Verfahren gegen Mercedes-Benz Warum die Klimaklage abgewiesen wurde
Das Stuttgarter Landgericht hat eine sogenannte Klimaklage gegen Mercedes-Benz abgewiesen. Es sei Sache des Gesetzgebers, die Rahmenbedingungen für den Kampf gegen den Klimawandel zu schaffen.
Können Privatpersonen einem Weltkonzern mehr Klimaschutz abverlangen? Das war die Kernfrage beim Stuttgarter Klimaverfahren. Jürgen Resch, Barbara Metz und Sascha Müller-Kraenner hatten ihre Klagen aus prozessualen Gründen zwar als Einzelpersonen eingereicht. Aber hinter ihnen steht ein mächtiger Verein: die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Die drei Bundesgeschäftsführer wussten also "ihr" Haus hinter sich, als sie sich vor dem Stuttgarter Landgericht auf eigene Rechte beriefen.
Die konkreten Ziele, die sie mit ihrer Klage verfolgten und auch weiter verfolgen, sind ambitioniert: Die hauptberuflichen Umweltschützer wollen einen klimagerechten Umbau des Stuttgarter Autobauers erreichen - durchgesetzt im Klageweg. Mercedes-Benz sollte dazu verpflichtet werden, ab Ende 2030 keine herkömmlichen Verbrenner mehr verkaufen zu dürfen.
Durch seine klimaschädliche Fahrzeugflotte verstoße Mercedes-Benz gegen das Grundrecht auf Klimaschutz, so Jürgen Resch. Der CO2-Ausstoß der 2021 verkauften Mercedes-Fahrzeuge übersteige mit mehr als 65 Millionen Tonnen den von Ländern wie Norwegen oder Portugal, rechnete die DUH vor. Doch die Klage blieb trotzdem zunächst ohne Erfolg.
Gericht betont Grundsatz der Gewaltenteilung
Begleitet von viel Medienecho hatten die Kläger die Mercedes-Benz AG vor das Stuttgarter Landgericht gebracht. Verhandelt wurde im Juli. Nun das Ergebnis: Die Klage wird abgewiesen. Die mündliche Urteilsbegründung fiel ziemlich knapp aus.
Das Hauptargument: Welche konkreten Maßnahmen es gegenüber privaten Unternehmen für mehr Klimaschutz geben soll, das müsse der Gesetzgeber entscheiden, und nicht ein Gericht. Das folge aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Das Gericht betont also die Aufgabenverteilung zwischen Politik und Justiz. Man merkt an der Begründung auch: Es geht hier nicht um eine Klage direkt gegen den Staat - so wie bei der erfolgreichen Klimaklage 2021 in Karlsruhe - sondern gegen ein privates Unternehmen vor einem Zivilgericht. Dort spielen Fragen der Beweislast eine andere Rolle.
Um erfolgreich zu sein, hätten die Kläger darlegen und beweisen müssen, dass sie in ihren Rechten verletzt sind. Es sei laut Gericht aktuell aber noch gar nicht absehbar, welche künftigen staatlichen Maßnahmen es geben werde, um den CO2-Ausstoß zu begrenzen. Und wie sich das dann auf die Rechte der Klägerinnen und Kläger auswirke.
Anders gelagerte Klimaverfahren hatten schon Erfolg
Die Idee, vor Gericht für mehr Klimaschutz zu streiten, ist dabei nicht per se zum Scheitern verurteilt. Denn in der jüngeren Vergangenheit hatten schon mehrere Klimaklagen Erfolg. Allerdings waren die konkreten Umstände und die Zielrichtung nicht dieselbe wie in Stuttgart.
Im April 2021 verkündete das Bundesverfassungsgericht seinen sogenannten "Klimabeschluss". Karlsruhe hat damals einem Antrag junger Landwirte von der Nordseeinsel Pellworm teilweise stattgegeben. Diese sahen und sehen durch den Klimawandel ihre Lebensgrundlage bedroht. Allerdings richtete sich ihre Klage gegen den Staat und nicht gegen ein Privatunternehmen. Das Bundesverfassungsgericht gab dem Gesetzgeber mit seinem Beschluss auf, die gesetzlichen Regeln nachzubessern. Die klimatischen Veränderungen mit ihren gravierenden Folgen würden die Freiheit künftiger Generationen auf verschiedenen Ebenen bedrohen.
Darum müsse schon jetzt klar und genau geregelt werden, wie die Bundesregierung die verbindlichen Klimaziele einhalten wolle. Und zwar über das Jahr 2030 hinaus. Der Staat habe dabei einen weiten Spielraum, aber die zwingend anstehenden Entscheidungen dürften nicht generell in die Zukunft verschoben werden. Denn dann würde eben, vereinfacht gesagt, die Luft immer knapper, um noch effektiv agieren zu können. Und das würde bedeuten, dass die Freiheitsrechte der nachfolgenden Generationen dann umso massiver beschnitten werden müssten.
Wer also heute als Gesetzgeber die drängenden Fragen nicht angehe, belaste die Freiheitsrechte kommender Generationen. Das sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Der große Unterschied zum Stuttgarter Verfahren: In Karlsruhe wurde der Staat in Anspruch genommen. Denn gegen ihn können die Bürgerinnen und Bürger direkt die Grundrechte ins Feld führen. Das heutige Urteil aus Stuttgart zeigt: Diese Grundsätze lassen sich nicht ohne Weiteres 1:1 auf die Klage gegen ein Unternehmen übertragen.
In den Niederlanden hat ein Bezirksgericht kurz darauf sogar einen privaten Konzern zu mehr Klimaschutz verurteilt. Der Öl- und Erdgaskonzern Shell muss nach der Entscheidung im Mai 2021 seinen CO2-Ausstoß um 45 Prozent im Vergleich zu 2019 senken. Geklagt hatten Umweltverbände und tausende Niederländer und Niederländerinnen. Ihrer Argumentation, dass der Ölmulti zu wenig für den Klimaschutz tue, war das Gericht in Den Haag gefolgt.
Verfahren in Stuttgart noch nicht abgeschlossen
Insgesamt zeigt das heutige Urteil im Stuttgarter Verfahren: Die rechtlichen Hürden für Klimaklagen gegen Unternehmen sind im deutschen Recht hoch. Das aufsehenerregende Urteil aus den Niederlanden lässt sich nicht eins zu eins übertragen. Gleichzeitig ist das Stuttgarter Urteil nicht das letzte Wort zu diesen Fragen, sondern erst der Anfang. Es geht um rechtliches Neuland, das auch die nächsten Instanzen sehr genau unter die Lupe nehmen werden. In Stein gemeißelt ist noch nichts.
Die DUH hat bereits angekündigt, Rechtsmittel einzulegen. Das Verfahren wird also am Oberlandesgericht weitergehen.
Und: Das Verfahren in Stuttgart ist nicht das einzige dieser Art. In Detmold verhandelt das Landgericht aktuell über die Klage eines Bio-Landwirtes gegen VW. Der Bauer will, unterstützt von Greenpeace, den niedersächsischen Automobilriesen dazu verpflichten, mehr Engagement in Sachen Klimaschutz an den Tag zu legen.
Anders als in Stuttgart läuft hier die mündliche Verhandlung noch. Das dortige Gericht hatte zunächst Zweifel an der Begründetheit der Klage angedeutet, nun aber einen weiteren Termin für Februar 2022 bestimmt. Andere Klagen sind etwa in Braunschweig und München anhängig.