Diesel-Skandal Wann sind Fahrverbote "verhältnismäßig"?
Merkel will mit einer Gesetzesänderung Diesel-Fahrverbote erschweren. Eine Schein-Hilfe für Frankfurt - die größte Stadt im Wahlkampfland Hessen? Denn letztlich entscheiden Kommunen und Gerichte über Verbote.
Bei der geplanten Gesetzesänderung der Bundesregierung geht es um den Begriff der "Verhältnismäßigkeit". Im Februar hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Fahrverbote grundsätzlich für zulässig erklärt, sie müssten aber verhältnismäßig sein. Daraufhin, so das Bundesumweltministerium, hätten die Kommunen die Bundesregierung gebeten zu klären: Was ist denn eigentlich "verhältnismäßig"?
Die Haltung der Bundesregierung dazu ist klar: Wenn der Stickoxid-Grenzwert nur geringfügig überschritten wird, sei ein Fahrverbot unverhältnismäßig, sagt Umweltministeriumssprecher Stephan Haufe. Wenn eine Kommune für ein Jahr ein Fahrverbot verhänge, sei das ein enormer Aufwand. Vor allem, wenn die Schadstoffbelastung auch durch andere Maßnahmen gesenkt werden könne.
Gut 50 Städte nur "geringfügig belastet"
Der europaweit gültige Grenzwert für Stickoxid liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Alle Kommunen, die bei der Schadstoffbelastung zwischen 40 und 50 Mikrogramm liegen sollen in die Kategorie "geringfügig" eingestuft werden. Das sind 51 deutsche Städte. Bei diesen Städten geht die Bundesregierung davon aus, dass die Grenzwerte auch durch Software-Updates sowie die Umrüstung von Lieferautos und Bussen eingehalten werden können.
Nur in den 14 deutschen Städten, in denen die Grenzwerte massiv überschritten werden, sollen Fahrverbote als "verhältnismäßig" eingestuft werden.
Opposition: Aufweichung der Grenzwerte
Linke und Grüne im Bundestag werten die geplante Gesetzesänderung als Aufweichung der Grenzwerte. Es könne nicht sein, dass jetzt der Druck von den Autokonzernen genommen werde, indem man sage: "Macht Euch keine Sorgen, wir verändern die Grenzwerte", kritisiert Grünen-Chefin Annalena Baerbock.
Tatsächlich verändern kann die Bundesregierung die Grenzwerte nicht, denn die sind europaweit festgeschrieben. Die geplante Gesetzesänderung soll nur eine Art einschätzende Handreichung für die Kommunen sein.
"Wir können Fahrverbote nicht verbieten", heißt es im Bundesumweltministerium. Die Entscheidung darüber treffen weiterhin die Kommunen und die Gerichte.
Diesel-Abgase sind eine Hauptursache für schlechte Luft in deutschen Großstädten.
Fahrverbote: Wahlkampfthema in Hessen
Dass das Thema aktuell wieder auf die Tagesordnung kommt, liegt vor allem an der Landtagswahl in Hessen am kommenden Sonntag. In Frankfurt droht nach einem Gerichtsurteil ein Fahrverbot - ein heikles Thema im Wahlkampf. Die Stadt fällt genau in die Kategorie, die die Bundesregierung als "geringfügig belastet" einstufen will.
Die hessische Landesregierung hat rechtliche Schritte gegen das Frankfurter Fahrverbot, das ab dem kommenden Jahr gelten soll, eingelegt. Eine Entscheidung steht noch aus.