Interview zum Klimastreit vor dem G8-Gipfel ''Die USA sind dramatisch kooperativ''
Kanzlerin Merkel droht mit ihrem ehrgeizigen Entwurf eines Klimaschutz-Abkommens beim G8-Gipfel zu scheitern. Zwar läuft die Debatte mit den USA hitzig ab, "das jetzt aber zu einem transatlantischen Streit hochzujubeln, ist falsch", sagt Karl-Heinz Kamp von der Konrad-Adenauer-Stiftung im Gespräch mit tagesschau.de.
Kanzlerin Merkel droht mit ihrem ehrgeizigen Entwurf eines Klimaschutz-Abkommens beim G8-Gipfel zu scheitern. Zwar läuft die Debatte mit den USA hitzig ab - "das jetzt aber zu einem transatlantischen Streit hochzujubeln, ist falsch", sagt Karl-Heinz Kamp von der Konrad Adenauer-Stiftung im Gespräch mit tagesschau.de.
tagesschau.de: Hat Angela Merkel in der Klimafrage zu hoch gepokert?
Karl-Heinz Kamp: Nein, im Gegenteil: Sie können nur dann Meinungsverschiedenheiten konstruktiv ausfechten, auch auf die Gefahr der Nicht-Einigung, wenn Sie ein vernünftiges Verhältnis zueinander haben. Wenn die Chemie nicht stimmt, dann haben Sie auch kaum eine Chance auf Einigung. Es gibt nun mal unterschiedliche Positionen in der Klimaschutzfrage. Ich will gar nicht bewerten, welche besser oder schlechter ist, aber wir können auch nicht von europäischer oder deutscher Seite ex cathedra Ziele verkünden und meinen, da müssten alle mitmachen.
tagesschau.de: Was bedeutet die derzeitige Diskussion um die Klima-Abschlusserklärung in Heiligendamm für das transatlantische Verhältnis?
Kamp: Es kann tatsächlich sein, dass man nicht zu einer Einigung kommt. Das jetzt aber zu einem transatlantischen Streit hochzujubeln, ist falsch: Diese Auseinandersetzung, die in der Sache sehr hart geführt wird, geschieht vor dem Hintergrund dramatisch verbesserter transatlantischer Beziehungen im Vergleich zur Zeit nach dem Irak-Krieg. Beide Seiten haben in den letzten Jahren begriffen, dass sie nur miteinander arbeiten können und nicht nebeneinander. Das passierte schon während der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder, vor allem mit Blick auf den Nahen Osten und auf Afghanistan. Auf US-amerikanischer Seite vollzieht sich dieser Lernprozess jeden Tag, gezahlt mit sehr hohem Blutzoll, nämlich mit der steigenden Zahl toter Soldaten im Irak. Die USA sind derzeit dramatisch bündnisfähiger und dramatisch kooperativer als sie es in den Jahren 2001 bis 2003 waren – nur hat eben jedes Land Grenzen.
"Signal der ausgestreckten Hand"
tagesschau.de: Laut der "Süddeutschen Zeitung" planen die USA, mit einer Erklärung in Heiligendamm eine Abkehr vom Kyoto-Protokoll einzuläuten. Ein Zeichen für mehr Bündnisfähigkeit und Kooperationsbereitschaft?
Kamp: Wir reden hier nur über den G8-Gipfel. Die Politik der USA in den letzten zwei, drei Jahren gegenüber der EU, im Rahmen der Vereinten Nationen, in der Nato, zeigt: Das Signal der ausgestreckten Hand, das Bush nach seiner Wiederwahl verkündet hat, ist schon umgesetzt worden. Ob das ausreichend war, ist eine andere Frage.
tagesschau.de: Aber der Ton in der Debatte ist ja ein sehr scharfer. Geht man denn so mit einem guten und wichtigen Partner um?
Kamp: Wenn Sie überlegen, mit welcher Schärfe Russland derzeit in vielen Dingen argumentiert und wie viele Leute immer noch sagen, da müsse man sehr kooperativ mit umgehen – dann ist eine gewisse Schärfe schon machbar. Es ist ja nicht nur so, dass Bush und Frau Merkel miteinander gut auskommen, sondern offenbar haben wir auch gerade in der deutschen Öffentlichkeit das unterschwellige Gefühl, wir brauchen die Amerikaner. Schauen Sie sich folgendes Phänomen an: In der Popularität liegt George Bush in der deutschen und in der europäischen Öffentlichkeit dramatisch weit hinten, wahrscheinlich kurz hinter Darth Vader. Trotzdem bekommt die Kanzlerin eine gute Presse dafür, wenn sie mit diesem Darth Vader gut auskommt. Offenbar versteht die Öffentlichkeit also unabhängig von der Person des Präsidenten die Notwendigkeit eines konstruktiven Verhältnisses zu den USA.
Karl-Heinz Kamp ist Leiter der Arbeitsgruppe Außenpolitik in der CDU-nahen Konrad-Adenauer- Stiftung in Berlin. Er studierte Geschichte und Sozialwissenschaften, Promotion an der Universität der Bundeswehr, Hamburg. Er ist Mitglied des Internationalen Instituts für Strategische Studien in London, der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, der Deutsch-Atlantischen Gesellschaft sowie zahlreicher sicherheitspolitischer Studiengruppen und Beratungsorgane. Des weiteren ist er Consultant der National Security Planning Associates in Cambridge, USA, und sitzt im Beirat der "Bundesakademie für Sicherheitspolitik".
Maximalforderungen: "nicht politikfähig"
tagesschau.de: Wäre eine Erklärung zum Klimaschutz in Heiligendamm ohne die USA, wie etwa Renate Künast von den Grünen fordert, für das transatlantische Verhältnis schwierig?
Kamp: Ich würde immer versuchen, eine kompromissfähige Einigung zu finden. Das ist in der Regel möglich, auch Kyoto ist ein Kompromiss. Niemand sagt, dass man sich über den Tisch ziehen lassen soll. Aber auf Maximalforderungen zu bestehen, das ist etwas, das Sie nicht politikfähig macht – und das gilt für beide Seiten.
Die Fragen stellte Nicole Diekmann, tagesschau.de