Vor der Räumung von Lützerath Polizei entfernt erste Barrikaden
Die Polizei hat in Lützerath damit begonnen, erste Barrikaden zu entfernen. Demonstranten bildeten Menschenketten und Sitzblockaden, einige von ihnen gruben sich in die Erde ein. Die Klimaaktivistin Neubauer kritisierte die Polizeistrategie.
Auf dem Zufahrtsgelände zum Dorf Lützerath im rheinischen Braunkohlegebiet hat die Polizei mit der Entfernung von Barrikaden begonnen. Dies sei für die bevorstehenden Arbeiten des Energiekonzerns RWE erforderlich, schrieben die Einsatzkräfte auf Twitter. Es handele sich dabei nicht um den Räumungsbeginn.
Die Einsatzkräfte appellierten vor Ort mit Lautsprecherdurchsagen an die Klimaaktivisten, die das Dorf besetzen, ihre Blockaden "sofort zu verlassen". Andernfalls müsse man sie "mittels Zwang" räumen.
Aktivisten: "Klimaschützen ist kein Verbrechen!"
Mehrere Hundert Demonstranten sind vor Ort. Sie bildeten Menschenketten und errichteten eine Sitzblockade. Einige der Beteiligten gruben sich rund einen halben Meter tief in die Erde ein. "Es geht darum, dass wir die Zufahrt zu Lützi versperren", sagte eine Aktivistin. Sie und ihre Mitstreiter riefen unter anderem "Haut ab!", "Schämt euch!", "Auf die Barrikaden!" und "Klimaschützen ist kein Verbrechen!".
Die meisten Aktivisten zeigten sich vermummt. Der Ton gegenüber den Einsatzkräften war laut der Nachrichtenagentur dpa teils aggressiv. Die Polizei löste Menschenketten auf, Demonstranten wurden fortgetragen. Bei dem Versuch, Blockaden aufzulösen, kam es vereinzelt zu Handgreiflichkeiten. In mehreren Reihen stemmten sich Aktivisten gegen die Einsatzkräfte, es wurde geschubst und gebrüllt. Ein Aktivist mit Blut im Gesicht sagte der dpa, er sei an der Nase verletzt worden, als er von seiner Sitzblockade weggetragen worden sei.
Bis zum Nachmittag sei die Lage aber "relativ ruhig" geblieben, sagte ein Polizeisprecher. Menschen wurden demnach bis zu diesem Zeitpunkt nicht fest- oder in Gewahrsam genommen. In der Regel beschränkten sich die Maßnahmen auf die Feststellung der Personalien.
Noch kein Starttermin für Räumung festgelegt
Die Polizei hat aufgrund einer Allgemeinverfügung des Kreises Heinsberg zwar bereits heute die Möglichkeit zur Räumung des Dorfes. Allerdings will Landrat Stephan Pusch am Nachmittag noch über die Räumung und den damit verbundenen Polizeieinsatz informieren. Ab Mittwoch könnte dann mit der eigentlichen Räumung begonnen werden.
Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach legte sich weiterhin nicht auf einen Starttermin fest. Die Räumung könne am Mittwoch oder "an den darauffolgenden Tagen erfolgen", sagte er dem WDR. Sorge bereite ihm derzeit die Gewaltbereitschaft unter einigen der Klimaaktivisten. So seien offenbar Steine und Dachziegel angehäuft worden, um sie als "Wurfmaterial" gegen die Polizei zu verwenden.
Im Fernsehsender Phoenix betonte er das Bemühen der Polizei, deeskalierend vorgehen zu wollen. Neben sieben verbarrikadierten Häusern, die geräumt werden müssten, gebe es rund 25 Baumhäuser, aus denen Protestierende technisch aufwendig und sicher herausgeholt werden müssten. Für die Räumung werde ein Zeitraum von mindestens vier Wochen veranschlagt.
Neubauer: "Gegenteil von friedlich"
Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer beschrieb die Polizeistrategie vor Ort hingegen als nicht besonders friedlich. Von der Politik sei zwar eine friedliche Räumung angekündigt worden, was sich vor Ort abspiele, sei aber "ziemlich genau das Gegenteil davon", sagte sie im Deutschlandfunk.
"Über Nacht sind gerade verschiedene Hundertschaften in das Dorf reingekommen, aus dem ganzen Land werden eben die Einsatzkräfte hinmobilisiert und offensichtlich hat man politisch gar keinen richtigen Plan, als immer mehr Polizeikräfte dahin zu holen."
Ziel der Aktivisten sei es zunächst, die Räumung hinauszuzögern und politisch sehr teuer werden zu lassen. "Das ist auch ganz wichtig, denn mit dieser Entscheidung, dass man Lützerath an RWE gibt, stellt sich die Bundesregierung gegen das Pariser Klimaschutzabkommen", sagte Neubauer. Dabei werde die Kohle unter Lützerath nicht mehr für die Energieversorgung in Deutschland gebraucht. Sie erwarte daher von der Bundesregierung, "dass sie in diesem Augenblick mal pausieren und checken, auf welcher Grundlage sie da diese riesengroßen, weitreichenden Entscheidungen fällen".
Die von den Grünen geführten Wirtschaftsministerien im Bund und in Nordrhein-Westfalen haben mit dem Energieversorger RWE einen auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg im Rheinland vereinbart. Fünf vom Abriss bedrohte Nachbardörfer sollen erhalten bleiben, Lützerath soll aber weichen. Die Kohle unter dem Dorf wird laut RWE für die Energieversorgung gebraucht.