Schnelles Internet Warum Deutschland hinterherhinkt
Deutschland liegt beim schnellen Internet im Vergleich mit anderen Industrienationen auf einem der hinteren Plätze. Warum kommt der Breitbandausbau nicht wie gewünscht voran?
Es könnte so schön schnell sein: In Japan und Südkorea sind drei Viertel aller Haushalte mit einer Glasfaserleitung versorgt, die superschnelles Internet garantiert. In Deutschland hingegen nur etwas mehr als zwei Prozent. Damit gehört die Bundesrepublik laut einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) international zu den Schlusslichtern.
"Digitalausbau in Deutschland ein Totalausfall"
"Was den Digitalausbau in Deutschland angeht, war Alexander Dobrindt mit seinem Ministerium für digitale Infrastruktur ein Totalausfall", meint Torsten Gerpott, Professor für Telekommunikationswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Er kritisiert die "zu späte, zu knappe und zu bürokratische Vergabe von Breitband-Fördermittel durch den Bund". Erst 2015 wurde ein Förderprogramm mit vier Milliarden Euro gestartet.
Antragsverfahren für Fördergelder zu komplex
Das sei jedoch viel zu komplex, bemängeln Experten. Denn drei Jahre später sind lediglich drei Milliarden Euro für Projekte zugesagt und erst ein Bruchteil tatsächlich verbaut, erklärt Nick Kriegeskotte vom Branchenverband Bitkom, "da wir lange Antragsverfahren und wenig Tiefbaukapazitäten haben".
Eine Vereinfachung fordert auch die FDP. "Das Antragsverfahren muss so sein, dass gut strukturierte Gemeinden Anträge ohne Hilfe stellen können", sagt Daniela Kluckert, die stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für Digitale Infrastruktur.
Bundesregierung verfehlt ihre Ziele
Ihre Ziele für schnelles Internet hat die Bundesregierung mehrmals klar verfehlt. Vor neun Jahren versprach sie, bis Ende 2014 könnten 75 Prozent aller Haushalte mit 50 Megabit pro Sekunde (MBit/s) im Internet surfen. Tatsächlich traf das dann auf lediglich zwei von drei Haushalten zu.
Vor vier Jahren dann sagte die Große Koalition zu, dass bis Ende 2018 allen Haushalten solch schnelle Internetleitungen zur Verfügung stehen würden. Auch dieses Ziel wird nicht erreicht werden, wie die neue Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär, einräumt.
Auf dem Land surft jeder Zweite im Schneckentempo
Derzeit gibt es etwa 32,5 Millionen Breitbandanschlüsse in Deutschland - allerdings überwiegend in Großstädten und Ballungsgebieten. In den ländlichen Gebieten ist im Schnitt noch nicht mal jeder zweite Haushalt mit 50 MBit-Leitung versorgt, wie aus dem Breitbandatlas der Bundesregierung hervorgeht.
In ländlichen Gebieten und im Osten Deutschlands läuft der Breitbandausbau besonders schleppend.
Kupfer- statt Glasfaser auf der letzten Meile
Hauptknackpunkt beim Breitbandausbau ist die Frage, wie man mit der besonders teuren letzten Meile umgeht - also der Strecke bis in den Keller hinein oder gar bis in die Wohnungen. Nur bis zur Stelle davor - die grauen Telefonkabelkästen an der Straße oder die Verteilzentren für Fernsehkabel - setzen die Konzerne schon heute umfangreich auf Glasfaser, das 1000 MBit/s ermöglicht.
Auf der letzten Meile hingegen liegt häufig Kupfer - bei der Telekom sind das Telefonkabel, die manchmal 80 Jahre alt sind. Über sie erreicht man mit einem DSL-Anschluss in der Regel Spitzenwerte zwischen 50 und 100 MBit/s.
"Sinnvoll ist die gezielte Subventionierung des Ausbaus echter Glasfasernetze auf dem Land", meint Gerpott. Er schätzt, dass das mindestens 15 Jahre dauern dürfte. "Die schweren Versäumnisse der Vergangenheit können nicht kurzfristig wettgemacht werden."
Neukunden wollen 100 MBit/s
Die Telekom setzt auf das "Vectoring", bei dem aus den alten Telefonkabel bis zu 100 MBit rausgequetscht werden können. Ein umstrittenes Verfahren. Kritiker bemängeln, dass dadurch die Glasfaserentwicklung gebremst würde. Befürworter argumentieren, dass ultraschnelles Netz häufig gar nicht gewünscht sei.
Tatsächlich buchen aktuell nur etwas mehr als zehn Prozent der Haushalte, die Anschlüsse mit 100 MBit/s zur Verfügung haben, auch tatsächlich den superschnellen Internettarif. Im Schnitt surfen die deutschen Haushalte mit 15 MBit/s. Allerdings sind solche Zahlen nur bedingt aussagekräftig. Denn von den Neukunden würden etwa drei Viertel den 100 MBit-Anschluss buchen, heißt es von den Internetanbietern.
Schnelles Internet ist standortentscheidend
Schnelles Internet ist mittlerweile standortentscheidend, glaubt Friedrich-Christoph Seidel, der Bürgermeister von Kramerhof in Mecklenburg-Vorpommern, wo die Telekom das nach eigenen Angaben größte Glasfaserprojekt in Deutschland gestartet hat. Bauwillige würden ihre Entscheidung inzwischen davon abhängig machen, ob es auf dem Dorf schnelles Internet gebe.
Im Koalitionsvertrag versprechen Union und SPD nun einen flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen bis 2025. Bis dahin soll jedermann einen rechtlich abgesicherten Anspruch auf schnelle Internetanschlüsse bekommen. Ab wann jedoch ein Internetanschluss als schnell gilt, und was passiert, wenn der Anspruch nicht erfüllt werden kann, ist derzeit völlig offen.