Selbstgebaute Heizungen Aladins Wunderlampe der Neuzeit
Die Kabuler plagt nächtlicher Husten, da der Qualm aus ihren selbstgebauten Ölheizungen das Atmen erschwert. Strom, mit dem man auch heizen könnte, ist Mangelware. Die eigenwillige Wunderlampe versorgt die Menschen mit billiger Wärme. Nur die Umwelt zahlt einen hohen Preis.
Kabul hustet bei Nacht. Die Luft ist fettig vor Rauch. Pünktlich, immer abends, wechselt die Atmosphäre über der afghanischen Hauptstadt das Aroma. Der Dunst schmeckt nicht mehr nur nach Autoabgas und Staub. Nach und nach zünden die Menschen zu Hause die Heizung an und würzen das Klima so mit tranigen Ölschwaden. Sie entsteigen ungezählten Blechdosen von der Größe gewöhnlicher Putzeimer: zwei Kammern, oben offen, unten Ofen. Ein Docht hängt frei hinein in die Ölkammer. Die Flamme erwärmt die Außenwand des Tanks und macht ihn zum tragbaren Heizkörper.
Kabelklau als Kriegsstrategie
Nur jede dritte Wohnung in der afghanischen Hauptstadt wird derzeit mit Elektrizität versorgt. Deren Bewohner schlafen in frischer Luft und trotzdem warm. Altersschwache Elektrostrahler laufen, so lange es Strom gibt. Die verfeindeten Parteien haben während des Bürgerkriegs Anfang der 90er Jahre massenhaft Kabel aus der Erde gerissen und verkauft. Jeder der Warlords hat in seinem Machtsektor auf diese Weise die eigene Kriegskasse gefüllt und die Energieversorgung seiner Untertanen zerstört. Am Leitungsnetz wird nun wieder gearbeitet. Aber bis es wieder lückenlos ist, vergehen wohl noch Jahre.
Neue Kanisteröfen aus altem Blech
Bis dahin bleibt den meisten nur die handliche Ölheizung. Ihr Erfinder wird wahrscheinlich für immer namenlos bleiben. Sein Patent ist in eine dezentrale Massenproduktion gegangen. Handwerker in der ganzen Stadt machen aus altem Blech neue Kanisteröfen und bieten sie am Straßenrand zum Verkauf an. Wer eine mit nach Hause nimmt, kann die Neuerwerbung nicht lange vor den Nachbarn geheim halten: In ganz Kabul verkünden lautstarke nächtliche Atembeschwerden, wo die neuzeitliche Wunderlampe Wohnzimmer mit billiger Wärme ohne Filter versorgt.
Heiner Heller, ARD-Hauptstadtstudio