Takt der Steine Formen, schichten, backen, warten.
Drei alte Männer packen den Wiederaufbau an. Nach einer sehr alten Tradition backen sie Ziegel, um ihre Häuser und Mauern wieder errichten zu können. Die Granateinschläge an ihren Brennöfen sind geflickt und endlich können sie in Ruhe ihren Gewohnheiten nachgehen: Sie formen, schichten, backen, warten.
Zuhören, wie der Wind weht. Sehen, wie der Schnee schmilzt. Fünf Tage lang ist Zeit dazu. So lange werden die 7000 Ziegelsteine gebacken, so lange ruht die Arbeit. Die drei alten Männer hocken mit dem Rücken zum Ofen. Ihre Blicke wandern über die Berge am Stadtrand von Kabul. Oben im Hindukusch ist noch Winter. Hier unten in der fruchtbaren Ebene vor der afghanischen Hauptstadt wird es ganz langsam Frühling.
Ziegel brennen wie in alten Zeiten
Seit die Soldaten der internationalen Schutztruppe ISAF da sind, bauen die Afghanen wieder auf, was im jahrelangen Bürgerkrieg zerstört wurde. Lange Kolonnen verbeulter Lastwagen bringen Holzbalken und Zementsäcke. Der wichtigste Grundstoff aber wird gleich hier gewonnen.
Die meterhohen Brennöfen stehen gleich neben den Lehmgruben. Aus der Ferne sehen sie aus wie gemauerte Flaschen. Befeuert werden sie mit zentnerschweren Wurzelknollen großer Bäume. Hunderte dieser Holzklumpen wandern in den unterirdischen Bauch des Ofens. Ihre Glut macht die Ziegel langsam hart.
Mühsam geflickt: Kriegsspuren an den Ofenwänden
Die ältesten Öfen stehen hier seit fast dreihundert Jahren. Andauernde Kämpfe in den vergangenen zwei Jahrzehnten haben Spuren hinterlassen. Aber die Einschläge unzähliger Granaten sind knapp zwölf Monate nach dem Ende der Talibanherrschaft längst geflickt, die Produktion läuft langsam, aber stetig. Die drei alten Männer sind glücklich, dass sie nun wieder im Takt der Steine leben: Formen, Schichten, Backen, Warten.
Heiner Heller, ARD-Hauptstadtstudio