Interview mit dem Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft ''Deutschland ist und bleibt Forschungsnation''
Die beiden Nobelpreise an deutsche Wissenschaftler sind ein Beweis für die Qualität hiesiger Forschung, meint Max-Planck-Präsident Peter Gruss - die sei ohnehin viel besser als ihr Ruf: "Weltweit stehen wir auf dem dritten Platz", so Gruss im Interview mit tagesschau.de.
Die beiden Nobelpreise an deutsche Wissenschaftler sind nach Ansicht von Peter Gruss, dem Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, ein Beweis für die Qualität hiesiger Forschung - die sei bei weitem nicht nicht so schlecht wie ihr Ruf: "Weltweit stehen wir auf dem dritten Platz", so Gruss im Interview mit tagesschau.de.
tagesschau.de: Sind die beiden Nobelpreise der Beweis dafür, dass die deutsche Forschung doch nicht so schlecht ist?
Peter Gruss: Die deutsche Forschung war nie schlecht. Man macht sich nur gerne in Deutschland schlechter, als man ist. Das lässt sich sogar beweisen, weil man in letzter Zeit in der Wissenschaft versucht, durch sogenannte Zitatenanalysen zu ergründen, wo wir stehen – demnach liegen wir weltweit auf dem dritten Platz hinter den USA und Großbritannien. Deutschland war immer eine Forschungsnation und wird auch immer eine bleiben.
tagesschau.de: Gibt es dennoch Defizite im internationalen Vergleich?
Gruss: Andere Länder versuchen genauso wie wir, weltweit die besten Köpfe an sich zu binden. Das ist ja das Ziel: Wenn Sie diese Leute nicht nach Deutschland holen, werden wir für die Zukunft schlecht aufgestellt sein – es geht also um die Rahmenbedingungen, die Anreize geben sollen. Hier hat die Bundesregierung schon erhebliche Anstrengungen unternommen, etwa mit dem Ziel, bis 2010 drei Prozent des Bruttoinlandprodukts in die Förderung von Forschung zu stecken.
tagesschau.de: Reicht das, um mit anderen Ländern mithalten zu können?
Der Staat ist nur für ein Drittel der Summe verantwortlich, die die Öffentlichkeit in Forschung investieren soll. Die anderen beiden Drittel sollen aus der Industrie kommen. Dennoch sind in Deutschland die absoluten Aufwendungen für Forschung etwa im Vergleich mit den USA oder auch Japan deutlich niedriger. Und: Die Gehälter unserer Topwissenschaftler sind nicht konkurrenzfähig im Vergleich zu den USA – nicht einmal im Vergleich zur kleinen Schweiz.
Der promovierte Biologe, Jahrgang 1949, leitet die Max-Planck-Gesellschaft seit 2002 als Präsident. Er ist seit 1986 Wissenschaftliches Mitglied und Direktor der Abteilung "Molekulare Zellbiologie" am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, außerdem seit 1990 Honorarprofessor an der Uni Göttingen. Gruss ist unter anderem Träger des Leipniz-Preises, des Feldberg-Preises, des Louis-Jeantet-Preises für Medizin und des Zukunftspreises des Deutschen Bundespräsidenten.
"Man darf nicht am Gängelband eines Ministeriums sitzen"
tagesschau.de: Welche Hindernisse sehen Sie jenseits der finanziellen Fragen?
Gruss: Wir brauchen Autonomie, Freiheit. Man darf nicht am Gängelband eines Ministeriums sitzen, wenn man kreativ forschen soll. Dazu bedarf es des Abbaus von Bürokratie – und da haben wir hierzulande noch erheblichen Nachholbedarf.
tagesschau.de: Bedeuten die Nobelpreise auch die Aufwertung der Grundlagenforschung, die oft erst nach Jahrzehnten erste Ergebnisse liefert?
Gruss: Das kann man so nicht sagen, denn die Grundlagenforschung ist die Basis für alle Umsetzung. Oder, wie Max Planck so schön formuliert hat: Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen. Vielmehr dokumentiert dieser Nobelpreis deutlich, ist dass es hier in Deutschland Grundlagenforschung auf allerhöchstem Niveau gibt. Auf diesem Niveau gelingt es eben dann doch hin und wieder, einen Nobelpreis zu erringen.
Die Fragen stellte Nicole Diekmann, tagesschau.de.