Baden-Württemberg Balkonkraftwerke boomen in BW: Doppelt so viele Anlagen wie zu Jahresanfang
Mehr als 40.000 Balkonkraftwerke wurden in Baden-Württemberg dieses Jahr bisher in Betrieb genommen. Grund für den Boom sind unter anderem technische und bürokratische Vereinfachungen.
Seit April ist es für Bürgerinnen und Bürger bürokratisch und technisch einfacher geworden, ein Balkonkraftwerk zu installieren. Rund 40.500 Anlagen wurden seitdem in Baden-Württemberg in Betrieb genommen. Im selben Zeitraum 2023 waren es nur rund 22.500. Der Boom fällt bei den Balkonkraftwerken stärker aus als bei anderen Solaranlagen auf Dächern und Freiflächen. Am stärksten stieg die Zahl in allen Jahren in den Sommermonaten.
Mit einem Balkonkraftwerk, auch Steckersolargerät genannt, können Haushalte Strom für den eigenen Bedarf produzieren. Das Gerät besteht aus Solarmodulen, die Sonnenlicht in Strom umwandeln, und einem sogenannten Wechselrichter, der den Strom umwandelt, sodass er in das Stromnetz des Hauses fließen kann. Im Vergleich zu anderen Solaranlagen ist die Leistung begrenzt. Deshalb kann ein Balkonkraftwerk leichter angeschlossen und registriert werden.
Vereinfachungen bei Solaranlagen überzeugen Skeptiker
Anfang des Jahres waren in Baden-Württemberg rund 45.200 Balkonkraftwerke in Betrieb. Ende September lag die Zahl bei rund 91.500.
Andreas Schlumberger ist Geschäftsführer des Solar Clusters Baden-Württemberg, einem Interessenverband aus Wirtschaftsunternehmen, Stadtwerken und Forschungsinstituten. Er ist sich sicher, dass die technischen und bürokratischen Vereinfachungen seit April zu dem rasanten Anstieg beigetragen haben: "Viele Menschen, die bis dahin noch unsicher waren, greifen nun doch zu dieser Lösung."
Weniger Bürokratie, einfachere Technik
Wer sich ein Balkonkraftwerk zulegt, muss dieses seit April nicht mehr beim Netzbetreiber anmelden. Bei der Bundesnetzagentur müssen Nutzende nur eine Handvoll Daten angeben.
Mit dem Solarpaket 1 der Bundesregierung trat im Mai eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Kraft. Diese hat die Inbetriebnahme auch technisch einfacher und attraktiver gemacht. Verbraucher können übergangsweise ihre alten Stromzähler behalten, statt für das Balkonkraftwerk einen neuen digitalen Stromzähler einzubauen. Die Anlagen dürfen außerdem leistungsfähiger sein als bisher. Und in Zukunft soll die Einspeisung des Stroms über die herkömmliche Steckdose zur Norm werden.
Werbung und Medienaufmerksamkeit sorgen für Solar-Boom
Neben den technischen und bürokratischen Vereinfachungen gebe es noch weitere Gründe für den Boom, meint Andreas Schaumberger vom Solarenergie-Interessenverband. Anbieter hätten in den letzten Jahren vermehrt Werbung für Steckersolargeräte gemacht. Auch in den Medien hätten die Balkonanlagen mehr Aufmerksamkeit bekommen. Außerdem gebe es einen "Nachahmer-Effekt", wenn Nachbarn beispielsweise schon eine Anlage installiert haben. Und in einigen Städten seien Förderprogramme ein Anreiz.
Trotz Boom weniger Balkonkraftwerke in BW als anderswo
Im Vergleich zu anderen Bundesländern fällt auf: In Baden-Württemberg gibt es weniger Balkonkraftwerke (je Tausend Einwohner) als anderswo. Dabei ist Baden-Württemberg laut dem Deutschen Wetterdienst neben Bayern die sonnigste Region Deutschlands.
Regionale Unterschiede durch kommunale Förderprogramme
Unterschiede gibt es auch zwischen den Land- und Stadtkreisen. Während in Heidelberg rund 11 Balkonkraftwerke je Tausend Einwohner in Betrieb sind, sind es in Pforzheim nur rund 3. Laut Schlumberger könnte das an lokalen Förderprogrammen liegen, die erst nach und nach entstanden sind.
Solche gibt es beispielsweise in Heidelberg und in mehreren Städten und Gemeinden im Rhein-Neckar-Kreis. Es bleibt aber ein gemischtes Bild, denn auch in Stuttgart und Freiburg, wo vergleichsweise wenige Balkonkraftwerke betrieben werden, gibt es eine Förderung. Die Höhe der Zuschüsse wird von den Städten und Gemeinden festgelegt und liegt zwischen 50 und maximal 300 Euro.
Installation von Balkonkraftwerken wird für Mieter leichter
Dagmar Schneider ist Sprecherin der Energieagentur, die Kommunen in Rheinland-Pfalz bei ihren Plänen für Klimaschutz unterstützt. Sie vermutet, dass Menschen, die in ihren eigenen Häusern wohnen, eher ein Balkonkraftwerk installieren. In städtischen Regionen, in denen mehr Menschen zur Miete wohnen, gebe es deshalb weniger.
Auch das soll sich in Zukunft ändern. Durch eine kürzlich beschlossene Änderung im Wohneigentumsgesetz und im Mietrecht werden Balkonkraftwerke zur "privilegierten Maßnahme". Vermieter und Eigentümergemeinschaften können die Installation dann nur aus sehr gutem Grund ablehnen.
Balkonkraftwerke als Beitrag zur Energiewende?
Die kleinen Steckersolargeräte machen im Vergleich zu Anlagen auf Gebäuden und Freiflächen nur einen sehr geringen Anteil für die Solarleistung in Baden-Württemberg aus. Sie helfen also weniger dabei, die Ausbauziele der Landesregierung zu erreichen.
Laut Schlumberger, dem Geschäftsführer des Solar Clusters, lohnen sich Balkonkraftwerke aber für einzelne Verbraucher. Er verweist auf eine Rechnung des Photovoltaik-Netzwerks Baden-Württemberg. Demnach können Verbraucher rund 150 Euro Stromkosten pro Jahr sparen. Die Anschaffungskosten für ein Balkonkraftwerk könne man je nach Lage und Leistung des Geräts und je nach Strompreis innerhalb von drei bis acht Jahren wieder reinholen.
Das Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur enthält Daten zu Anlagen zur Strom- und Gaserzeugung. Die Betreiber der Anlagen sind verpflichtet, ihre Daten selbst einzutragen und aktuell zu halten. Die Netzbetreiber müssen die eingetragenen Daten zu den Anlagen und deren Betreibern prüfen. Trotzdem finden sich im Register teils fehlerhafte Angaben. Für die Analyse wurden die Daten bestmöglich bereinigt. Die Daten sollten nur zur Darstellung eines Trends, nicht für punktgenaue Angaben verwendet werden. Für die Registrierung eines Balkonkraftwerks gilt eine Frist von einem Monat. Die Zahl der Inbetriebnahmen im September könnte dadurch in der Realität noch höher sein.
Sendung am Sa., 19.10.2024 10:00 Uhr, SWR1 BW Nachrichten