, dass dieses Hilfsangebot "natürlich den tragischen Unfall nicht ungeschehen machen und die Schmerzen der Betroffenen nicht lindern" kann. Die "angebotenen Soforthilfen" seien von allen Geschädigten und deren Angehörigen angenommen worden, sagt Irle. Zu den Größenordnungen wolle man "aus Rücksicht auf die Betroffenen" keine Angaben machen. Das Geld sollten mögliche Verdienstausfälle ausgleichen und Kosten für die medizinische Versorgung decken.
Irle äußerte sich darüber hinaus nicht zum Verfahrensstand und zu Unfalldetails. Auch zu möglichen Gesprächen von ihm und seinem Mandanten mit Polizei und Staatsanwaltschaft gab es keine Informationen. Der Anwalt verwies dabei auf das Interesse an einer "ungestörten und unbeeinflussten Ermittlungsarbeit".
Grundsätzlich kann sogenanntes "Nachtatverhalten" wie eine Geldzahlung bei der Strafzumessung in einem späteren Strafverfahren Berücksichtigung finden, erklärte die Staatsanwaltschaft Stuttgart auf Anfrage des SWR. Insbesondere das Bemühen des mutmaßlichen Täters, den Schaden wiedergutzumachen und einen Ausgleich mit dem Verletzen zu erreichen, kann ein Gericht nach Paragraph 46 Strafgesetzbuch zu Gunsten eines Beschuldigten auslegen.
Welche Reaktionen gab es auf den Unfall am Olgaeck?
Nach dem Unfall wurden zum Gedenken Blumen an der Unfallstelle abgelegt, es äußerten sich aber auch kritische Stimmen. Manche forderten gegenüber dem SWR und in den sozialen Medien ein Verbot von "Sport Utility Vehicles" (SUVs), zumindest in der Stadt. Andere forderten generell in der Stadt mehr Platz und Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer. Bei einer Gedenkfeier eine Woche nach dem Unfall kam auch die Forderung nach Tempo 30 in Stuttgart wieder auf. Etwa 250 Menschen demonstrierten für einen anderen Verkehr in der Landeshauptstadt.
Zudem kam wegen einer Verwechslung der Unternehmer Markus Schön aus Detmold in Nordrhein-Westfalen auf Social Media ins Visier empörter Nutzer. Die "Bild"-Zeitung hatte in einem Bericht dem Unfallverursacher einen fiktiven Namen gegeben. Die KI-Anwendung ChatGPT suggerierte dann, dass es sich beim Fahrer um den Unternehmer Schön handelte. Daraufhin bekam er Drohmails, zudem erlitt seine Firma finanzielle Einbußen.
Warum ist das Olgaeck ein Unfallschwerpunkt in Stuttgart?
Das Olgaeck, also die Kreuzung Charlottenstraße-Olgastraße, lag in der Verkehrsunfallstatistik des Polizeipräsidiums Stuttgart für 2024 auf Platz acht der Orte mit den meisten Unfällen. Demnach kam es im vergangenen Jahr an diesem Ort zu neun Unfällen, bei sechs davon wurden Personen verletzt. 2023 gab es sieben Unfälle. In dem Monat nach dem schweren Unfall Anfang Mai zählte die Polizei zwei weitere Unfälle - einmal touchierte ein Linienbus eine Ampel, der zweite war ein Auffahrunfall.
SWR-Reporterin Siri Warlich erklärt vor Ort, wo beim Verkehr am Olgaeck die Tücken sind:
Das Problem ist, dass zwischen Charlottenplatz und Olgaeck die Stadtbahn aus dem Unter- an den Obergrund kommt. Die Haltestelle "Olgaeck" liegt somit zwischen den zwei hangaufwärts führenden Spuren der B27 (Charlottenstraße) in Richtung Stuttgart-Degerloch und den zwei hangabwärts führenden Spuren Richtung Innenstadt. Zudem münden drei Straßen in die Bundesstraße ein. Wer zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist, dem bleiben an den Ampeln schmale Inseln, obwohl viele an dieser Stelle die Straße queren.
Will die Stadt das Olgaeck umgestalten?
Die Stadt wartet aktuell auf die Ergebnisse der Unfalluntersuchung durch die Polizei und technische Gutachten. Noch, so sagte ein Stadtsprecher dem SWR, sei ja noch unklar, warum das Auto von der Straße abkam und in die Menschengruppe steuerte. Gleichzeitig aber prüfe die Stadtverwaltung die derzeitige Situation am Olgaeck, auch mit Ortsterminen. Ziel sei es, so der Sprecher, "mögliche Handlungsfelder frühzeitig zu erkennen und die Sicherheit weiter zu stärken".

Das Deutschlandticket wird ab 2025 teurer. Die Geschäftsführung des Tarif- und Verkehrsverbundes Stuttgart (VVS) befürchtet, dass mehr als zehn Euro mehr im Monat viele Kundinnen und Kunden abschrecken könnten.
Die Situation sei allerdings "hochkomplex" am Olgaeck. "Hier gab es Unfälle mit den unterschiedlichsten Ursachen", sagt Ordnungsbürgermeister Clemens Maier (Freie Wähler). "Eine einzelne Maßnahme genügt nicht, um alle Gefahren zu bannen." Ein Gutachter soll deshalb im Auftrag der Stadt Verbesserungsvorschläge erarbeiten. Auch prüfe die Verwaltung an der Stelle Tempo 30. Dazu müssten aber auch die vielen Ampelanlagen an allen Kreuzungen zwischen Charlottenplatz und Alexanderstraße angepasst werden. Daran hänge auch die Taktung von Bus und Bahn.
Warum hat sich das Verkehrsministerium eingeschaltet?
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatte Mitte Mai in einem Brief an den Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) die Situation am Olgaeck thematisiert. Er regte einen Umbau des gefährlichen Verkehrsknotenpunktes an, die Situation sei "nicht länger tragbar". Das Olgaeck ist nur wenige Meter von Hermanns Ministerium im Dorotheen-Quartier entfernt. Er und seine Mitarbeiter kennen daher die Situation vor Ort.
Laut dem Brief hält der Verkehrsminister einen Umbau des Knotenpunktes für notwendig. "Ich gehe davon aus, dass ihre Verkehrsbehörde eine temporäre Lösung bis zu einem Umbau entwickelt", schrieb Hermann an die Landeshauptstadt in dem Brief, der dem SWR vorliegt. Dafür bot der Minister die Hilfe des Ministeriums und Regierungspräsidiums an. Zunächst solle ein Gutachten erstellt werden, um im Anschluss den Verkehrsknotenpunkt so zu verändern, dass er für alle Verkehrsteilnehmende sicherer werde. Die Stadt hat sich bislang noch nicht zu dem Schreiben geäußert.
Sendung am Do., 5.6.2025 11:00 Uhr, SWR4 am Vormittag, SWR4