Interview

Interview mit Bremer Wissenschaftssenator "Das Wort Elite macht mir keinen Hautausschlag"

Stand: 28.08.2007 01:28 Uhr

Willi Lemke ist Bildungs- und Wissenschaftssenator in Bremen. Tagesschau.de sprach mit dem SPD-Politiker und ehemaligen Manager von Werder Bremen über den SPD-Vorstoß zur Schaffung von Spitzenuniversitäten, seinen Vorstellungen zur Hochschulpolitik und sozialdemokratischen Berührungsängsten mit dem Elitenbegriff.

tagesschau.de: Herr Senator, Sie haben in Bremen mit der International University of Bremen (IUB) seit 2001 die erste und bislang einzige Elite-Universität nach US-Vorbild in Deutschland – allerdings privatwirtschaftlich organisiert. Können Sie sich eine Elite-Universität auch unter staatlicher Trägerschaft vorstellen?

Willi Lemke: Das kann ich mir zwar vorstellen, halte es aber nicht für sehr sinnvoll. Um Elite-Unis zu haben, brauchen wir zunächst ein staatliches Angebot, das garantiert, dass das Erststudium gebührenfrei ist. Wir sollten auch nicht von einer Elite-Universität staatlichen Musters sprechen, sondern mehrere Spitzenuniversitäten in einen Wettbewerb schicken.

tagesschau.de: Können Sie das konkretisieren?

Lemke: Es gibt verschiedene Universitäten in Deutschland mit einem sehr guten Ruf. Meist zeichnen sie sich durch herausragende Leistungen einzelner Fachbereiche aus. Ich halte es für sinnvoll, wenn man diese „Center of Excellences" weiter verstärken würde. Wir brauchen einen Wettbewerb unter den besten Universitäten. Das Signal der Politik muss lauten: Gebt euer Bestes, bewerbt euch und profiliert euch entsprechend. Dann werdet ihr auch unterstützt.

Die Besten herausfinden

tagesschau.de: Der Elitenbegriff war bisher ein Unwort für viele Sozialdemokraten, oder?

Lemke: Ich kriege keinen Hautausschlag, wenn ich das Wort Elite in den Mund nehme. Ich komme als langjähriger Manager von Werder Bremen aus dem Leistungssport und weiß, was ich unter Elite zu verstehen habe. Wir müssen die Guten in einem Wettbewerb schicken, damit wir die Besten herausfinden. Wir brauchen überall Spitzenleute. Wichtig ist, dass die Elite nicht durch Geldbeutel oder soziale Herkunft definiert wird. Es geht darum, was die einzelnen Menschen an geistiger Kapazität mitbringen. Die Schwachen dürfen wir dabei nicht vernachlässigen.

tagesschau.de: Braucht Deutschland überhaupt eine Diskussion zur Schaffung von Spitzenuniversitäten, oder findet hier nur eine Scheindebatte statt, um von dem Kernproblem einer flächendeckenden Unterfinanzierung der Universitäten abzulenken?

Lemke: Es ist gut, dass die SPD das Thema jetzt besetzt hat. Das ist brandaktuell durch die Studentenproteste, und wir haben sowohl im Bereich der Lehre als auch der Forschung erheblichen Nachholbedarf. Wir werden nicht zuletzt durch die Globalisierung dazu gezwungen, in die Köpfe der Menschen stärker zu investieren.

tagesschau.de: Bildung ist in Deutschland Ländersache. Irritiert Sie als Landessenator für Bildung nicht, dass sich die Bildungsministerin des Bundes dem Thema Hochschulpolitik so intensiv annimmt?

Lemke: Nein. Ich bin für jede Unterstützung dankbar, auch wenn mich der Vorstoß von Frau Bulmahn eher überrascht hat. Ich fange da nicht an zu zetern, und sage: Das ist Sache der Länder, da soll sich der Bund bitteschön raushalten. Das Beispiel Ganztagsschule hat gezeigt, dass wir mit Hilfe des Bundes wesentlich mehr umsetzen können.

SPD-Pläne noch nicht so konkret

tagesschau.de: Nun hat die SPD das Thema Elitenbildung prominent auf die Agenda gesetzt. Doch hat sie auch konkrete Pläne in der Schublade?

Lemke: Da ist erst einmal ein Anstoß gegeben worden. Das ist aber nicht so konkret, um es im kommenden halben Jahr durch entsprechende Gesetze umsetzen zu können. Doch wenn ich mir die öffentliche Reaktion auf die Ideen anschaue, gehe ich davon aus, dass es große Chancen gibt, diese auch umzusetzen.

tagesschau.de: Zum Nulltarif lässt sich allerdings nichts ändern, oder?

Lemke: Das wird natürlich sehr viel Geld kosten. Deshalb benötigen wir Länder natürlich sehr viel mehr Geld vom Bund, um diese Ideen auch umsetzen zu können - sicherlich einige hundert Millionen Euro jährlich. Mit diesem Geld könnte man einen sehr wichtigen Akzent setzen: die besten Hochschulen, die sich im gegenseitigen Wettbewerb besonders auszeichnen, sollen noch weiter gestärkt werden. Nur so können wird das, was wir in den letzten 20 Jahren international an Boden verloren haben, wieder zurückgewinnen.

tagesschau.de: Müssen Sie nicht an die Strukturen ran, um den Wettbewerb überhaupt erst zu ermöglichen.

Lemke: Ja, klar. Da müssen wir das öffentliche Dienstrecht und verschiedene Wettbewerbsmodelle überprüfen, inwieweit man den Hochschulen Anreize geben kann, die Arbeitsplätze so attraktiv zu machen, dass viele der Wissenschaftler , gehalten werden können, die heute ins Ausland gehen.

tagesschau.de: Finden Sie es nicht ein wenig skurril, die Diskussion gerade jetzt zu führen, wo an fast allen Hochschulen in Deutschland teils drastisch gekürzt wird.

Lemke: Ich fühle mich da nicht angesprochen. An unseren Hochschulen in Bremen wird nicht gestrichen, im laufenden Haushalt haben wir sogar ein Prozent mehr für Wissenschaft und Bildung zur Verfügung – und das bei einem furchtbaren Haushaltsdefizit. Und wenn wir eine zusätzliche Stärkung durch Berlin bekommen, wäre das absolut begrüßenswert.

Das Gespräch führte Uli Bentele, tagesschau.de