Protesttag der Kliniken Lauter Ruf nach mehr Finanzhilfen
Zehntausende Ärzte und Pfleger haben beim bundesweiten Protesttag mehr finanzielle Unterstützung für Krankenhäuser gefordert. Viele Kliniken stünden vor existenziellen Problemen, etliche seien von Schließung bedroht.
Vertreterinnen und Vertreter von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Gewerkschaften haben bei einem bundesweiten Protesttag vor einem Kliniksterben in Deutschland gewarnt. Bei der Finanzierung klaffe eine "riesige Lücke", die zu "Schließungen von Krankenhäusern" führen werde, sagte der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß. Wegen stark steigender Personal- und Energiekosten sowie einer hohen Inflation forderte die Branche zusätzliche Hilfen des Bundes.
Bundesweit nahmen nach Angaben der DKG in mehreren Städten etwa 30.000 Menschen an dem Protest teil. Bei der zentralen Kundgebung vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammelten sich mehrere Hundert Menschen.
Unterstützung von ver.di und Marburger Bund
Gesetzlich ist es den Krankenhäusern nicht möglich, ihre gestiegenen Ausgaben an die Patienten weiterzugeben. Gaß, erklärte, in vielen Kliniken und Regionen sei die Verunsicherung groß. Noch vor einer geplanten Reform der Krankenhauslandschaft müsse es einen Inflationsausgleich geben. Sonst würden viele Häuser die Reform nicht mehr erleben.
Die Kliniken machten derzeit jeden Monat 500 Millionen Euro Verlust, sagte Gaß. "Das geht nicht mehr lange gut. 50 Krankenhäuser sind bereits in dem Insolvenzverfahren."
Auch die Ärztegewerkschaft Marburger Bund unterstützte den Protest. "Wenn Krankenhäuser angesichts dieser Lage ums finanzielle Überleben kämpfen, kann man nicht einfach die Hände in den Schoß legen", erklärte die Vorsitzende Susanne Johna. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di warnte: "Es droht ein Kliniksterben, noch bevor die geplante Reform überhaupt greift."
Lauterbach sieht Länder in der Pflicht
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verwies auf umfassende Hilfen des Bundes. Im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF gab er den Bundesländern eine Mitschuld. Sowohl bei den Energie- als auch bei den Personalkosten helfe der Bund bereits mit Milliardenbeträgen. Die Länder dagegen seien seit zehn Jahren ihren Pflichten bei den Investitionskosten nicht nachgekommen.
Der Minister verwies auf schon zugesicherte Hilfen für gestiegene Energiekosten von sechs Milliarden Euro. Bis zum Frühjahr 2024 würden 2,5 Milliarden Euro davon ausgezahlt. Auch werde die Bundesregierung die Bezahlung der Pflegekräfte in den Krankenhäusern per Gesetz beschleunigen. Lauterbach betonte zugleich, dass es in Deutschland zu viele Krankenhäuser gebe. Insolvenzen seien allerdings nicht das richtige Mittel, um eine funktionsfähige Krankenhauslandschaft zu schaffen.
NRW räumt Fehler ein - sieht dennoch Bund in der Pflicht
Die Defizite der Krankenhäuser liegen aus Sicht des Ministers in erster Linie daran, dass die Fallzahlen nach Corona deutlich gesunken sind. Dieser Trend werde anhalten, weil ein immer größerer Anteil von Behandlungen ambulant gemacht werden könne.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sieht dennoch den Bund in der Pflicht. "Es ist richtig, dass die Länder bei den Investitionskosten in der Vergangenheit ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben", sagte er der "Rheinischen Post". Hier habe es aber inzwischen eine Kehrtwende gegeben. Laumann sah angesichts von gestiegenen Energie- und Lohnkosten nun den Bund in der Pflicht, die Finanzierung zu sichern.
Hälfte der Kliniken sieht sich gefährdet
Nach einer in der "Rheinischen Post" veröffentlichten Umfrage der DKG bewerten mittlerweile 68 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser ihre aktuelle wirtschaftliche Situation als schlecht (36 Prozent) oder sehr schlecht (32 Prozent). Fast die Hälfte der Häuser (48 Prozent) sieht ihre Liquidität bis Ende 2024 gefährdet.
49 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser erwarten, ihr Angebot in den nächsten sechs Monaten reduzieren zu müssen, etwa indem sie Betten sperren oder Stationen vorübergehend schließen. 38 Prozent planten bereits konkret, offene Stellen zeitweise nicht mehr zu besetzen.