Koalition uneins über EU-Beitritt der Türkei Steinmeier will verhandeln, Stoiber blockt ab
In der Großen Koalition bahnt sich neuer Streit an. Im Mittelpunkt steht dieses Mal der Umgang mit dem potenziellen EU-Beitrittskandidaten Türkei. Während Außenminister Steinmeier die Verhandlungen weiter vorantreiben will, drosselt CSU-Chef Stoiber das Tempo. Weitere Gespräche solle es vorerst nicht geben.
In der Großen Koalition bahnt sich ein Streit über eine Fortsetzung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei an. Während CSU-Chef Edmund Stoiber forderte, die Verhandlungen einzufrieren, verlangte Außenminister Frank-Walter Steinmeier, die Treffen fortzusetzen. Morgen will die EU-Kommission ihren Fortschrittsbericht vorlegen.
Stoiber warf der Türkei andauernden Vertragsbruch gegenüber dem EU-Mitglied Zypern vor. Der Zeitung "Die Welt" sagte er, zudem falle der Bericht der EU-Kommission über Fortschritte in der Türkei negativ aus. Bis zur Lösung dieser Fragen sollten keine weiteren Verhandlungen mehr eröffnet werden. Die bisherige Nicht-Anerkennung des EU-Mitgliedes Zypern durch die Türkei sei absolut inakzeptabel und vertragswidrig. "Es geht nicht, dass man so tut als sei nichts geschehen und gleichzeitig neue Verhandlungskapitel eröffnet, obwohl sich die Türkei offensichtlich vertragswidrig verhält", sagte der bayerische Ministerpräsident.
"Die Türkei ist kein europäisches Land"
Zugleich bekräftigte er seine klare Ablehnung einer EU-Vollmitgliedschaft der Türkei und forderte stattdessen, das Land in eine "intensive Nachbarschaftspolitik" einzubeziehen. "Die Türkei ist kein europäisches Land und kann deshalb am Ende der Verhandlungen auch nicht EU-Mitglied werden", sagte er.
"Wir wollen den Erfolg der Verhandlungen"
Steinmeier sagte in der "Bild"-Zeitung, trotz Fortschritten seien in der Türkei noch erhebliche Reformanstrengungen nötig. "Klar ist aber auch: Wir wollen den Erfolg der Verhandlungen", fügte er hinzu. Das solle für die Türkei ein Ansporn sein, den eingeschlagenen Weg mutig weiterzugehen. Der Minister warnte davor, die Verhandlungen in Frage zu stellen oder zu zerreden. "Manche in Europa scheinen ein Scheitern der Beitrittsverhandlungen regelrecht herbeireden zu wollen", sagte er. In der Türkei verstärke das den Eindruck, in der EU nicht willkommen zu sein. "Diesem Eindruck müssen wir entgegenwirken".
"Zypern-Frage muss geklärt werden"
In strittigen Frage einer Änderung des türkischen Strafrechtsparagraphen zur so genannten Beleidigung des Türkentums begrüßte Steinmeier die jüngsten Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Dieser habe signalisiert, den umstrittenen Paragraphen zu ändern. Steinmeier sagte, hier gehe es um das Prinzip der Meinungsfreiheit, die für Europäer unverzichtbar sei. Nun werde es darum gehen, diese Ankündigung auch umzusetzen. Zur ebenfalls heftig umstrittenen Anerkennung Zyperns durch die Türkei sagte Steinmeier: "Wir müssen alles dransetzen, noch in diesem Jahr einen fairen Kompromiss zu finden. Die Türkei muss ihre Häfen und den Luftraum auch für Zypern öffnen." Gleichzeitig müsse die EU ihr Versprechen erfüllen, den direkten Handel mit dem international nur von der Türkei anerkannten Nord-Zypern zu ermöglichen.
Vizekanzler Franz Müntefering räumte im Interview mit dem Deutschlandfunk ein, dass es in der Türkei-Frage Meinungsunterschiede mit der Union gebe. Daraus müsse aber kein Konflikt werden. Er sagte: "Vereinbart ist, dass mit der Türkei verhandelt wird und zwar ergebnisoffen, aber doch in der Perspektive einer Mitgliedschaft der Türkei."