Nach Landtagswahl Wer könnte in Hessen regieren?
Die Hessen-CDU regiert seit zehn Jahren mit den Grünen. Gut möglich, dass das Bündnis nach der Landtagswahl fortgesetzt wird. Denkbar ist aber auch eine schwarz-rote Koalition. Oder reicht es für eine Ampel?
Nach der Wahl ist vor der Wahl. Und bei allen Unwägbarkeiten spricht einiges dafür, dass es CDU-Ministerpräsident Boris Rhein ist, der sie hat. Ändert sich an der Stimmungslage nichts, kann er sich vermutlich einen Koalitionspartner aussuchen.
Seit Wochen hat die Union in den Umfragen die Nase weit vorn. Im ARD-Hessentrend zehn Tage vor der Wahl kam die CDU auf 31 Prozent. Die Grünen als derzeitiger Regierungspartner und auch die SPD liegen rund 15 Prozentpunkte dahinter.
Eine der beiden Parteien dürfte Juniorpartnerin der CDU werden: Für andere Konstellationen reicht es nach derzeitiger Stimmungslage rechnerisch nicht. Auch für einen Machtwechsel durch eine Ampelkoalition dürfte es knapp werden. Aber wer will überhaupt mit wem?
Schwarz-Grün
Ein Wunschkonzert für die CDU wird die Bündnisbildung trotz rosiger Aussichten vermutlich nicht. Seit 25 Jahren führt sie die Landesregierung, seit zehn Jahren mit den Grünen. Das Zweckbündnis hat ohne Zerwürfnisse auch in schwierigen Zeiten funktioniert. Doch zuletzt schwand der Zusammenhalt.
Der grüne Vize-Ministerpräsident Tarek Al-Wazir machte seinem Kabinettschef Rhein im Wahlkampf den Posten streitig. Die erheblichen inhaltliche Differenzen der schwarz-grünen Regierung kamen vor allem in der Innenpolitik zum Vorschein. Am Auftreten von CDU-Innenminister Peter Beuth bei der Aufarbeitung des rassistischen Attentats von Hanau übten die Grünen öffentlich Kritik.
Rhein wiederum kann das Murren in seiner Landtagsfraktion und an der Basis über zu viel Einfluss des Juniorpartners nicht überhört haben. Hessens Grüne ticken beim aller Bürgerlichkeit noch immer eher links. Ein klares Bekenntnis zur Fortsetzung des Bündnisses kam dem CDU-Spitzenkandidaten und Amtsinhaber im Wahlkampf nicht über die Lippen.
CDU und SPD
Der Hessen-CDU darf man eine größere Nähe zu SPD und FDP unterstellen. Für eine Koalition mit den Liberalen, traditionell der Lieblingspartner der Hessen-CDU, reicht es aber schon lange nicht mehr. Blieben die Sozialdemokraten.
So heftig die SPD die Regierung in der Schulpolitik oder nach Polizeiaffären attackierte: Die Schnittmengen sind groß, Unterschiede nicht unüberwindlich. Die lange Zeit in der Opposition hat die Sehnsucht der SPD nach Mitgestaltung und Ämtern verstärkt. Das könnte den Preis drücken, den die CDU bei Koalitionsverhandlungen zahlen müsste.
Doch das Verhältnis wurde gerade zum Ende des Wahlkampfes mit einem später gelöschten SPD-Wahlvideo arg strapaziert. Der Clip rückte Rhein in AfD-Nähe, die Empörung war groß. Und so stellten sich in der CDU einige schon die Frage, ob die SPD so verlässlich ist wie die Grünen. Mit ziemlicher Sicherheit wäre SPD-Spitzenkandidatin und Bundesinnenministerin Faeser bei möglichen Koalitionsgesprächen nicht dabei. Sie hatte angekündigt, nur als Ministerpräsidentin zur Verfügung zu stehen.
Die Ampel
Für SPD und Grüne ist eine Ampel-Koalition die einzige Chance für eine Regierungsübernahme. "Wenn sie nur eine Stimme mehr haben, machen sie es", warnte Rhein im Wahlkampf und warb dafür, dass Hessen "Ampel-freie Zone" bleibt.
Anders als Grünen-Politiker Al-Wazir warb SPD-Spitzenkandidatin Faeser offensiv für das Dreier-Bündnis. Dem schlechten Image der Ampel-Bundesregierung hielt sie ein vergleichsweise reibungslos arbeitendes Gegenmodell entgegen: die SPD-geführte Ampelkoalition im Nachbarbundesland Rheinland-Pfalz.
Allerdings wäre eine Ampel die unbeliebteste Koalitionsoption im Land. Das geht aus dem HR-HessenTrend von Mitte September hervor. Diejenige Partei, die lediglich zweite Kraft in so einem Dreierbündnis wäre, könnte sich von einem Zweierbündnis mit der CDU mehr Einfluss und Ministerien versprechen. Auch zwischen FDP und Grünen könnte es knirschen: FDP-Spitzenkandidat Stefan Naas inszenierte sich im Wahlkampf als "Anti-Al-Wazir", also gegen den grünen Wirtschaftsminister.
AfD dient sich an
Rein rechnerisch sieht es für eine andere Variante viel besser aus. Seit Wochen dient AfD-Landeschef Robert Lambrou seine Partei als Mehrheitsbeschafferin für die CDU an: Nur so könne Rhein seine bürgerlich-konservative Politik durchsetzen. Die hessische CDU lehnt jede Zusammenarbeit mit der Partei ab, die der Landesverfassungsschutz als rechtsextremistischen Prüffall betrachtet. Für eine Regierungsbildung wird die AfD auch nicht gebraucht.
Überraschung?
Weil wenige Prozentpunkte die Lage ändern können, lassen die Umfragen noch ein klein wenig Phantasie für eine Überraschung. Neben der FDP zittert auch die Linke um den Verbleib im Landtag. Die Freien Wähler dagegen hoffen bei Umfragewerten von drei bis vier Prozent noch auf den erstmaligen Einzug. Zumindest denkbar wäre dann ein Dreier-Bund aus CDU, FDP und Freien Wählern. Wahrscheinlich ist das aber nicht.