CSU-Atomkraftgegner im Interview Göppel findet scharenweise neue Freunde
Überzeugter Umweltpolitiker, Atomkraftgegner und lieber in der CSU als bei Greenpeace. Nicht alles in der Vita des Abgeordneten Göppel passt zusammen. Im Interview mit tagesschau.de erklärt er, warum die "Entfesselung des Atomkerns" den Menschen überwiegend Kummer und Sorge gebracht hat.
tagesschau.de: Lange Zeit standen Sie allein in der Union und vor allem in der CSU mit Ihrer kritischen Haltung zur Atomkraft. Haben Sie inzwischen "neue" Freunde gefunden?
Josef Göppel: Scharenweise. Alles Leute, die "schon immer" und "eigentlich" in diese Richtung gehen wolten. Was mich nicht wundert: Das ist ein normaler gruppendynamischer Vorgang, wenn sich eine Situation grundlegend ändert.
tagesschau.de: Warum haben Sie sich überhaupt für diese Position entschieden, die doch dann über weite Strecken sehr unbequem war und ist?
Göppel: Ich komme aus der Umweltpolitik. Ich hatte das "Restrisiko" von Anfang im Blick. Das begründete meine Skepsis gegenüber der Kernenergie. Jetzt aber möchte ich, dass wir uns um ein neues Stadium der Energieversorgung bemühen. Das ermöglichen uns die erneuerbaren Energien und das Internet. Über das Netz können Millionen von Kleinerzeugern mit Millionen von Verbrauchern abgestimmt werden, was früher technologisch einfach nicht möglich war. Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland sich damit international an die Spitze setzen kann und Vorreiter ist für neue Chancen.
Greenpeace nennt ihn den "Atom-Rebellen", andere das "grüne Gewissen seiner Partei". Fernab des früheren Fraktionskurses hielt CSU-Mann Josef Göppel die Verlängerung der Laufzeiten immer schon für den falschen Weg. Der frühere Förster begann 1972, sich in der Kommunal- und Bezirkspolitik zu engagieren.
Nach acht Jahren im Bayerischen Landtag wurde Göppel 2002 direkt in den Bundestag gewählt. Seit 2005 vertritt er CSU und CDU im Umweltausschuss.
tagesschau.de: Wenn Sie von "Restrisiko" sprechen: Welches Restrisiko halten Sie für tragbar?
Göppel: Bisher hat man das mit dem "Restrisiko" so leichthin dahergesagt. Man hat dieses Risiko auch nicht ausreichend konkretisiert und beschrieben. Unter dem Eindruck der Ereignisse von Japan müssen wir uns vor allem mit der "peripheren Infrastruktur" beschäftigen. Zum Beispiel: Wie geschützt verlaufen Stromkabel? Da lag die Hauptursache für die gefährliche Entwicklung in Fukushima, und diese Frage wurde bei uns bisher ziemlich vernachlässigt. Oder: Wie stabil ist die Schutzhülle bei Aufprallvorgängen, sei es Flugzeug, sei es Beschuss? Das muss neu bewertet werden.
Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, bis 2015 muss der Ausstieg aus der Atomkraft erfolgt sein. So schnell wird es nicht gehen. Ich bin innerlich noch auf den rot-grünen Atomkompromiss eingerichtet, der hieße, dass längstens bis 2025 Atomkraftwerke laufen. Das ist realistisch möglich.
Die technische Herangehensweise und die Prüfung von Eventualitäten, vor allem die Vorwegnahme kummulativer Einwirkungen, bedeuten eine echte Schadensvorsorge. Ich habe Respekt vor dem Vorgehen der Kanzlerin. Ohne sie wäre es auch nicht gegangen. Diese Neubewertung der Kernernergie innerhalb der Union wäre nicht entstanden nach einer langwierigen parlamentarischen Beratung.
Atomgesetz möglichst schnell ändern
tagesschau.de: Welche rechtlichen Schritte müssen dieser Neubewertung folgen?
Göppel: Wir müssen in der Tat das Atomgesetz möglichst schnell ändern, um die neuen Sicherheitsbewertungen auf eine solide gesetzliche Grundlage zu stellen, und zwar unmittelbar nach dem Auslaufen der Dreimonatsprüfung.
tagesschau.de: Sie selbst sagen, mit der Atomkraft stehe die Glaubwürdigkeit der Koalition auf dem Spiel. Ist sich die Bundeskanzlerin dessen bewusst?
Göppel: Ja. Sie selbst tut viel, um die Union zu stabilisieren. Das höre ich auch, wenn ich mit Bürgern spreche, dass eben ihre Reaktion die richtige ist. Allein, es fehlt das Vertrauen, dass die Union das dauerhaft nach den Landtagswahlen auch durchhält. Deswegen fordere ich einen klaren Zeitplan für das, was nach dem Moratorium kommt. Und der Plan muss in den nächsten Tagen auf den Tisch. Glaubwürdigkeit ist unser größtes Gut. Wir können die Situation nur dann zu einem politischen Erfolg machen, wenn wir nach den Wahlen nicht wieder in den alten Zustand zurück fallen.
Ist die Atomkraft beherrschbar?
tagesschau.de: Alle Maßnahmen setzen voraus, dass man die Atomkraft für beherrschbar hält. Wie sehen Sie das?
Göppel: Für mich gibt es zwei Grenzüberschreitungen, die der Menschheit nicht gut tun: Die Entfesselung des Atomkerns und der Eingriff in den Zellkern. Als konservativer Mensch muss ich sagen, dass die Entfesselung des Atomkerns den Menschen überwiegend Kummer und Sorge gebracht hat.
tagesschau.de: Wären Sie manchmal lieber Mitglied von Greenpeace anstatt Mitglied in der CSU?
Göppel: Ich bin Fördermitglied von Greenpeace, aber das würde mir nicht reichen. Ich bin in der CSU als konservativer Mensch genau richtig platziert. Und ich bemühe mich wieder, die Bandbreite dieser selbsternannten Volkspartei zu verdeutlichen. Ich wehre mich dagegen, dass die CSU nur eine Partei der zentralen Großstrukturen ist.
Die Fragen stellte Ute Welty, tagesschau.de