Interview

Interview mit Umweltpolitik-Experte Martin Jänicke "Energieeffizienz ist Japans Erfolgsrezept"

Stand: 19.04.2007 16:30 Uhr

Energie wirkungsvoll einsetzen: Eine schnelle Methode, Energie zu sparen. Auf einer EU-Konferenz in Berlin wird derzeit beraten, wie die Politik dies fördern kann. Für den Experten Jänicke sind politische Vorgaben nötig. Diese brächten am Ende, wie in Japan, auch Wettbewerbsvorteile, so Jänicke gegenüber tagesschau.de.

Energie wirkungsvoller einsetzen ist eine schnelle Methode, Energie zu sparen. Auf einer EU-Konferenz in Berlin wird derzeit beraten, wie die Politik diese Effizienz fördern kann. Für Umweltpolitik-Experte Jänicke geht das nicht ohne politische Vorgaben. Diese brächten am Ende - wie in Japan - sogar Wettbewerbsvorteile, so Jänicke im tagesschau.de-Interview.

tagesschau.de: Mehr Effizienz beim Energieverbrauch hat sich die Politik inzwischen auch auf die Fahnen geschrieben. Was ist da der bessere Weg: Kleine Schritte oder große Visionen?

Martin Jänicke: Visionen sind oft sehr vage. Es geht um klare Zielvorgaben, wie sie die EU-Kommission beispielsweise im Frühjahr beschlossen hat. Das technische Potenzial bei der Energieeffizienz wird ausgeschöpft, wenn man entsprechende Standards festsetzt. 77 Länder haben inzwischen etwa Höchstverbrauchs-Standards für Elektrogeräte oder führen sie ein. Dieses Steuerungsinstrument breitet sich rasch aus.

tagesschau.de: Wie steuert man am wirkungsvollsten – durch höhere Energiekosten?

Jänicke: Eine einzelne Maßnahme als Wunderwaffe gibt es nicht. Steuern auf Energie sind wichtig. Aber Detailregelungen bei einzelnen Geräten, Produkten und industriellen Technologien sind auch außerordentlich interessant. In Japan gibt es etwa das berühmte "Toprunner“-Programm. Dabei wird das effizienteste Produkt zum Standard erhoben. Nach einigen Jahren müssen alle Anbieter diesen Energieeffizienz-Standard erreichen. Der Start für den Hybridmotor, der jetzt auf einem Siegeszug durch die Welt ist, kam durch das "Toprunner“-Programm. Japan ist für den europäischen Markt inzwischen wirklich bedrohlich, weil es bei so vielen Produkten Regulierungen hat. Da sind sehr viele technische Verbesserungen rausgekommen, die die Produkte eben besser verkäuflich machen. Das ist Japans Erfolgsrezept.

tagesschau.de: Um welche Branchen muss die Politik sich am meisten kümmern?

Jänicke: 70 bis 80 Prozent des Energieverbrauchs und der Klimabelastung kommen aus drei großen Produktgruppen: Nahrungsmittelerzeugung, Verkehr sowie Gebäude und Haushaltsgeräte. Wenn man sich um die kümmert, muss man sich um den Rest nicht mehr sorgen.

Politik muss Standards setzen

tagesschau.de: Auf wen sollte die Politik mehr abzielen – die Wirtschaft oder den Bürger?

Jänicke: Der Bürger muss Verständnis haben und als Wähler und Konsument mitspielen. Aber effiziente Produkte setzen sich nicht von alleine durch. Die Politik muss Standards für die Wirtschaft setzen - natürlich flexibel und wirtschaftsfreundlich. Investitionen dürfen dadurch nicht wertlos werden. Aber ohne den Staat geht das nicht. Es braucht Regulation.

tagesschau.de: Macht die Wirtschaft mit oder bremst sie?

Jänicke: Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt massiven Druck von innovativen Unternehmen, die fordern: Schafft doch bitte anspruchsvolle Regelungen, damit die entsprechenden Märkte entstehen. Auf der anderen Seite gibt es immer das Problem, dass man hier auch sehr mächtige Akteure einschränkt – etwa die bekanntermaßen nicht einflusslosen Energieanbieter. Deshalb funktioniert das nur, wenn man die auch ins Boot bekommt, wenn es also interessant ist, auch Einsparungen zu verkaufen. Das ist ein ganz neues Vorgehen, denn normalerweise wollen wir, dass Märkte wachsen - und hier schrumpfen sie.

Zur Person

Professor Martin Jänicke leitet die Forschungsstelle für Umweltpolitik am Fachbereich Politische Wissenschaft der Freien Universität Berlin. Jänicke ist Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen, der die Bundesregierung berät.

tagesschau.de: Was macht die Politik noch falsch?

Jänicke: Der größte Fehler ist sicher, dass nicht gesehen wird, dass die Energiewirtschaft ein Interesse hat gegen die Einsparpolitik zu handeln. Die Politik muss Mut beweisen. Es geht auch um Signaleffekte. Das Tempolimit bringt nicht viel an Effizienzsteigerung. Aber in einem Land wie Deutschland gibt es das Signal, dass es nicht mehr um die ständige Steigerung der PS-Zahl geht.

tagesschau.de: Wie wichtig ist die Forschungsförderung?

Jänicke: Das ist gar nicht mehr so dramatisch. Die Technik, die wir brauchen haben wir schon, etwa sparsame Glühbirnen, Drei-Liter-Autos und – Häuser. In den letzten Jahren gab es einen enormen technischen Fortschritt. Die Patentanmeldungen in diesem Bereich sind dramatisch gestiegen. Die Technik ist schon auf dem richtigen Weg. Man muss ihr nur die Märkte verschaffen.

Das Interview führte Wolfram Leytz, tagesschau.de