Bundesverwaltungsgericht Kükentöten bleibt vorerst erlaubt
Das massenhafte Töten männlicher Küken in der Legehennenzucht bleibt vorerst rechtmäßig. Bis zur Einführung alternativer Verfahren dürften Brutbetriebe weiter so vorgehen, urteilte das Bundesverwaltungsgericht.
Jedes Jahr werden allein in Deutschland rund 45 Millionen männliche Küken kurz nach der Geburt getötet. Das darf auch vorerst so bleiben, urteilte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die Richter hatten abzuwägen, ob Brutbetrieben die Aufzucht der Tiere wirtschaftlich zuzumuten oder ob das Töten der Küken ethisch vertretbar ist. Das Ergebnis: Die wirtschaftlichen Interessen der Brütereien seien zwar allein kein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes. Bis Alternativen zur Verfügung stünden, sei die Fortsetzung der Praxis aber noch rechtmäßig.
Männliche Küken sind für die Fleisch- und Eierproduktion ungeeignet. In der EU wird es deshalb geduldet, dass sie in der Legehennenzucht innerhalb von 72 Stunden nach ihrem Schlüpfen geschreddert oder vergast werden.
Jahrelange Praxis verhindert sofortiges Verbot
Genau dieses Dulden des Vorgehens innerhalb der EU haben die Richter nun zum Anlass genommen, kein sofortiges Verbot für das Massentöten zu verhängen. In der Pressemitteilung des Gerichtes heißt es dazu:
Die bisherige Praxis wurde allerdings - ausgehend von einer damaligen Vorstellungen entsprechenden geringeren Gewichtung des Tierschutzes - jahrzehntelang hingenommen. Vor diesem Hintergrund kann von den Brutbetrieben eine sofortige Umstellung ihrer Betriebsweise nicht verlangt werden.
Aussortieren männlicher Eier
Nach Auffassung des Gerichtes werden Alternativen zu diesem Küken-Schreddern und Küken-Vergasen "in Kürze" vorliegen. Tatsächlich wird schon länger an solchen Alternativen geforscht, finanziert unter anderem vom Bundeslandwirtschaftsministerium. Durch unterschiedliche Verfahren soll das Geschlecht des Kükens schon im Ei ermittelt werden. Dadurch können die männlichen Eier aussortiert werden, bevor sie ausgebrütet und geschlüpft sind. Ein solches Vorgehen hält das Bundesverwaltungsgericht im Sinne des Tierschutzgesetzes für vertretbar.
Auch vor dem Hintergrund dieser in Aussicht stehenden Lösung sprach sich das Gericht gegen ein sofortiges Verbot des massenhaften Tötens aus:
Ohne eine Übergangszeit wären die Brutbetriebe gezwungen, zunächst mit hohem Aufwand eine Aufzucht der männlichen Küken zu ermöglichen, um dann voraussichtlich wenig später ein Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei einzurichten oder ihren Betrieb auf das Ausbrüten von Eiern aus verbesserten Zweinutzungslinien umzustellen.
"Vernünftiger Grund" ist entscheidend
Die Belastung, die den Unternehmen durch diese doppelte Umstellung entstünde, sei ein "vernünftiger Grund" für die vorübergehende Fortsetzung der bisherigen Praxis, heißt es in der Pressemitteilung. Die Bezeichnung "vernünftiger Grund" ist entscheidend, denn im Paragraf 1 des Tierschutzgesetzes heißt es: "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen."
Nordrhein-Westfalen hatte das Kükentöten 2013 untersagt. Die Landkreise Paderborn und Gütersloh setzten die Verfügung um, zwei Brütereien klagten. Das Oberverwaltungsgericht Münster gab den Klagen statt: Die Aufzucht männlicher Küken bedeute für die Brütereien einen "unverhältnismäßigen Aufwand", urteilten die Richter damals. Hiergegen gingen die Landkreise in Revision.
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 28.16