Was dürfen deutsche Geheimdienstler? Verhören verboten
Seit bekannt ist, dass deutsche Ermittler im Ausland Terrorverdächtige vernommen haben, die möglicherweise gefoltert wurden, ist eine moralische Debatte über die Verwendbarkeit solcher Informationen entbrannt. Juristisch klar umrissen ist, was deutsche Dienste dürfen - und was nicht.
Von Jan Oltmanns, tagesschau.de
Als Innenminister Wolfgang Schäuble die Vernehmung des in Syrien festgehaltenen Terrorverdächtigen Mohammed Haidar Sammar verteidigte, da klang das ein bisschen so, als könne er die ganze Aufregung um mögliche Erkenntnisse aus Folterverhören nicht so recht verstehen: Da der Mann eben auch Syrer sei, sei es "per se noch nicht völlig überraschend, dass er sich in einem syrischen Gefängnis befindet", befand Schäuble. Deutsche Fahnder hätten ihn dort vernommen, weil hierzulande gegen ihn ermittelt werde. Dabei habe Sammar gesagt, er sei geschlagen worden, "aber nicht in Syrien, sondern im Libanon oder irgendwo sonst".
Wo verläuft die "rote Linie"?
Tatsächlich ist der Fall Sammar aber komplizierter: Der Deutsch-Syrer soll für die Todespiloten des 11. September den Kontakt mit Al Kaida hergestellt haben. Beweisen allerdings konnte man das nicht. Nach den Anschlägen wurde Sammar in Marroko festgenommen, die CIA brachte ihn nach Syrien. Damaskus nimmt es mit der Anti-Folter-Konvention nicht so genau - bereits damals gab es Hinweise darauf, dass Sammar misshandelt wurde. Trotzdem flogen deutsche Ermittler zur Vernehmung nach Damaskus. Sammar sei von den Syrern unter "landesüblichen Umständen" verhört worden, hieß es später. Im Klartext bedeutet das: Der Mann wurde mit großer Wahrscheinlichkeit gefoltert. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International haben in der Vergangenheit zahlreiche Fälle von Folter in Syrien dokumentiert.
Mit seiner freimütigen Äußerung zum Fall Sammar und der Beteiligung deutscher Sicherheitsbehörden an Verhören in Guantanamo hat Schäuble eine Debatte losgetreten. Plötzlich geht es nicht mehr um brutales Vorgehen von US-Geheimdienstlern, sondern um die Frage, ob und wie sich Deutsche in den rechtsfreien Räumen bewegt haben. Parteiübergreifend fordern Politiker jetzt zu klären, ob und wann Geständnisse aus Folterstaaten von Bundesbehörden genutzt werden dürfen - und wann die "rote Linie" überschritten sei. Wo genau diese vielbeschworene Linie verläuft, kann allerdings niemand so recht sagen.
Befugnisse der Dienste präzise umrissen
Was juristisch eindeutig ist: Deutsche Beamte dürfen nicht foltern, sie sind auch im Ausland an das Grundgesetz gebunden. Und auch die Befugnisse der deutschen Dienste sind ganz genau festgelegt: So dürfen Angehörige des Bundesnachrichtendienstes (BND), die an den Befragungen in Syrien und Guantanamo beteiligt gewesen sein sollen, nur Gespräche führen, nicht aber Verhöre führen. Allerdings dürfen sie an Verhören als Beobachter teilnehmen. Ähnliches gilt für den Verfassungsschutz (BfV), dessen Mitarbeiter ebenfalls nach Guantanamo und Syrien gereist sein sollen. Das Bundeskriminalamt (BKA) dagegen kann im Ausland polizeilich tätig werden. Im Fall Sammar soll dies der Fall gewesen sein. Allerdings sind immer die Behörden des jeweiligen Landes eingebunden. In der Regel stellen die Behörden des Landes die Fragen - BKA-Ermittler sind lediglich anwesend.
Juristisch problematisch ist daher vor allem die Befragung des "Bremer Taliban" Murat Kurnaz in Guantanamo. Denn dort war die Kriminalpolizei laut Schäuble nicht beteiligt. Sollten die Beamten von BND und BfV dort also tatsächlich ein Verhör geführt haben, wäre dies ein Verstoß. Das aber dürfte schwer nachzuweisen sein, denn es liegt in der Natur der Geheimdienste, ihre Tätigkeit zu verschleiern.
Kooperation mit fragwürdigen Partnern
Die Frage, wo die "rote Linie" verläuft, ist juristisch ohnehin schwer zu beantworten. Die Tätigkeit der Nachrichtendienste und Polizei verschwimmt im Kampf gegen den Terrorismus in einer normativen Grauzone. Einerseits hat der Staat die Pflicht, seine Bürger - in diesem Fall Sammar - zu schützen. Und Deutschland hat sich verpflichtet, Folter zu ächten. Andererseits müssen sich die Behörden Informationen verschaffen, um Terroranschläge zu verhindern, stellt der Völkerrechtler Andreas Paulus gegenüber tagesschau.de fest.
Um an eben diese Informationen zu kommen, bedarf es nach Ansicht von Außenminister Frank-Walter Steinmeier auch der Kooperation mit Staaten, die nicht "denselben Status von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit haben wie wir". Ansonsten würde sich die Zusammenarbeit auf eine "handvoll Länder" reduzieren, sagte er der "Zeit".