Umfrage KZ-Gedenkstätten beklagen rechtsextreme Bedrohung
KZ-Gedenkstätten sorgen sich wegen zunehmender Fälle von Vandalismus, Schmierereien und feindseliger Äußerungen. Laut einer Umfrage werden fast wöchentlich Vorfälle zur Anzeige gebracht. Auch der Zentralrat der Juden zeigt sich besorgt.
Die großen KZ-Gedenkstätten in Deutschland sehen sich einer zunehmenden rechtsextremen Bedrohung ausgesetzt. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des "RedaktionsNetzwerks Deutschland" bei den Gedenkstätten Dachau, Buchenwald, Bergen-Belsen, Neuengamme und Sachsenhausen/Ravensbrück.
Es gebe derzeit bundesweit gehäuft Fälle von Vandalismus, Schmierereien und anderen Vorfällen an Gedenkstätten, sagte die Sprecherin der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen, Clara Mansfeld. Die Entwicklung sei besorgniserregend.
"Die Grundfeste ins Rutschen bringen"
Auch andere Institutionen berichteten von Vandalismus, Hakenkreuz-Schmierereien oder verstärkter Präsenz von Rechtsextremen. Vor zwei Jahren habe es solche Vorfälle etwa einmal im Monat gegeben, später alle 14 Tage - "nun sind von uns nahezu wöchentlich Taten zur Anzeige zu bringen", sagte der stellvertretende Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Rikola-Gunnar Lüttgenau. Die steigende Zahl solcher Vorfälle sei "ein Seismograph dafür, dass versucht wird, diese Grundfeste der heutigen Bundesrepublik ins Rutschen zu bringen".
Die Vorfälle beschränkten sich nicht nur auf Gelände und Räumlichkeiten, erläuterte die Sprecherin der KZ-Gedenkstätte Dachau, Verena Bierl. In den vergangenen Jahrzehnten habe es auch eine Verlagerung der Angriffe und Störungen in den digitalen Raum gegeben.
"Grenzen des Sagbaren werden verschoben"
Diesen Eindruck teilen der Umfrage zufolge auch andere Gedenkstätten. "Die Grenzen des Sagbaren werden seit einiger Zeit verschoben und demokratiefeindliche und rechtsradikale Ansichten erscheinen hoffähig geworden zu sein", sagte eine Sprecherin der Gedenkstätte Bergen-Belsen.
Eine aktuelle Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass Menschen in Deutschland für rechtsextreme und demokratiefeindliche Einstellungen empfänglicher geworden seien. Der Anteil der Bürger mit einer klar rechtsextremen Orientierung habe sich im Vergleich zu den Vorjahren auf etwa acht Prozent verdreifacht. Anstiege verzeichnet die Studie auch bei der Zustimmung zu nationalchauvinistischen Einstellungen, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus sowie der Verharmlosung der Verbrechen der Nationalsozialisten.
Schuster: Brauchen "Politik der Mäßigung"
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, äußerte sich besorgt darüber. Es bleibe bei immer mehr Menschen nicht bei Protest oder von Populismus und Desinformation genährter Unzufriedenheit, sagte er dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland".
Vielmehr seien radikale völkische und rechtsextreme Positionen auf dem Vormarsch. "Wie zu erwarten war, betrifft das auch antisemitische Einstellungen", sagte Schuster. Das gesamte Spektrum der politischen Mitte brauche ein Umdenken "weg von der Orientierung an den extremistischen Rändern". Nötig sei eine "Politik der Mäßigung", sagte Schuster.