Katholische Kirche Kardinal Marx bietet Rücktritt an
Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, hat Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten. Er wolle damit Mitverantwortung tragen für "die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs".
Der Münchner Kardinal Marx hat Papst Franziskus um die Entbindung von seinem Bischofsamt gebeten. In einem vom Erzbistum München und Freising veröffentlichten Brief an den Papst legte der Kardinal seine Gründe für diesen Schritt dar.
Nach Angaben des Erzbistums teilte Papst Franziskus Kardinal Marx mit, dass der Kardinal bis zu einer Entscheidung seinen bischöflichen Dienst weiter ausüben solle.
Marx sieht "systemisches Versagen"
In seinem Brief an den Papst schreibt Marx: "Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten." Die Untersuchungen und Gutachten der zurückliegenden zehn Jahre zeigten für ihn durchgängig, dass es "viel persönliches Versagen und administrative Fehler" gegeben habe, aber "eben auch institutionelles oder systemisches Versagen".
Die Diskussionen der letzten Zeit hätten gezeigt, "dass manche in der Kirche gerade dieses Element der Mitverantwortung und damit auch Mitschuld der Institution nicht wahrhaben wollen und deshalb jedem Reform- und Erneuerungsdialog im Zusammenhang mit der Missbrauchskrise ablehnend gegenüberstehen", so der Kardinal.
Katholische Kirche an "toten Punkt" angekommen
Dieser Haltung erteilte er eine klare Absage. Stattdessen müsse etwa der in Deutschland begonnene Reformprozess "Synodaler Weg" weitergehen, für den Marx sich stark eingesetzt hat. Die katholische Kirche sei an einem "toten Punkt" angekommen. Mit seinem Amtsverzicht könne vielleicht ein persönliches Zeichen gesetzt werden für neue Anfänge, für einen neuen Aufbruch der Kirche. "Ich will zeigen, dass nicht das Amt im Vordergrund steht, sondern der Auftrag des Evangeliums."
In seiner Erklärung teilte Marx weiter mit, er habe in den vergangenen Monaten immer wieder über einen Amtsverzicht nachgedacht. "Ereignisse und Diskussionen der letzten Wochen spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle." Seine Bitte um Annahme des Amtsverzichts sei eine ganz persönliche Entscheidung. "Ich möchte damit deutlich machen: Ich bin bereit, persönlich Verantwortung zu tragen, nicht nur für eigene Fehler, sondern für die Institution Kirche, die ich seit Jahrzehnten mitgestalte und mitpräge."
Kardinal Woelki bekundet "großen Respekt"
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki bekundete "großen Respekt" vor dem Marx Rücktrittsgesuch. Er selbst will aber offenbar auf seinem Posten bleiben. Der Chef des größten deutschen Bistums mit: "Bereits im Dezember des vergangenen Jahres hatte ich den Heiligen Vater gebeten, die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln sowie meine persönliche Verantwortung zu bewerten. Damit habe ich mein Schicksal damals vertrauensvoll in die Hände des Papstes gegeben."
Woelki erinnerte an das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten zum Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs. "Darin wurden Namen genannt und Verantwortliche haben Konsequenzen gezogen." Woelki selbst war in dem Gutachten von Pflichtverletzungen freigesprochen worden, er hatte unter Verweis darauf mehrfach einen Rücktritt abgelehnt.
"Da geht der Falsche"
Der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, bekundete Respekt vor dem Rücktrittsgesuch. Er habe Marx als einen Geistlichen erlebt, "der bereit war zuzuhören", sagte Katsch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Marx sei klar, dass man nur durch eine Übernahme von Verantwortung einen Neuanfang machen könne. "Marx hat verstanden, dass diejenigen, die den Karren in den Dreck gezogen haben, ihn nicht zugleich wieder herausziehen können."
Der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, bedauerte Marx' Entscheidung. "Ich bin tief erschüttert - da geht der Falsche", sagte Sternberg der "Rheinischen Post". Er schätze ihn außerordentlich. "Was Marx in der Ökumene, beim synodalen Weg und auch bei der Missbrauchsaufarbeitung geleistet hat, ist ganz wichtig gewesen."
Kritik nach Verleihung des Bundesverdienstkreuzes
Sternberg erinnerte auch daran, dass der Münchner Erzbischof fast sein ganzes privates Vermögen in eine Stiftung für Missbrauchsopfer eingebracht habe. Nach seiner Einschätzung habe Marx die massive Kritik an der geplanten Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an ihn tief getroffen. "Das zeigt auch, dass in der gegenwärtigen Skandalisierung der katholischen Kirche alle in einen Gesamtverruf kommen - egal, wie ernsthaft sie diese Themen angehen oder nicht", sagte Sternberg. Sollte der Rücktritt von Papst Franziskus angenommen werden, "dann fehlt uns eine ganz wichtige Persönlichkeit im deutschen Katholizismus".
Marx ist einer der bekanntesten Bischöfe Deutschlands. Bis 2020 war er Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). In der Reformdebatte der katholischen Kirche in Deutschland, dem "Synodalen Weg" hatte er sich zuletzt als reformfreudig hervorgetan. Für diesen Sommer wird ein Gutachten über Fälle von sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising erwartet, das vor allem herausarbeiten soll, wie sexueller Missbrauch von Priestern im Bistum möglich wurde und ob hochrangige Geistliche Täter schützten.