Bundesverfassungsgericht Bürgerverein klagt gegen Wahlrechtsreform der Ampel
Ist die Sperrklausel des Wahlrechts nicht verfassungskonform? 4.242 Bürgerinnen und Bürger haben nun vor dem Verfassungsgericht Klage gegen die Fünf-Prozent-Hürde eingereicht. Sie fürchten eine Entwertung von Millionen Wählerstimmen.
Der Verein "Mehr Demokratie" hat beim Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition eingelegt. Dahinter stünden 4.242 Bürgerinnen und Bürger, teilte der Verein in Berlin mit. Die Klage richtet sich gegen die in der Reform enthaltene Verschärfung der Fünf-Prozent-Klausel bei Bundestagswahlen.
Der Verein will diese vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen. Dabei gehe es nicht um die Klausel an sich, sondern um ihre Höhe, betonte Ralf-Uwe Beck, der Bundesvorstandssprecher von "Mehr Demokratie". Der Verein macht sich für eine Absenkung der Klausel auf drei Prozent stark.
Grundmandatsklausel wurde abgeschafft
Hintergrund der Klage ist die Wahlrechtsreform, die der Bundestag im März und später auch der Bundesrat beschlossen hatte. Diese zielt auf eine Verkleinerung des Bundestags von derzeit 736 auf 630 Abgeordnete ab. Möglich wird diese Schrumpfkur dadurch, dass erfolgreiche Direktkandidatinnen und -kandidaten nur dann in den Bundestag einziehen können, wenn ihre Partei die Fünf-Prozent-Hürde übersprungen hat.
Die sogenannte Grundmandatsklausel wurde abgeschafft. Nach ihr kam eine Partei bislang auch dann in der Höhe ihres Zweitstimmen-Ergebnisses in den Bundestag, wenn sie zwar unter der Fünf-Prozent-Hürde blieb, aber mindestens drei Direktmandate gewann. Dies betraf bei der Bundestagswahl 2021 die Linke. Sollte die nur in Bayern antretende CSU bei einer der nächsten Wahlen die bundesweite Fünf-Prozent-Hürde reißen, verfielen alle ihre Direktmandate, die sie regelmäßig in fast allen Wahlkreisen holt. Die Reform könnte also insgesamt dazu führen, dass nicht alle Wahlkreisgewinner ins Parlament einziehen.
"Schwere demokratische Hypothek"
"Diese harte Sperrklausel könnte CSU und Die Linke die parlamentarische Existenz kosten. Millionen von Wählerstimmen würden entwertet", warnte Bundesvorstandssprecher Beck. Die Zahl der Stimmen, die wegen der Fünf-Prozent-Hürde unter den Tisch fallen, könnte sich von vier Millionen bei der Bundestagswahl 2021 auf künftig acht Millionen verdoppeln.
Das kollidiere noch mehr als bisher schon mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl und der Chancengleichheit der Parteien. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel beschere Wählerinnen und Wählern eine unwirksame Stimmabgabe, kritisierte Beck. Damit würde ein neu gewähltes Parlament mit "einer schweren demokratische Hypothek" in die Wahlperiode gehen.
"Sperrklausel ist eine Zerrklausel"
Juristisch vertreten wird "Mehr Demokratie" von Thorsten Kingreen, Jura-Professor an der Universität Regensburg. "Die Sperrklausel ist eine Zerrklausel", erklärte dieser. Dadurch komme es zu einer "ganz groben Verzerrung des Wählerwillens". Kingreen hält die Fünf-Prozent-Hürde deshalb nach der Wahlrechtsreform "nicht mehr für verfassungskonform".