Streit der Verkehrsminister Es geht ums Geld für Bus und Bahn
Die Länder fordern mehr Geld vom Bund für den öffentlichen Nahverkehr. Doch über die Verteilung untereinander sind sie uneins. Einigen sie sich nicht, fahren bald wohl weniger Bahnen.
Wer mit S-Bahn oder Bus fährt, kauft ein Ticket. Doch die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf reichen nicht aus, um den öffentlichen Nahverkehr zu finanzieren. Deshalb gibt es Zuschüsse von der öffentlichen Hand aus verschiedenen Töpfen. Um einen dieser Töpfe tobt gerade ein Streit. Wird der nicht gelöst, könnten Busse und Bahnen künftig auf der Strecke bleiben. Deshalb schlagen die Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs Alarm und fordern mehr Geld vom Bund.
Länder wollen eine Milliarde mehr vom Bund
Konkret geht es um die sogenannten Regionalisierungsmittel: 7,3 Milliarden Euro zahlt der Bund im Jahr 2014 aus den Einnahmen der Mineralölsteuer insgesamt an die Länder. Die wiederum verteilen es an die Verkehrsverbünde, die damit in erster Linie den Betrieb ihres Streckennetzes finanzieren. Doch diese Regelung läuft Ende 2014 aus. Wie viel die Länder ab dem kommenden Jahr erhalten werden, steht in den Sternen.
Der Bund subventioniert den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) aus drei Töpfen:
1. Regionalisierungsmittel: Im Jahr 2014 waren das insgesamt 7,3 Milliarden Euro. Dieser Betrag ist jährlich um 1,5 Prozent gestiegen, so sieht es das Regionalisierungsgesetz vor. Das Geld fließt zum größten Teil in den Betrieb des regionalen Schienenverkehrs und nur zu einem geringen Teil auch in den kommunalen Nahverkehr.
2. Entflechtungsmittel: Etwa 1,3 Milliarden Euro sind jährlich für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Bus, Tram und U-Bahn), aber zur Hälfte auch für Straßenbau vorgesehen. Die Laufzeit geht bis Ende 2019.
3. Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz: 333 Millionen Euro fließen in Neu- und Ausbauprojekte des kommunalen Schienenverkehrs, beispielsweise die Verlängerung von U-Bahn-Strecken, ab Kosten von über 50 Millionen Euro. Die Laufzeit geht bis Ende 2019.
Auch die Länder stellen darüber hinaus noch Mittel für den Nahverkehr zur Verfügung. Wofür und wieviel variiert jedoch von Land zu Land stark.
Die Verkehrsbetriebe selbst finanzieren sich laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) im Schnitt zu 70 Prozent aus eigenen Einnahmen, beispielsweise Erlösen aus Ticketverkäufen, und zu 30 Prozent aus öffentlichen Mitteln.
Länder streiten über die Verteilung des Geldes
Zwar sind sich die Länder über die Höhe ihrer Forderung einig: 8,5 Milliarden Euro wollen sie vom Bund, festgelegt bis 2030 mit einer jährlichen Steigerungsrate von mindestens zwei Prozent. Der Bund hingegen will die Zuschüsse einfrieren. "Einige Länder müssten dann Verkehrsleistungen einstellen und wichtige Investitionen unterlassen", sagt der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Schleswig-Holsteins Ressortchef Reinhard Meyer (SPD). Das heißt konkret: weniger Züge in Ballungszentren und eine noch schlechtere Verkehrsanbindung durch Busse und Bahnen auf dem Land.
Der Bund hat den Ball an die Länder zurückgespielt: Zunächst müssten sie sich einig werden, wie sie das Geld untereinander verteilen wollen. Erst dann tritt der Bund in die Verhandlung mit den Ländern ein. Doch um die Verteilung gibt es unter den Ländern bereits einen längeren Streit. Seit gestern ringen die Verkehrsminister der Länder in Kiel nun um einen Konsens.
West-Länder fühlen sich benachteiligt
Die Konfliktlinie verläuft zwischen Ost und West. Den neuen Ländern wurden 1993 Anteile zugesprochen, die klar über dem für sonstige Zuweisungen gültigen "Königsteiner Schlüssel" liegen. (Dieser verteilt Bundeszuwendungen an die Länder unter Berücksichtigung des Steueraufkommens und der Bevölkerungszahl.) "Nach nicht nachvollziehbaren Kriterien", wie Meyer sagt. Besonders hart trifft das das einwohnerstärkste Bundesland NRW: Das Land bekommt derzeit etwa 15 Prozent der Mittel; nach dem "Königsteiner Schlüssel" wären es 21 Prozent und somit rund 400 Millionen Euro mehr, wie das Institut der deutschen Wirtschaft errechnet hat. Einen Mehrbedarf sieht Meyer jedoch nicht nur bei NRW, auch Hamburg, Baden-Württemberg, Hessen und Bayern seien betroffen. Andererseits wäre eine Verteilung nach Fahrgastzahlen ebenfalls problematisch, dann könnten Länder mit geringer Bevölkerungsdichte künftig womöglich schlecht ausgelastete Zugstrecken nicht mehr betreiben.
Land | 2014 |
---|---|
Baden-Württemberg | 761.987.807,34 |
Bayern | 1.093.350.321,27 |
Berlin | 398.510.864,76 |
Brandenburg | 416.757.699,23 |
Bremen | 40.143.035,83 |
Hamburg | 140.865.562,09 |
Hessen | 540.836.173,60 |
Mecklenburg-Vorpommern | 242.317.961,72 |
Niedersachsen | 626.961.232,29 |
Nordrhein-Westfalen | 1.150.280.444,80 |
Rheinland-Pfalz | 382.453.650,43 |
Saarland | 96.343.285,99 |
Sachsen | 522.589.339,14 |
Sachsen-Anhalt | 367.126.309,48 |
Schleswig-Holstein | 226.990.620,77 |
Thüringen | 291.219.478,09 |
Kosten der Verkehrsunternehmen sind stark gestiegen
Laut Verkehrsunternehmen und Ländern reichen die aktuellen Zuschüsse bei weitem nicht mehr aus - aus mehreren Gründen: Personal- und Energiekosten sind gestiegen, für die Trassennutzung im regionalen Schienenverkehr fallen deutlich höhere Gebühren an. Zudem hätten sich die Fahrgastzahlen deutschlandweit in den vergangenen zehn Jahren um rund siebeneinhalb Prozent erhöht, sagt Jürgen Fenske, Präsident des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), der auch Vorstandsvorsitzender der Kölner Verkehrsbetriebe ist.
"Allein in Köln gab es seit dem Jahr 2000 eine Steigerung um 20 Prozent", sagt Fenske gegenüber tagesschau.de. "Durch Einsparungen und moderat steigende Fahrpreise allein lässt sich das nicht auffangen." Denn um diesem Anstieg gerecht zu werden, mussten auch die Strecken ausgebaut und die Taktung der Züge erhöht werden.
Die Zeit drängt. Im Laufe des kommenden Jahres laufen zahlreiche Verträge mit Laufzeiten von 15 Jahren und mehr aus. Wenn die Länder aber nicht wissen, wie viel Geld sie ab 2015 zur Verfügung haben, können die Verkehrsverbünde diese Aufträge kaum neu vergeben. Die Folge wäre im schlimmsten Fall die Stilllegung von Strecken. Der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Meyer, hofft deshalb, dass seine Ressortkollegen sich zusammenraufen: "Wir müssen mit dem Thema endlich raus aus der Fachministerkonferenz und hinein in das Gesetzgebungsverfahren."
Notwendige Projekte werden vertagt
Hinzu kommt: Auch die Bundeszuschüsse für Infrastruktur und Investitionen bröckeln. Die speisen sich aus zwei weiteren Töpfen (Entflechtungsmittel und Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz), die nur bis 2019 festgeschrieben sind. Laut Verkehrsverbandschef Fenske werden deshalb schon jetzt manche notwendigen Aus- und Neubauprojekte nicht mehr angegangen, "weil Länder und Verkehrsunternehmen sich nicht sicher sein können, ob sie diese über das Jahr 2019 hinaus finanziert bekommen."
Dabei gibt es im öffentlichen Nahverkehr laut VDV schon jetzt einen Sanierungsstau von mehr als vier Milliarden Euro. Stellwerke, Tunnel und Bahnhöfe seien zum Teil Jahrzehnte alt, einige Eisenbahnbrücken gar über 100 Jahre, sagt Fenske. Zwar sei die Sicherheit bislang an keiner Stelle bedroht, doch schon jetzt gebe es Streckenabschnitte, an denen Züge langsamer fahren müssten als theoretisch möglich. "Wenn der Personennahverkehr nicht zum Erliegen kommen soll, muss jetzt eine rasche Lösung gefunden werden."