Neues Telemediengesetz beschlossen Wenn der Landrat Spams verfolgt
Neue Pflichten für Webseiten-Betreiber, ein neuer Anlauf im Kampf gegen Spam und mehr Rechte für Geheimdienste - Mitte Januar hat der Bundestag das Telemediengesetz, das wichtigste deutsche Internet-Gesetz, beschlossen. Datenschützer kritisieren, dass den Behörden das Daten-Sammeln zu einfach gemacht wird.
Neue Pflichten für Webseiten-Betreiber, ein neuer Anlauf im Kampf gegen Spams und mehr Rechte für Geheimdienste – Mitte Januar hat der Bundestag das Telemediengesetz, das wichtigste deutsche Internet-Gesetz, beschlossen. Datenschützer kritisieren, dass den Behörden das Daten-Sammeln zu einfach gemacht wird.
Von Claus Hesseling, tagesschau.de
Vor allem Datenschützer haben heute bei der abschließenden Bundestagsdebatte über das Telemediengesetz genau hingehört. Die neuen Regeln im wichtigsten deutschen Internet-Gesetz sehen vor, dass Internet-Provider und Webseiten-Betreiber auf Anordnung von Polizei, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst Daten ihrer Nutzer herausrücken müssen.
Der Bund will damit die Behörden im Kampf gegen Terrorismus stärken. "Da wird mit dem Argument der Terrorismusabwehr die Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür eingeführt", kritisieren Internet-Aktivisten wie Markus Beckedahl. Denn jeder Klick im Internet, jede Google-Suche und jeder Online-Kauf werden gespeichert. Daraus können Behörden recht einfach ein konkretes Nutzerprofil erstellen.
Der auf Wunsch der Länder verschärfte Paragraf hat selbst Rechtsexperten überrascht. Denn bereits jetzt haben die Ermittler in bestimmten Fällen Zugriff auf Nutzerdaten. "Die neue Klausel ist aber gefährlich, weil sie keine Voraussetzungen festlegt", erklärt der Frankfurter Jurist Patrick Breyer. Das heißt, das Telemediengesetz schreibt keine Regeln vor, welche Behörde in welchem Fall die sensiblen Daten abrufen darf. Die Provider dürfen sich der Anfrage jedoch nicht mit dem Hinweis auf den Datenschutz verweigern. Johann Bizer, Datenschützer aus Schleswig-Holstein, fordert deshalb, dass zumindest eine Statistik eingeführt wird, wer welche Nutzerdaten angefordert hat.
Selbst Plattenfirmen dürfen Daten auswerten
Neu ist auch, dass nicht nur der Staat Zugriff auf IP-Adressen, Such- oder Kaufverhalten im Netz verlangen kann. Das Gesetz ist hier so schwammig formuliert, dass prinzipiell auch Firmen oder Privatpersonen die Nutzerdaten anfordern können, sofern es "zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist". Dafür reicht schon der einfache Verdacht aus. Plattenfirmen und Studios erhalten auf Kosten des Datenschutzes ein schlagkräftiges Instrument im Kampf gegen Raubkopierer.
Blogger werden zu Journalisten
Auch für Blogger ändert sich etwas durch das neue Telemediengesetz. Einige von ihnen werden nämlich künftig rechtlich wie Journalisten behandelt. Jeder, der eine Internetseite betreibt, die "nicht ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken" dient, muss zukünftig nicht nur ein Impressum auf seiner Seite platzieren. Handelt es sich um ein "journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot", müssen die Autoren sogar die gleichen Sorgfaltspflichten erfüllen, die bereits jetzt für tagesschau.de und andere Nachrichtenseiten gelten. Ihre Betreiber sind künftig dazu verpflichtet, alle Einträge auf der Webseite auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Sie können zudem zu Gegendarstellungen verdonnert werden oder eine saftige Abmahnung erhalten, wenn Werbung und redaktioneller Inhalt vermischt werden.
Doch bereits jetzt streiten Rechtsexperten darüber, wo in Zeiten von Web 2.0 die Trennlinie zwischen journalistischen und privaten Telemedien verläuft. Muss ein privates Blog, in dem zwischen Urlaubserlebnissen und Buchrezensionen auch Beiträge zur Bundestagswahl erscheinen, nach journalistischen Maßstäben bewertet werden? Gerichte werden das von Fall zu Fall entscheiden müssen. Dabei könnte ausschlaggebend sein, ob die Internetseite "gewerblich" betrieben wird, ob der Autor mit ihr also Geld verdient. Und dazu reicht schon eine einzige Google-Adwords-Anzeige.
Neue Anti-Spam-Regeln: Ein stumpfes Schwert?
Mit strengeren Regeln will der Gesetzgeber zudem ein Zeichen gegen das ausufernde Problem von Spam-Emails setzen. Eine Werbe-Email muss durch die Informationen in Sender- und Betreffzeile künftig auf den ersten Blick erkennbar sein. Obwohl erstmals hohe Bußgelder bis 50.000 Euro vorgesehen sind, sehen Internet-Experten den Erfolg der härteren Gesetzgebung skeptisch. Nicht nur, dass mehr als 80 Prozent der Spam-Versender im Ausland sitzen, zuständig für die angezeigten Ordnungswidrigkeiten sind künftig Landsratsämter und ähnliche Stellen. Würde nur ein Bruchteil der Millionen Spam-Emails pro Tag angezeigt, wären die Behörden heillos überfordert.
"Gesetzgeber hat Chance verschenkt"
Besonders enttäuscht zeigt sich jedoch die Internetwirtschaft. "Die drängendsten Probleme werden nicht angepackt, obwohl alle wissen, dass sich etwas tun muss", sagt Oliver Süme vom Verband der Internetwirtschaft eco. Wichtige Fragen bei der Haftung von Nutzereinträgen, Links und Suchmaschinen bleiben weiterhin ungeklärt. Die Regierung will erst die Überprüfung der entsprechenden EU-Richtlinie abwarten. "Das kann sich aber noch lange hinziehen", sagt Volker Kitz, Rechtsexperte beim IT-Branchenverband Bitkom.
Die Reform des neuen Telemediengesetzes ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Die handwerklichen Fehler seien damit jedoch nicht ausgeräumt, glaubt Netz-Aktivist Beckedahl: "Die Bundesregierung hat im aktuellen Gesetzgebungsverfahren wenig Kompetenz für Internet-Fragen gezeigt. Ich glaube, in den oberen Ebenen der Ministerien befindet sich keiner, der das Internet wirklich verstanden hat."